Z w e i u n d z w a n z i g

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Song: Summer Sippin' (Radio Edit) - Boehm, DVNNI

In den Hamptons zu sein fühlte sich an, als würde ich schon wieder eine andere Welt betreten.

Anfangs war ich froh gewesen, dass wir die Segelyacht für mehrere Tage im Hafen liegen lassen würden und ich fürs Erste nicht mehr Gefahr lief, etwas zu tun, was Lillian über Bord befördern könnte und somit Mrs Parker ausflippen ließ. Nun allerdings sackte mein Selbstbewusstsein mit jedem riesigen Grundstück, an dem wir vorbeikamen, mehr in sich zusammen.

Die Orte, an denen wir zuvor Halt gemacht hatten – Plymouth, Cape Cod und die Inseln – waren teure Urlaubsziele.

Die Hamptons waren unbezahlbar.

Schon seit Minuten kutschierte ein Chauffeur Alexander und mich in einem protzigen Range Rover eine nicht enden wollende Straße entlang, an deren Seiten hohe Hecken und Zäune nur erahnen ließen, wie imposant die Häuser hinter ihnen tatsächlich waren.

Seit wir den Hafen verlassen hatten, sprach Alexander kein Wort mit mir, sondern hing ununterbrochen an seinem Handy. Ich konnte nur vermuten, dass es etwas mit der Auseinandersetzung auf der Segelyacht zu tun hatte und er deshalb überhaupt mit mir in einem Auto saß, anstatt mit dem Rest seiner Familie in dem hinter uns. Ein paar Mal war ich kurz davor zu fragen, wagte es letztendlich aber doch nie. Obwohl wir uns von Tag zu Tag besser verstanden, war das Eis zwischen uns noch lange nicht gebrochen. Angeknackst vielleicht, aber mehr auch nicht.

Als der Chauffeur sachte abbremste, um in eine der breiten Einfahrten zu lenken, begann mein Herz schneller zu schlagen. Alexander hob zum ersten Mal den Kopf und sah ebenfalls durch die Windschutzscheibe auf das hohe Eisengittertor, das sich automatisch zu beiden Seiten öffnete. Langsam rollte der Wagen wieder an und ließ den Kies, der die Einfahrt bedeckte, unter den Reifen knirschte. Prächtig blühende Hortensien säumten beide Seiten der kurvigen Auffahrt. Sie blühten in zarten Pastelltönen, himmelblau, blassrosa, cremeweiß und mintgrün, und waren so hoch, dass das zum Grundstück gehörende Haus noch immer nicht zu sehen war. Erst, als wir eine weitere Kurve bewältigten, kamen Teile einer hellgrauen Schindelfassade zum Vorschein. Dann immer mehr weiß eingefasste Fenster, manche verziert mit schwarzen Fensterläden, die sich über drei Etagen bis unter das dunkle Dach zogen. Es war ein verwinkeltes Haus – nein, ein verwinkeltes Anwesen – das trotz seiner Größe irgendwie einladend aussah. Es war ein kompletter Gegensatz zu dem hochmodernen Penthouse, das die Parkers in Boston ihr Zuhause nannten, aber definitiv nicht weniger respekteinflößend.

Der Chauffeur stoppte den Wagen direkt unter einer von Säulen gestützten, überdachten Durchfahrt vor einer beachtlichen Haustür. Nur am Rande bekam ich mit, dass er ausstieg und Alexander sich neben mir abschnallte. Kurz darauf ging meine Tür auf, während Alexander auf der anderen Seite selbstständig aus dem Range Rover stieg. Hastig löste auch ich meinen Gurt, griff nach meiner Tasche, schenkte dem Chauffeur ein dankbares Lächeln – und trat ins Leere. Einen langsamen Moment fiel ich unglaublich unelegant Richtung Boden, da ich völlig vergessen hatte, wie hoch dieser SUV gesetzt war, bis ich schließlich aufkam und beinahe das Gleichgewicht verlor. Im selben Moment kam der Wagen, in dem Mr und Mrs Parker mit Lillian saßen, hinter unserem zum Stehen und ich hoffte inständig, dass niemand mein Missgeschick beobachtet hatte.

„Alles in Ordnung, Miss?", erkundigte sich der Mann.

Ich beeilte mich abzuwinken und lächelte. „Nichts passiert."

Er nickte ebenfalls und schloss sanft meine Tür, ehe er um den Range Rover herum zum Kofferraum ging, wo unser Gepäckverstaut war. Schon am Hafen hatte ich gelernt, dass ich ihm damit nicht helfen sollte, weshalb ich unschlüssig neben dem Wagen stehen blieb.

SommergewitterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt