8. Kapitel

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Freitag. Nachdem ich gefühlte hundertfünfzig mal meine Meinung geändert hatte, ob ich zu Simons Party gehen sollte oder nicht, war ich nun festentschlossen. Hinzugehen.

Mir konnte dort schließlich nichts passieren. Jede Menge Leute, die ich teilweise schon über Antoine, kannte und Nicolas und Carla kamen auch mit. Ich machte mir zudem auch keine großen Hoffnungen darauf, dass Simon nur mich sehen wollte. Er wollte eine Party, weil er hier kaum Einen kannte, um neue Freunde zu finden.

Ich stand in Unterwäsche nun also vor meinem Kleiderschrank und hatte mal wieder nichts zum Anziehen, als mein Handy klingelte.
"Ja?", nahm ich ab.
"Blaues Kleid, das, was du auch bei Carla's Geburtstag letztens an hattest," ertönte die Antwort.
"Sicher?", fragte ich unsicher.
"Definitiv. Und jetzt Hackengas, ich bin gleich da."
Nikolas legte auf. In Windeseile zog ich das blaue Kleid mit dem ausgestellten Rock an. Am Kragen waren Teile aus Spitze angebracht. Sexy, aber nicht zu aufdringlich. Genau passend.
Das Problem, welches mir erst in den Sinn kam, als es leider schon zu spät war, war, dass das Kleid hinten zu ging und ich zu ungelenkig war, den Reißverschluss zu schließen. Mit sehr außergewöhnlichen Verrenkungen stand ich nun im Zimmer. Es klopfte ungeduldig an der Tür.
"Wer ist da?", fragte ich und wartete auf die Antwort.
"Elena, schwing deinen hübschen Po nach draußen."
"Dann komm rein und hilf mir!" Flehend stand ich da, als Carla lachend ins Zimmer kam und noch lauter pustete, als sie mich sah.
"Wenn ich nicht hochgekommen wäre, wärst du wahrscheinlich niemals fertig geworden. Nicolas wartet schon ganz ungeduldig unten. Er tippelt schon mit seinen Händen auf dem Lenkrad." Sie schloss den Reißverschluss. "Du weißt, wie nervig das sein kann."
"Danke fürs Helfen." Ich grinste sie nickend an und wir gingen nach unten zum Auto.

Eine halbe Stunde später, betrachteten Nico, Carla und ich die neumodische Villa, die komplett in weiß erstrahlte. Ein riesiges Gelände erstreckte sich um das Haus herum. Davor standen mehrere Sportwagen und es ertönte laute Musik, die man garantiert noch mehrere Häuser weiter hörte.

