S i e b e n

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Song: Chasing Kites - iamamiwhoami
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Mulmig blickte ich auf die Skyline von Boston, die mit jeder vergehenden Minute ein winziges Bisschen kleiner wurde, während wir langsam aus dem Hafen in Richtung des offenen Meeres ausliefen.

Eine seichte Brise strich über mein Gesicht und umspielte meine zusammengebundenen Haare, während der Schiffsmotor beständig im Hintergrund meiner Gedanken knatterte, die darum kreisten, ob dieser Job wirklich so eine gute Idee war. Es fühlte sich komisch an, mit einer fremden Familie zu verreisen, noch dazu einer, die mich so förmlich und distanziert behandelte, wie die Parkers es taten.

Mein Blick schweifte unauffällig zu Alexander, der gemeinsam mit seiner vermeintlichen Stiefmutter geübt mit allerhand Seilen und Leinen hantierten, von deren Nutzen ich absolut keine Ahnung hatte. Ich wusste nicht, wie sein Vater es geschafft hatte, ihn zum Bleiben zu überreden, aber es missfiel mir tierisch.

Obwohl Alexander mich seit seiner Wiederkehr keines Blickes würdigte, schoss jedes Mal ein unangenehmes Ziehen durch meinen Bauch, wenn er in mein Sichtfeld trat. Insgeheim war ich froh über seine Ignoranz, denn in meine neonfarbene Schwimmweste gehüllt bot ich ihm eigentlich die perfekte Vorlage für weitere Schikanen. Außer Lillian und mir trug keiner eins dieser hässlichen Teile und seit dieser Erkenntnis kam ich mir ziemlich lächerlich vor.

Da Mrs Parker mir bei der Erläuterung meiner Aufgaben das Gefühl vermittelt hatte, dass sie mich mitten im Atlantik versenken würde, wenn ich mir nur einen winzigen Fehler erlaubte, war die zusätzliche Sicherheit wenigstens ein kleiner Trost. Besonders bei Lillian war es Mrs Parker ernst, was mich fast hemmte, überhaupt ein Wort mit der Kleinen zu wechseln. Sie saß neben mir in der eingelassenen Sitzecke an Deck, während Ronan Parker das Boot steuerte.

Ich biss die Zähne zusammen, um mein Unbehagen über die bevorstehende Zeit nicht nach außen zu tragen, denn Ronan Parker hatte von dem riesigen Steuerrad am Heck der Yacht einen direkten Blick auf Lillian und mich und nutzte diesen Standort definitiv aus, um Lillians Wohlbefinden zu überprüfen.

Diese betrachtete gebannt die im Hafen liegenden Boote, an denen wir langsam vorbeizogen. Zu Beginn hatte ich Angst gehabt, dass sie nicht wie aufgefordert auf ihrem Platz sitzen bleiben würde, doch bislang bewegte sie nichts außer ihren Kopf in alle erdenklichen Richtungen, sodass ich mich wenigstens in dieser Hinsicht ein wenig entspannte.

Es machte sich sogar ein Anflug von Aufregung in mir breit, als ich bemerkte, dass wir es schon fast aus dem Hafenbecken geschafft hatten. Ich war schon seit Ewigkeiten nicht mehr auf einem Schiff gewesen und obwohl ich mir bessere Gesellschaft als Familie Parker für diese Reise vorstellen konnte, freute ich mich darauf, endlich mal wieder über die sachten Wellen des Atlantiks zu gleiten.

Die Nähe zum Wasser begleitete mich seit meiner Geburt. Ich war in Boston aufgewachsen und auch wenn niemand in meiner Familie je irgendeinem Wassersport nachgegangen war, liebte ich das Meer. Es hatte schon immer eine anziehende Wirkung auf mich gehabt. Leider war Boston nicht bekannt für heiße Sommertage und die Zeit, die ich am stadteigenen Carson Beach verbracht hatte, hielt sich für meinen Geschmack ziemlich in Grenzen.

In meiner Kindheit hatten wir manchmal Familienausflüge zum Carson Beach gemacht. Damals schon hatte ich Dad ständig damit in den Ohren gelegen, dass ich im Meer baden wollte, obwohl wir erst vor fünf Minuten in den Wellen geplanscht hatten. Charlie hingegen hatte sich eher mit dem Bauen von Sandburgen begeistern lassen, die mit Moms Hilfe zu kleinen Meisterwerken herangewachsen waren.

Als ich älter geworden war und mit der eigenen Familie gesehen zu werden uncool wurde, hatte ich die wenigen heißen Tage mit Freundinnen am Strand verbracht.

SommergewitterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt