„Na, wie macht sich unser neues High Society Mitglied so?"
„Oh, Gott sei Dank", seufzte ich erleichtert. „Ich war noch nie so froh, deine Stimme zu hören! Oder über festen Boden unter den Füßen. Es ist die reinste Hölle! Hast du gerade Zeit für mich?"
Noemis herzhaftes Lachen hallte durch die Leitung direkt in mein Ohr und von dort weiter zu meinem Herzen. Bei dem vertrauten Klang fühlte ich mich direkt ein bisschen leichter. „Für dich doch immer", sagte sie und ließ ihre nächsten Worte neckend klingen. „Bist du etwa seekrank geworden?"
„Das ist nicht witzig", stöhnte ich und fragte mich, wie sie ohne den Hauch einer Ahnung so zielsicher ins Schwarze treffen konnte. Bei der Erinnerung daran, wie ich ungehalten über die Reling gespuckt hatte, wurde mir schon wieder ganz flau im Magen. Das einzig Gute war, dass es bei dem einen Mal geblieben war. Die Tablette, die ich von Alexander bekommen hatte, hatte tatsächlich Wirkung gezeigt. Trotzdem war ich heilfroh darüber, dass wir schon gegen Mittag in einer Bucht vor dem Küstenstädtchen Plymouth geankert hatten, zu dem der starke Wind uns schnell befördert hatte. Noch erleichterter war ich darüber, dass Mr und Mrs Parker planten in der kleinen Hafenstadt etwas zu essen und anschließend mit Lillian die Plymouth Plantation, ein Freilichtmuseum über die ersten Koloniesiedlungen New Englands, zu besichtigen. Sie hatten mir zwar nicht angeboten, mitzukommen, aber ich war trotzdem mit ihnen in einem kleinen Beiboot zu dem beschaulichen Hafen getuckert, um Sonnencreme zu kaufen. Das war jedenfalls mein Vorwand gewesen, um nicht mit Alexander alleine auf der Yacht bleiben zu müssen, weil der den Familienausflug verweigert hatte.
Nun schlenderte ich durch die Straßen Playmouths, in die entgegengesetzte Richtung, in die Familie Parker aufgebrochen war, immer parallel zum Ufer entlang, ohne so recht zu wissen, wohin mich der Weg überhaupt führte.
„Wie?", hakte Noemi verwirrt und besorgt zugleich nach. „Du bist wirklich seekrank geworden?"
„Ich habe in feinster High-Society-Manier über die Reling gekotzt", bestätigte ich.
„Oh, scheiße."
„Und ich hatte Zuschauer."
„Scheiße, echt?", wiederholte meine Freundin und dann hörte ich sie erschrocken nach Luft schnappen. „Sag mir nicht, dass die dich deshalb gefeuert haben!"
„Haben sie nicht. Noch nicht. Aber ich bin mir sicher, dass das nur noch eine Frage der Zeit ist. So langsam fangen die an, mich echt komisch anzugucken und ich weiß nicht, wie viele Missgeschicke ich mir noch erlauben kann." Ich erzählte Noemi von dem Teller-Fauxpas, Mrs Parkers übertriebener Fürsorge für Lillian, meinem Sonnenbrand und zu guter Letzt von Alexander. „Ich weiß nicht, was von all dem am schlimmsten ist."
„Der Typ", entgegnete Noemi ohne zu zögern und begann geradewegs damit, sich über Alexander aufzuregen. „Ernsthaft, was stimmt denn nicht mit dem? Ist der untervögelt oder warum verhält der sich wie ein affiges Kleinkind? Oh, Moment – Das liegt bestimmt an seinem Lackaffen-Dasein."
Ich konnte mir mein Lachen nicht verkneifen, obwohl mir gerade wirklich nicht danach war. Aber deshalb hatte ich Noemi angerufen. Ich brauchte etwas Normalität. Eine bekannte Stimme. Meine beste Freundin, die es immer irgendwie schaffte, mich von dem abzulenken, was mich bedrückte. „Das nächste Mal solltest du ihn einfach ankotzen", fügte sie noch hinzu. „Obwohl... heb' dir das lieber für den letzten Tag auf, sonst schmeißen die dich womöglich wirklich noch raus."
„Am liebsten würde ich es darauf ankommen lassen", entgegnete ich trocken.
„Oh nein, Brooke! Das ist es nicht wert! Solche Leute haben sowieso schon viel zu viel Einfluss. Versuch einfach über seinem kindischen Verhalten zu stehen und ignorier ihn so gut es eben geht."

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Sommergewitter
RomansaWo strahlender Sonnenschein auf eiskalte Wellen trifft, schneidender Wind auf gespannte Segel und High Society auf urige Fischerdörfchen kollidieren die Herzen von Brooke und Alexander wie Donner in einem Sommergewitter. Drei Wochen als Kindermädche...