Als wir die Villa betraten, kamen uns mehrere Highheelstragende junge Mädchen entgegen, die schon jede Menge Alkohol intus hatten. Sie kicherten und schwankten an uns vorbei. Nicolas begrüßte sofort einige Bekannte und Carla stöckelte in die Richtung der Bar. Diese lag direkt rechts von uns in dem übergroßen Wohnzimmer, welches nun zur Lounge und Tanzfläche umfunktioniert wurde. Alles war in weiß oder in hellen Grautönen gehalten. Tanzende Menschen erfüllten den Raum. Rauch und Wodkaenergiegeruch stiegen mir in die Nase. Unsicher trat ich von einem Fuß auf den Anderen. Plötzlich spürte ich einen Blick auf mir. Er zog mich regelrecht an. Ich sah sofort in die Richtung, konnte jedoch nicht erkennen wer mich anschaute, da so viele Leute vor mir tanzten. Doch dann funkelten mich zwei hellblaue Augen unter einem Hut hervor. Wer zum Teufel hat in diesem stickigen Haus einen Hut auf?
Blonde Haare lugten unter ihm hervor und sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Dann wanderte mein Blick auf die Frau in seinem rechten Arm und schließlich auf die andere Frau auf seiner linken Seite. Beide schmiegten sich an ihn. Noch immer leuchteten seine Augen, doch dann wandte er seinen Blick ab und widmete sich seinen Schoßhäschen.
Simon.
Langsam löste ich die Augen von ihm und drehte mich zur Bar, von der Carla schon mit zwei gefüllten Gläsern auf mich zu kam. Ich hatte einen Kloß im Hals.
"Hey Süße, ich weiß zwar nicht, was das für ein Drink ist, aber der ist mega gut. Auch wenn die rosa Farbe abschreckend ist. Hier probier mal! Außerdem ist der Barmann ziemlich heiß! Schau!" Sie zeigte mit ihrem Cocktailglas in die Richtung eines braungebrannten Latinos, der ein Muskelshirt trug und seinen definierten Körper nun wirklich nicht verbarg. Carla, so muss ich dazu sagen, stand auf jede Art von Barkeeper, sogar Eddie fand sie scharf. Zu dieser Gruppe gehörten zusätzlich: Feuerwehrmänner , Ärzte, Männer die gut tanzen konnten, Polizisten, Fußballer, Anwälte und Piloten. Bestimmt hatte ich jetzt viele Personengruppen vergessen, schließlich kamen immer Neue dazu.
"Und? Ich habe doch recht, oder?"
Sie konnte kaum den Blick abwenden.
"Dann hol dir seine Nummer!", merkte ich an.
"Du kennst mich doch, die habe ich schon!" Sie zwinkerte mir zu, zeigte einen Bierdeckel, auf dem eine Nummer stand und wir fingen laut anzulachen.
Wir stießen mit unserem echt seltsam aussehenden rosa Drink an, als plötzlich jemand hinter mir stand und uns begrüßte. Meine beste Freundin verschluckte sich beinahe und riss die Augen auf, als hätte sie ein schon längst ausgestorbenes Mammut gesehen.
"Hey Ladies! Wie ich sehe, trinkt ihr schon einen meiner selbstkreierten Getränke."
Ich erkannte Simons Stimme und drehte mich in gefühlter Zeitlupe um. Er hatte dieses 'Surferlächeln' drauf: weiße Zähne, kleine Grübchen.
"Schmeckt hervorragend. Hi, ich bin Carla. Elenas beste Freundin. Ich hoffe es ist okay, dass sie mich mitgebracht hat." Carla gab ihm die Hand und er nahm sie gentlemanlike an.
"Natürlich. So hübsche Frauen dürfen jederzeit in mein Heim." Er sah mich dabei an, als würde er mich durchleuchten. "Schön, dass du gekommen bist."
"Danke für die Einladung," antwortete ich schüchtern, wollte aber eigentlich gleichgültig klingen.
Seine Augen waren echt wunderschön.
"Es tut mir leid, dass ich bei dem Essen einfach gegangen bin."
Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte, zuckte nur mit den Schultern und trank einen Schluck von dem Cocktail.
"Wollen wir beide mal kurz rausgehen und frische Luft schnappen?" Er fragte das nur an mich gerichtet.
Ich war etwas überrumpelt und sah zu Carla, die mit einem riesigen Grinsen im Gesicht nickte. Ich wusste jetz schon, dass ich nachher alle Einzelheiten erzählen musste.
Simon schob mich also, mit einer Hand an meinem Rücken, durch die offene Terrassentür nach draußen.
Der Garten war der Wahnsinn. Überall waren alte Apfel-, Zitronen- oder Orangenbäume, die mit weißen Lampions behangen wurden. Auch hier waren jede menge Leute, doch war es hier etwas ruhiger. Links vom Haus lag ein Pool im Boden und der Garten schien endlos zu sein.
"Elena, ich habe mich entschuldigt und dich eingeladen und... ich weiß auch nicht... Ich dachte, du würdest jetzt vielleicht ein bisschen mehr mit mir ... reden."
Ich starrte ihn nur an und zog eine Augenbraue nach oben.
"Oh okay..." Simon wollte sich gerade umdrehen, als ich an seine Hand fasste und leise sagte: "Warte. Ich... es tut mir leid. Der Abend an dem wir uns kennengelernt haben...der..."
"...der war eine ziemliche Katastrophe," beendete er den Satz, musste aber dabei Grinsen.
"Ja, ich kam mir wirklich etwas gedemütigt vor." Ich sah auf den Boden und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich schluckte.
"Ich bin so dumm gewesen. Es tut mir leid, wirklich. Ich hatte da nicht meinen besten Tag. Ich würde dich gerne zu einem Essen einladen. Als Entschuldigung." Er legte seine Finger unter mein Kinn und hob es hoch.
"Was meinst du? Gibst du mir diese zweite Chance? Wir könnten nochmal ganz Neu anfangen." Diese Augen... Es kribbelte an meinem ganzen Körper. Es entstand eine Pause, in der ich überlegte, was ich nun tat. Der Abend und wie er sich dort verhielt, war wirklich katastrophal, da er uns einfach sitzen ließ. Das Ganze in einer Art und Weise, die nicht zu akzeptieren war. Also sollte ich ihm verzeihen?
"Hi, ich bin Elena." Ich gab ihm selbstsicher meine Hand und lächelte ihn an. Ein riesiges Fragezeichen erschien auf seiner Stirn, bis er endlich verstand.
"Schön, dich kennenzulernen, Elena. Simon, mein Name." Er grinste mich über beide Ohren an, nahm meine Hand und streichelte mit seinem Daumen über meinen Handrücken.
"Geht mir genauso, Simon."
"Und würdest du mit mir Essen gehen?", fragte er mich.
"Du gehst ganz schön ran, dafür, dass wir uns gerade erst kennengelernt haben." Ich wusste, dass ich ihn damit provozierte. Erst sah ich sein schockiertes Gesicht, doch dann lächelte er. Gerade, als er was dazu sagen wollte, kam eine seiner beiden kaum bekleideten Freundinnen und jammerte: "Simon, wo bist du denn die ganze Zeit?"
Er brach den Blickkontakt ab, stöhnte und widmete sich ihr.
"Geh rein. Ich komme gleich," antwortete er bestimmerisch.
"Das will ich doch hoffen, dass du ... kommst. Und wie." Sie zwinkerte ihm zu und wackelte so extrem mit dem Hinterteil, dass ich beinahe dachte, sie würde nach rechts und links abknicken.
"Ja. Bis gleich!"
Angewidert sah ich Simon an. Er war anscheint jemand, der mit jedem weiblichen Wesen, welches nicht bei zwei auf den Bäumen ist, ins Bett ging. Ich hasste solche Kerle. Arrogant. Selbstverliebt.
"Ok, Ich werde jetzt nach Hause fahren," sagte ich knapp.
"Jetzt schon? Wir sind doch noch gar nicht fertig."
"Oh doch, ich denke schon."
Ohne zu ihm zu sehen, drehte ich mich um und ging schnellen Schrittes ins Haus, um Carla oder Nico zu suchen. Doch weit kam ich nicht, da meine rechte Hand festgehalten wurde.
"Warte, Elena! Was ist los?" Eine sorgenvolle Stimme stoppte mich. Ich drehte mich um und sah in die Augen von Antoine.
"Ich will nach Hause," sagte ich mit zittriger Stimme und er nickte nur.
"Komm, ich fahre dich."

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