Vierunddreissigstes Kapitel

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Am Dienstag darauf, nach einem nerventötend langen Tag gefüllt mit Seminaren, Vorlesungen, kurzen Lerneinschüben in den Pausen und einem Fitnessstudiobesuch mit Eamon sitze ich endlich im Bus zu Alans Wohnung. Nachdem ich ihn in einer Nachricht über meine Ankunftszeit informiere, lehne ich mich zurück.

Ich weiss nicht, was müder ist: mein Gehirn oder mein Körper. Alles fühlt sich entkräftet und wirr an. Selbst die Passagiere im Bus hören sich ungewöhnlich schrill an. Meine Musik kann ich langsam nicht mehr hören, weil ich sie ständig während dem selbständigen Lernen abspiele. So sitze ich müde und entnervt im Bus und will mich nur in Alans Arme fallen lassen.

Als der Bus endlich ankommt, stürme ich fast hinaus in die Ruhe. Wie immer steht Alan an der gegenüberliegenden Bushaltestelle bereit und raucht. Als er mich aussteigen sieht, grinst er. Sofort verbessert sich meine Laune. Obwohl es noch nicht einzunachten begonnen hat, brennt das lila übersprayte Licht an der Bushaltestelle bereits und taucht meinen geheimnisvollen Fremden in ein magisches Licht. Dass die Lampe noch immer nicht ausgewechselt wurde, passt mir ganz gut: Die Bushaltestelle wird langsam aber sicher zu unserem geheimen Spot.

„Hi", zieht mich Alan sofort an sich und ich schlinge meine Arme um ihn, so gut das mit meiner Tasche unterm Arm eben geht. Einen Moment lang atme ich seinen vertrauten Geruch ein und geniesse die Wärme seines Körpers, die ich wohl mehr imaginiere als tatsächlich fühle.

„Langer Tag?"

„Wie immer", stöhne ich müde und Alan nimmt scheinbar nebenbei meine Hand. Da ich mich noch immer nicht daran gewöhnt habe, grinse ich unwillkürlich. „Warst du heute an der Uni?"

„Nein", antwortet er ohne weitere Erklärung. Dass er seine Kurse nur selten ernst nimmt und tatsächlich besucht, ist mir bewusst. Dennoch frage ich mich manchmal, was er den ganzen Tag macht. Vor allem nachdem wir uns am Wochenende nicht gesehen und er anscheinen mit seinen Freunden abgehangen hat.

„Was habt ihr am Wochenende eigentlich gemacht?", frage ich deshalb.

„Sind zu Alex um mal wieder zu zocken. Willst du auch was essen? Ich glaube ich hole mir noch einen Döner."

Überrascht über den abrupten Themenwechsel überlege ich kurz. Tatsächlich könnte ich ein Nachtessen gut gebrauchen. Aber Döner sollte ich wohl in der nächsten Zeit vermeiden.

„Können wir einen Stopp in Tesco einlegen? Ich will einen bunten Salat", gebe ich zur Antwort.

„Alles klar", nickt er, rümpft aber die Nase. „Lass mich kurz hier rein, danach gehen wir zu deinem Tesco." Wir stehen vor einer Dönerbude deren Plakate so ausgebleicht sind, dass ich die Drucke kaum mehr erkennen kann.

„Lass uns einfach um die Ecke treffen", schlage ich vor. „Dann hole ich schnell meine Zutaten."

„Okay", nickt er, lässt meine Hand los und tritt in den Laden.

Keine fünf Minuten später habe ich mein Gemüse bezahlt und stehe an der abgemachten Ecke. Weil Alan noch nicht da ist, grabe ich mein Handy aus der Hosentasche und scrolle durch Pinterest.

„Hey Kleine", spricht mich jemand an, den ich nicht kenne. Der Kerl vor mir hat längere dunkle Haare und einen Dreitagebart. Von ihm her strömt ein unangenehm säuerlicher Duft und seine Hand umkrallt eine Plastiktüte mit unidentifizierbarem Inhalt. „Hast du mal eine Zigarette?"

„Nein, sorry", antworte ich nur und schaue zurück auf mein Handy. Ein unwohles Gefühl breitet sich in mir aus. Wie ich solche Momente hasse. Der Typ bleibt vor mir stehen und sieht mich eindringlich an.

„Haste Geld für Kippen?"

„Nein, sorry", antworte ich erneut.

„Aber fürs iPhone schon oder was?", wird er sauer. „Gib mir fünf Pfund, das reicht. Brauch nicht viel."

Lila LichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt