Zweiundzwanzigstes Kapitel

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Meine Eltern haben ihr Einverständnis gegeben und die Startgebühr fürs Showcase bereits eingezahlt. Nach einem langen Gespräch über meine Pflichten an der Uni und in der Werkstatt haben sie zugestimmt, dass mir eine neue Herausforderung gut tun wird.

Ich sollte vor Freude platzen. Stattdessen sitze ich in meinem parkierten Auto, schlürfe einen Grüntee aus meiner neuen Thermotasse und zermürbe mir das Hirn.

Skye und ich haben uns wieder vertragen, seit unserem Streit ist fast eine Woche vergangen. Sie hat meine Sorge nicht verstanden aber versichert, kein Interesse an Alan zu haben. Ich habe mich für meine Vorwürfe entschuldigt, die sie härter getroffen haben, als ich erwartet habe. Ich bin mir immer sicher gewesen, dass sie sich ihres Eindrucks auf Andere voll und ganz bewusst ist. Falsch gedacht.

Trotzdem komme ich von unseren Gesprächen nicht los. In einer Viertelstunde treffe ich Alan, mein ganzer Körper schreit bereits danach, ihn wieder bei mir zu haben. Ausser meinem Hirn vielleicht. Denn in meinem Kopf rasen tausende Gedanken in Höchstgeschwindigkeit umher, überholen sich, knallen zusammen. Skyes Worte haben einen wunden Punkt getroffen.

Was erwarte ich eigentlich von Alan? Kann ich ihm vertrauen? Will ich das? Will ich mich einem Menschen anvertrauen, der mir gleichzeitig so vertraut und dennoch noch immer so fremd ist? Und was, wenn ihm das überhaupt nichts bedeutet?

Ich weiss nichts. Nicht einmal, ob ich ihm meine Sorgen mitteilen soll, oder ob es zu früh dafür ist. Meine Erfahrungen mit Beziehungen beschränken sich auf meine Freunde. Noch nie habe ich mich einem männlichen Wesen auf diese Weise geöffnet. Ich bin mir nicht sicher, ob sich das bei Alan ändern soll.

Mein Handy vibriert. Auf dem Display erscheint eine Nachricht von Riina. Sie ist die Einzige, die meine Hirnerei gerade live mitkriegt.

Riina: ach sinia, ich kann dich so gut verstehen... aber glaub mir, wenns sein soll, dann wirst du es merken. lass es einfach auf dich zukommen

Ich atme tief ein und wieder aus. Riina hat recht. Je mehr ich mir das Hirn zerbreche, desto mehr steigere ich mich in eine sinnlose Verzweiflung. Die vielen Überlegungen machen alles nur komplizierter. Bin ich die Einzige, die sich über solche banalen Dinge stundenlang ganz kirre macht?

Fest entschlossen, meine Gedanken für die nächsten paar Stunden zu verdrängen, lege ich meinen Becher in die Mittelkonsole des Autos und drehe die Musik auf. Dann starte ich den Motor und manövriere den Wagen aus der Garage.

Zwei Lieder später sitze ich vor Alans Wohnung und schalte den Motor aus. Schnell tippe ich ihm eine Nachricht, dass ich unten warte und stelle dann im Rückspiegel sicher, dass meine Haare einigermassen sitzen. Mein Herz pocht bereits wieder wie verrückt. Ich lächle unwillkürlich.

Als Alan die Beifahrertür aufschwingt, beisse ich auf meine Unterlippe. Seine Präsenz bringt mich noch immer völlig aus dem Konzept.

„Hallo du", begrüsst er mich schelmisch grinsend und zwinkert mir zu. „Ich verlade schnell noch die Taschen im Kofferraum."

„Soll ich dir helfen?"

„Geht schon."

Während hinten die Tür auf und wieder zu geht, schalte ich den Motor wieder ein. Meine Hände zittern ein klein wenig.

„Bist du bereit, die Weiten des Himmels zu erkunden?", will Alan mit glänzenden Augen wissen während er auf den Sitz neben mir klettert.

„Ich hoffe es", gebe ich unsicher aber vorfreudig zurück.

„So sitzt der Gurt richtig."

Der junge Mann namens Freddy, den Alan mir vor fünf Minuten vorgestellt hat, zupft an meinem Hüftgurt. Obwohl es draussen eisig kalt ist, trägt er nur eine Fleecejacke und seine Rastas zusammengebunden auf dem Kopf.

Lila LichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt