Siebtes Kapitel

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Als ich die Worte ausgesprochen habe merke ich erst, wie direkt und unverblümt die Einladung ist. Wenn das überhaupt möglich ist, macht mein Herz noch einmal einen höheren Sprung. Dennoch möchte ich nichts mehr, als dass er mitkommt.

Im Leben gibt es nichts Spannenderes, als sich mit interessanten Menschen zu umgeben. Und das ist er eindeutig. Sehr interessant sogar. Denn auch wenn ich ihn kaum kenne bin ich mir sicher, dass er nicht immer ganz konform mit der Gesellschaft und ihren Werten ist. Seine unglaubliche Selbstsicherheit und sein rebellisches Auftreten sind da wohl nur der Anfang dazu.

„Du würdest mich einfach so mitnehmen?", fragt er ungläubig zurück und hebt erneut seine Augenbrauen. Doch wieder ist die Frage mit einem schelmischen Grinsen verbunden. Ich grinse unwillkürlich zurück.

„Wieso denn nicht? Könnte doch ganz lustig werden. Ausserdem sollte niemand Heiligabend alleine verbringen."

Mom wäre stolz auf mich.

„Du kennst mich doch gar nicht", antwortet der Fremde erstaunt, „ich könnte sonst wer sein."

„Dieses Risiko werde ich wohl eingehen müssen."

„Mutig, mutig", nickt er nur.

„Sag ruhig, wenn du keine Lust hast. Ist auch völlig in Ordnung", füge ich schnell hinzu. Eigentlich ist es nicht in Ordnung. Schliesslich schwitze ich gerade an meinen Händen, obwohl es bestimmt fünf Grad unter Null ist.

„Nein", antwortet er schliesslich und fährt sich mit einer bleichen Hand durch die Haare, „nein, klar komme ich mit."

„Wirklich?", presse ich überrascht heraus.

„Aber haben deine Freunde nichts dagegen?"

„Ach was", sage ich schnell, „die bringen bestimmt auch Leute mit."

Dessen bin ich mir allerdings gar nicht so sicher. Ohne es dem Schönling zu gestehen, tippe ich schnell eine Privatnachricht an Miles:

darf man wen mitbringen? J

Schnell schliesse ich den Bildschirm wieder. Unser fahrbarer Untersatz sollte nun jeden Moment kommen. Während ich die Tüten aus dem Bushäuschen hole, staune ich über die Entwicklung des Abends. Wer hätte gedacht, dass ich ausgerechnet heute so unerwartet auf meinen schönen Fremden stosse? Und dass ich ihn danach noch mit auf Miles' Party nehme. Als wäre es nicht schon genug, dass ich überhaupt endlich einmal mit ihm geredet habe.

Ob er mein Starren die letzten Tage über bemerkt hat? Könnte es ein glücklicher Zufall sein, dass er mich heute gegrüsst hat? Ganz einfach, da ich das einzige Lebewesen weit und breit bin und er den ganzen Abend alleine verbringen muss? Und was für ein Zufall ist das überhaupt, dass wir über eine Woche lang immer zur genau gleichen Zeit auf den Bus gehen müssen? Und heute erst.

„Ich bin übrigens Alan", erklärt er mir sobald ich wieder neben ihm stehe. Er reckt mir eine grosse Hand entgegen, die ich sofort entgegennehme. Seine Haut ist genau so kalt wie meine eigene, was mein Frösteln nicht gerade besser macht. Doch der feurige Blick aus seinen klaren Augen lässt mich die Kälte für einen kurzen Moment völlig vergessen.

„Sin", antworte ich und schüttle seine Hand.

„Sin?", fragt Alan mit erhobenen Augenbrauen, „das ist dein richtiger Name?"

„Ja, so gut wie", erkläre ich schnell.

„Okay", nickt er, „spannender Name."

Daraufhin suche ich verlegen den Bus, der eigentlich langsam die Strasse heraufgefahren kommen sollte. Als ich ihn nicht erblicke, streift mein Blick ungewollt Alans Gesicht. Seine klaren Augen mustern mich intensiv.

Lila LichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt