„Sinia!", reisst mich die Stimme meiner Mutter aus meinem wohligen Schlaf. Augenblicklich reisse ich die Augen auf, nur um sie gleich wieder zuzudrücken. Die Sonnenstrahlen, die ihren Weg durch mein Fenster finden, erhellen mein Zimmer unerträglich stark.
„Mom", raune ich genervt und ziehe mir die Decke über den Kopf. Zwar ist es darunter etwas stickig, doch immerhin schön dunkel. „Lass mich schlafen."
„Sinia, steh auf", beharrt meine Mutter. Ich kann hören, wie sie sich daranmacht, auch die Vorhänge des zweiten Fensters zu öffnen. Mit schläfrigem Kopf verwünsche ich sie dafür. „Es ist schon spät, du hast bereits den halben Tag verschlafen."
„Es sind Ferien."
„Genau, und die solltest du ausnutzen."
Ich stöhne genervt. Gestern habe ich kaum einschlafen können und dem entsprechend fühle ich mich jetzt wie gerädert. Dylan hat mitten in der Nacht den Chat zu einer Party eröffnet, der mich endlos lange wachgehalten hat. Nicht nur der Vorfreude wegen, sondern auch weil ich natürlich sogleich die Liste aller eingeladenen Freunde durchgehen musste. Und dabei bin ich viel zu lange auf Instagram und Facebook hängen geblieben.
„Wie spät ist es?", frage ich mit verschlafener Stimme und bleibe noch immer unter der Bettdecke versteckt.
„Halb Elf."
„Ah", stosse ich genervt aus, „das ist doch nicht mitten im Tag!"
„Jetzt sei nicht so faul und steh auf, Sinia. Du kannst doch nicht deine gesamten freien Tage im Bett verbringen."
„Das tue ich doch gar nicht."
„Unten wartet Frühstück auf dich", höre ich meine Mutter noch sagen, bevor sie offensichtlich aus meinem Zimmer tritt und die Türe schliesst.
Unglaublich. Nun ist sie weg und mein Zimmer hat sie grell erhellt zurückgelassen – und der einzige Weg zur Dunkelheit ist das Verlassen meiner stickigen Höhle.
„Hmpf", mache ich und drehe mich noch einmal. Doch schon bald wird mir die Luft zu schlecht und ich krieche mit geschlossenen Augen unter der Bettdecke hervor. Ganz langsam öffne ich sie schliesslich, da mir sowieso nichts anderes übrigbleibt. Noch immer ist mir der Raum viel zu hell. Die weissen Möbel reflektieren das Licht, was mein Zimmer eigentlich toll inszeniert. Allerdings kann ich die seltenen Sonnenstrahlen nicht geniessen, rege ich mich doch zu sehr über meine Mutter auf. Grimmig bleibe ich noch einen Moment liegen und finde mich irgendwann mit der Tatsache ab, dass der Tag begonnen hat.
Weil ich mich aber immer noch nicht dazu überwinden kann, unter der warmen Decke hervor zu kommen, drehe ich mich halb aus meinem breiten Bett und greife nach meinem Handy auf dem Boden. Dann packe ich noch das relativ neue Notizbuch, dessen verschnörkelter Einband mir im Laden so sehr gefallen hat. Darin steckt bereits ein Stift, den ich nach dem letzten Eintrag dort gelassen habe. Ich setze mich auf, sodass die Decke von meinen Schultern rutscht und mir augenblicklich fröstelt. Seufzend greife ich nach einer flauschigen Decke am Fuss meines Bettes und wickle sie um meinen Rücken.
Obwohl ich noch immer verschlafen bin und mir wünsche, dass meine Mutter mich nicht geweckt hätte, fasse ich erneut das Büchlein.
Die letzten Tage sind so schnell vergangen, und obwohl ich einerseits gar nicht viel unternommen habe, kommt es mir dennoch vor, als hätte ich etliche neue Erfahrungen gemacht. So dass ich sie auf irgendeine Weise in Worte fassen und verewigen muss.
Wie fange ich am besten an? Wie genau soll ich die letzten Tage irgendwie zu einem kleinen Kunstwerk zusammenfügen? Und wieso habe ich mir nichts zu trinken geholt? Na toll, unten wartet mein Kaffee und oben hält mich meine Kuscheldecke gefangen.
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Lila Lichter
Romance"Ich hadere mit mir. Tue es unbewusst wahrscheinlich schon länger. Es hat sich langsam und quälerisch in mein Bewusstsein geschlichen, ohne Vorwarnung, rücksichtslos. Und nun beherrscht es mein Wesen, all meine Gedanken. Ich hätte es kommen sehen so...