Drittes Kapitel

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Den ganzen Weg zu Skyes Zuhause über durchlöchert sie mich mit neugierigen Fragen, von denen ich keine so richtig beantworte. Je näher wir ihrer Haustür kommen, desto enttäuschter wird sie über mein konstantes Schweigen. Das merke ich schon nur an ihrem Schlurfen.

„Wieso machst du denn plötzlich so zu?", fragt sie mich zum Abschluss, da wir gerade vor dem Eingang zu ihrem Wohnblock ankommen. Noch immer befinden wir uns mitten in der Stadt, und ich beneide sie wie immer um ihr cooles Apartement.

„Das tue ich doch gar nicht", verteidige ich mich achselzuckend.

„Doch, natürlich."
„Ach was. Ich würde es dir ganz bestimmt erzählen, wenn für einmal etwas Spannendes in meinem Leben passieren würde, keine Sorge."

„Na das ist ja wohl etwas Spannendes, wenn dich jemand so aus dem Konzept bringen kann."

Ich seufze. Den tollen Nachmittag mit ihr will ich auf keinen Fall mit dieser Unzufriedenheit beenden. Erst Recht nicht, da sie Anfangs so lange hat auf mich warten müssen. Eigentlich wäre ich ihr eine Erklärung schuldig. Doch es scheint mir ganz einfach zu unnötig, ihr von einem mysteriösen Jungen zu erzählen, der meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Als würde sie selber nicht täglich einem halben Dutzend attraktiver junger Männer begegnen.

„Ich dachte ich hätte draussen Zoella gesehen. Als wir Essen waren, meine ich", lüge ich schliesslich leise. Da Skye weiss, wie gerne ich die Beiträge der Bloggerin lese, wird sie mir dies hoffentlich abkaufen.

„Was? Und wieso bist du nicht zu ihr gegangen?"

„Nein... Es war sie ja nicht", erkläre ich etwas hilflos. „Als sie sich umgedreht hat, habe ich das dann erst gesehen."

„Hmm", macht meine beste Freundin enttäuscht. „Das wäre ja zu schön gewesen. Da hätte selbst ich noch ein Foto machen wollen."

Im Gegensatz zu mir suchtet Skye lieber Zoellas Youtube-Videos. Nennt es altmodisch, aber ich finde schriftliche Beiträge viel echter, und fesselnder.

Gerade als meine Freundin ihren Schlüssel in das Schlüsselloch steckt, dreht sie ihren Kopf doch noch einmal zu mir.

„Und wieso hat das jetzt so lange gedauert? So geheimnisvoll ist das doch gar nicht", stellt sie mit gerunzelter Stirn fest.

„Na ja", stammle ich. Immer wie schwerer fallen mir die Ausreden. „Ich wollte nicht als Super-Fan Schrägstrich Stalker wirken. Du weißt schon."

Nickend, doch mit einem schelmischen Glanz in den Augen, den ich sogar im Licht der Strassenlaternen scheinen sehen kann, tritt Skye auf mich zu. Schnell schliesst sie mich in eine warme Umarmung und ich lege meine frierenden Hände auf ihren Rücken.

„Danke fürs Nach-Hause-bringen", lächelt meine beste Freundin mich an.

„Wie immer sehr gerne."

Ich winke ihr stumm bevor ich mich umdrehe. Doch nach nur wenigen Schritten höre ich Skye noch einmal nach mir rufen. Als ich mich umdrehe, steht sie bereits in der offenen Tür.

„Sin", ruft sie und ein vielsagendes Grinsen übernimmt ihr Gesicht. „Du bleibst mir eine Erklärung schuldig."

Dann tritt sie in die Wärme und verschwindet im Inneren des Hauses.

Ich muss unwillkürlich lächeln. Skye ist eben nicht nur die neugierige Schönheit, die kein Stopp kennt. Nein, sie ist so viel mehr. Auch wenn ich sie noch gar nicht so lange kenne, fühlt es sich an, als wären wir zusammen aufgewachsen. Sie könnte mich wohl selbst durchschauen, wenn ich aus Stein gemeisselt wäre. Und obwohl sie genau weiss, wann ich ihr etwas vormache, hackt sie nicht weiter nach. Weil sie ebenso gut weiss, dass ich noch nicht bereit bin, darüber zu reden.

Lila LichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt