Achtundzwanzigstes Kapitel

17 2 0
                                    

Auch Tage später habe ich keine Antwort darauf. Etliche Einträge in mein Notizbuch, Gedankengänge, die ich sieben, acht, unzählige Male durchgegangen bin, nichts gibt mir Antwort auf meine Frage. Wieso heisse ich das Feuer, das mich verbrennen wird, willkommen?

Die Wochen vergehen, Wochen mit Alan, dann wieder Tage ohne ihn. Ich lerne ihn kennen, durch seine tausenden Nachrichten, durch den sanften Weckruf, mit dem er mich morgens weckt, durch die doofen Memes, die er mir in seinen langweiligen Vorlesungen schickt. Ich lerne ihn zu verstehen, durch das gemeinsame Kuchenbacken in seiner kleinen Küche, durch die Spaziergänge, wenn er mich vom Tanzen abholt und zur Bushaltestelle begleitet, jedes einzelne Mal. Durch die Gespräche, die wir eng aneinander gekuschelt führen, und die Fragen, die er noch immer oft umgeht. Ich lerne ihn zu akzeptieren, alles an ihm; sein stimmungsabhängiges Auftauchen an der Uni, seine spontanen Reischen ins Ausland mitten im Semester, seine überschwängliche Freude an unseren Treffen, seine leichte Eifersucht auf meine männlichen Freunde.

Und ich lasse ihn langsam, ganz langsam, an mein Herz heran. Er muss sich hineinschleichen, durch die Venen, vermischt mit meinen Blutkörperchen.

Ich öffne mich ihm. Und es tut so, so gut.

Er hört mir zu, lächelt, wenn ich von meinen Tanzkursen schwärme, abendelang. Er kitzelt mich, wenn ich auf seinem Boden Dehnübungen mache. Im nächsten Moment drückt er mich sachte tiefer in meine Dehnung, seine warmen Hände auf meinen angespannten Muskeln.

„So?", fragt er vorsichtig.

„Mhm", presse ich hervor. „Noch bisschen fester."

„Du bist verrückt."

Ich atme den Schmerz weg und grinse. Er lacht mich nie aus, wird nie ungeduldig mit meiner ewigen Leier übers Tanzen und meine fehlende Beweglichkeit. Er nimmt meine Probleme ernst, obwohl ich selbst weiss, dass sie lächerlich sind.

Alan lernt meinen Schwedischen Teil kennen, fordert mich dazu auf, gerade gesagte Sätze in meiner Muttersprache zu wiederholen. Ich lache, wenn er sie nachsagen will und dabei Buchstaben vertauscht.

Er will alles darüber wissen, wie es ist, in ein fremdes Land zu ziehen. Will wissen, wie Riina so ist, ob er sie irgendwann kennenlernen darf. Und schliesslich, nach fast sechs Wochen langem herantasten, rückt er mit seiner eigenen Familiengeschichte heraus.

Seine Freunde sind schon vorgefahren. Vier von ihnen soll ich gleich beim Klettern treffen. Nachdem ich Alan gestanden habe, dass ich zu aufgeregt sein werde, um sie heil in die Natur zu fahren, hat er grinsend mit ihnen vereinbart, dass wir sie am gewohnten Kletterspot treffen. Obwohl ich mich noch immer ab meiner Feigheit nerve, war es die richtige Entscheidung.

Es sind noch wenige Kilometer zum Kiesparkplatz und der hohen, beängstigenden Felswand. Obwohl Alan selbst auch Auto fahren kann, hat er mir mein Auto auch dieses Mal wieder überlassen. Ich habe darauf bestanden, selbst zu fahren.

Alans schlanke Hand langt zärtlich in meinen Nacken, ganz zärtlich küsst er meine Schulter. Ich lache und wische ihn mit einer Hand weg.

„Wenn dich Daddy so sähe, würdest du was erleben", grinse ich ohne den Blick von der Strasse zu nehmen. Endlich ist es warm genug, dass ich auch ohne Jacke im Jeep sitzen kann.

„Wieso, weil ich dich küsse?"

„Nein, weil du mich vom Fahren ablenkst."

„Oh", lacht er und fällt dann wild über mich her. Keine Stelle an meinem Hals bleibt unberührt und mir entfahren tausende glückliche Gluckser. Trotzdem konzentriere ich mich weiterhin auf die Strasse.

„Hat dich dein Vater nicht gelernt, dass Fahren kein Spass ist?", frage ich schliesslich glucksend. Alan lässt zögerlich von mir ab, verzieht sich dann aber doch auf seine Seite des Wagens.

Lila LichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt