Stimmen drängen sich in mein Bewusstsein und wecken mich langsam aber sicher aus einem tiefen Schlaf und schrägen Traum. Darin haben sich Lichter verworren und zu neonfarbigen Mandalas zusammengetan. Im Hintergrund ertönt immer noch leise Musik, welche ich wohl bis in meinen Traum gehört habe.
Das Gemurmel wird immer lauter, als mehr und mehr Stimmen dazukommen. Ich habe noch den Geschmack von Schlaf im Mund und mein Gehirn ist noch nicht bereit, aufzuwachen. Also drehe ich mich weg von dem Geplapper auf die Seite.
Nichtsdestotrotz verstummen meine Freunde nicht.
„Dylan", murmle ich leise, „sei still."
Eine gefühlte Sekunde später werden meine Haare auf die Seite gestrichen und eine warme Hand tätschelt sanft meine Stirn.
„Morgen, Sin."
Fünf Minuten und etliches Abwägen später schäle ich mich langsam aus dem Schlafsack, der mir Miles zur Verfügung gestellt hat. Sein riesiger, weinroter Pulli wärmt mich nicht annähernd genug, so dass ich die Ärmel über meine Hände ziehe. Schliesslich reibe ich mit dem Stoff über mein Gesicht und verstaue die wirren Haare hinter die Ohren.Ein Blick über das Gelage im Wintergarten offenbart, dass sämtliche Gäste, die hier übernachtet haben, auch noch friedlich schlafen. Lediglich Miles und Dylan treten in den Flur um ihren Weg zu Kaffee zu finden. Bevor ich ihnen folge, lasse ich die vorige Nacht noch einmal vor meinem inneren Auge durchspielen. Dabei brummt mein Kopf so sehr, dass mir schlecht wird.
Nachdem Skye und Alan zurückgekehrt sind, habe ich mich nur noch wenig mit den beiden unterhalten. Sie und Alan haben den Rest des abends vor allem auf dem Sofa verbracht, wo ich möglichst wenig hingeschaut habe. Stattdessen kehren Erinnerungen an wilde Dance-Battles mit Dylan und einem anderen Mädchen zurück. Habe ich gewonnen? Keine Ahnung mehr. Irgendwann, als die meisten Leute sowieso nur noch rumhockten, haben wir dann etliche Decken, Schlafsäcke und Pullis geholt und ein Schlaflager aufgebaut.
Mit müden Augen und frierenden Händen fische ich nach meinem Handy.
Mommy: Wann bist du zu Hause?
Mommy: Sin?
Mommy: Sin schläfst du bei Miles? Melde dich, Daddy und ich machen uns Sorgen.
Na toll. Ich habe vergessen, meine Eltern über mein Wegbleiben zu informieren. Schnell tippe ich eine Entschuldigung und verspreche, bald nach Hause zu kommen. Dann stecke ich mein Handy weg. Die Müdigkeit in meinem Kopf bleibt so hartnäckig, dass das leise Dröhnen darin für den Moment noch in Grenzen gehalten wird. Allerdings spüre ich den Anflug von Kopfschmerzen. Ich brauche Flüssigkeit.
Möglichst leise tapse ich zur Tür und öffne sie lautlos. Frische Luft schlägt mir entgegen und lässt einen Schauer über meinen Rücken gleiten. Kalt.
Bevor ich mich zu meinen Freunden geselle, verschwinde ich kurz im Bad. Dort stelle ich im gleichen Spiegel wie am Vorabend fest, dass nun auch noch der Rest meiner Schminke irgendwo in meinem Gesicht klebt. Fröstelnd spritze ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und benütze eines der ohnehin ziemlich dreckigen Handtücher, um mir die schwarze Farbe unter den Augen wegzuwischen. Miles wird ganz schön was aufzuräumen haben. Die Party von gestern hat eindeutig ihre Spuren hinterlassen. Wenige Minuten später ziert ein halbwegs ordentlicher Knoten meinen Kopf, wobei einige Haarsträhnen sich bereits wieder gelöst haben.
Mit kalten Füssen schlurfe ich endlich in die grosszügige, helle Küche. Diese ist bereits wieder blitzblank aufgeräumt. Keine Spuren zeugen mehr vom wilden Essgelage, welches Brian und Jack gestern abgehalten haben. Am grossen, hölzernen Esstisch sitzt Miles auf Dylans Schoss.
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Lila Lichter
Romance"Ich hadere mit mir. Tue es unbewusst wahrscheinlich schon länger. Es hat sich langsam und quälerisch in mein Bewusstsein geschlichen, ohne Vorwarnung, rücksichtslos. Und nun beherrscht es mein Wesen, all meine Gedanken. Ich hätte es kommen sehen so...