„Und wieso noch mal geht ihr bei der Kälte überhaupt raus?"
Während Riina auf meinem Handydisplay verständnislos den Kopf schüttelt binde ich meinen langen Zopf mit einem Haargummi fest.
„Seine Idee, nicht meine", rechtfertige ich mich. „Er will ausnutzen, dass ich ein Auto habe, und klettern gehen."
„Er will was?", lacht Riina laut raus. „Ich glaube, du datest einen Masochisten, Sinny."
Ich stimme in ihr Lachen ein. Dass Alan bei Minustemperaturen unbedingt raus in die Felsen will, verstehe ich auch nicht. Allerdings ist mir das lieber, als langweilig in einem Café zu hocken.
„Aber was sag ich schon", fährt meine beste Freundin fort. „Wenigstens hast du überhaupt einmal ein Date."
„Ach halt die Klappe", grinse ich und gehe mitsamt Handy aus meinem Zimmer. „Ich muss jetzt sowieso los, sonst komm ich wieder mal zu spät."
„Besser, er erfährt es früher als später!"
„Erfährt was?"
„Na, dass du immer zu spät bist."
Ich verdrehe amüsiert die Augen.
„Tschüss Riina und nein, ich werde dir nicht alle drei Minuten ein Update schreiben. Hast du nicht verdient."
Bevor sie etwas antworten kann lege ich grinsend auf. Da meine Eltern am Samstagmorgen meistens einkaufen gehen, habe ich das Haus für mich. Schnell schlüpfe ich in meinen dicksten Parka und setze eine Mütze auf. Dann binde ich meine Stiefel fest und nehme Decke und Thermoskanne von der Kommode.
Nur Minuten später sitze ich in meinem eiskalten schwarzen Jeep, der endlich einmal das Land sehen wird – wofür er eigentlich gebaut worden ist. Mit laut dröhnender Musik fahre ich durch die Strassen und folge dem Navi zu Alans Adresse. Je näher ich komme, desto aufgeregter klopft mein Herz.
Vielleicht war es doch nicht die beste Idee, das Auto zu nehmen. Ich fahre echt gut – aber nicht wenn ich aufgeregt bin.
Obwohl ich etwas zu früh bei Alan ankomme, steht er schon vor der Tür. Ich klammere mich augenblicklich etwas fester an das Lenkrad. Dann setze ich den Blinker und rolle langsam auf den Bürgersteig.
Nachdem er seine Ausrüstung im Kofferraum verstaut hat, taucht Alans Gesicht vor der Beifahrertür auf.
„Hi du", begrüsst er mich und klettert auf den Sitz. Sein schwarzer Pullover betont das Blau seiner Augen unnatürlich stark, sodass ich nervös meine Lippen zusammenpresse.
„Hi", stammle ich nervös. Weil ich keine Anstalten mache lehnt sich Alan zu mir rüber und gibt mir schnell ein Küsschen auf die Wange. Die Geste ist so unglaublich süss, dass ich ihn danach nur breit angrinse.
„Was?", hebt er wie so oft eine Augenbraue. Ich schüttle den Kopf, gucke in den Seitenspiegel und setze erneut einen Blinker. Dann lenke ich meinen Jeep zurück auf die Strasse.
„Kennst du den Weg auswendig?", frage ich etwas unbeholfen. „Sonst kannst du den Ort im Navi eingeben."
„Kenn' ich auswendig. Bei der nächsten Kreuzung musst du rechts abbiegen", antwortet Alan ohne seinen Blick von mir zu lösen.
„Woher weißt du, welches die nächste Kreuzung ist, wenn du gar nicht auf die Strasse schaust?", lache ich und werfe ihm einen amüsierten Seitenblick zu.
„Ich geniesse meine Aussicht eigentlich gerade, vielen Dank. Vertrau mir, ich kenne den Weg blind."
„Na gut", zucke ich mit den Schultern. Aus den Lautsprechern ertönt gerade Michael Jacksons „Smooth Criminal" und ich versuche meine Nervosität mit Mitsummen zu vertuschen. Ein leises Glucksen von nebenan verrät mir, dass es mir nicht ganz gelingt.

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Lila Lichter
Dragoste"Ich hadere mit mir. Tue es unbewusst wahrscheinlich schon länger. Es hat sich langsam und quälerisch in mein Bewusstsein geschlichen, ohne Vorwarnung, rücksichtslos. Und nun beherrscht es mein Wesen, all meine Gedanken. Ich hätte es kommen sehen so...