54. Kapitel

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Der Abend verlief sehr gut. Wir hatten viel Spaß und ich war schon bei meinem dritten Erdbeershake, als ich mich fast verschluckte.
Vor dem Café stand Antoine. Das allein, hätte mich schon durcheinander gebracht, aber er stand dort mit Adriana. Sie umarmten sich und dann ging er nach links über die Straße und sie nach rechts. Was war das denn? Ich dachte, er hätte mit ihr Schluss gemacht!
"Elena, alles klar?"
"Ähm.. Ja." Ich versuchte zu lächeln und trank einen weiteren Schluck von meinem Shake.
Er sah mich besorgt und skeptisch an. Doch ich versuchte das Thema zu wechseln, um auch meine Gedanken davon wegzubekommen.
"Wieso bist du nie weg aus Valencia?"
"Ich habe hier alles, was ich brauche: Familie, Freunde, Job. Wieso bist du nie weg?"
"Genauso. Ich hatte nie einen Grund woanders hinzugehen. Obwohl ich die Leute, die es getan haben, echt bewundere. Aber dann denke ich, dass ich, genauso wie du, alles hier habe, was ich zum glücklich sein brauche."
Er sah mich liebevoll an und redete eine Weile von seiner Familie. Meine Gedanken drifteten kurz zu Antoine ab, aber ich versuchte mich auf Fernando zu konzentrieren.
Er sah gut aus in seiner Jeans und seinem weißen Shirt.
"Elena, alles klar?" Fernando schaute mich verwirrt an. "Träumst du?"
"Entschuldigung. Ab und zu bleibe ich in meinen Gedanken hängen. Ich habe lange nicht mehr gezeichnet."
"Gezeichnet? Was zeichnest du?"
"Eigentlich alles. Landschaften und so," murmelte ich.
"Mein großer Bruder betreibt eine Galerie. Er könnte sich deine Zeichnungen mal ansehen, wenn du möchtest."
Meine Augen weiteten sich und mein Mund öffnete sich zu einem: "Oh wow, das ist super nett von dir, aber ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin."
"Wenn du es nicht versuchst, dann wirst du es nie wissen."

Er brachte mich nach Hause und versprach mich am nächsten Tag anzurufen.
Mein Vater versuchte mich auszuquetschen, doch ich hielt mich bedeckt. Ich sagte nur, dass es mir gefallen hatte.
Die nächsten Tage telefonierten Fernando und ich öfters und er lud mich zu einem Punktspiel seiner Jungs ein, was mir sehr schmeichelte.
Ich hatte Carla davon erzählt und sie freute sich für mich, dass ich auf andere Gedanken kam. Ich hatte ihr verheimlicht, dass ich Antoine und Adriana gesehen hatte, weil sie das nur aufregte und sie hatte mit ihrer Hochzeit genug Stress.
Seit vier Stunden arbeitete ich nun schon und im Restaurant war es voll. Schließlich lief Fußball. Valencia CF spielte heute in Sevilla und mein Vater war aufgeregt. Es liefen gerade die ersten Minuten und er regte sich schon über die vielen Fehlpässe und die schlechte Zweikampfstärke auf, die unser Team an den Tag legte.
"Papa, reg' dich nicht so auf! Die werden das schon schaffen!" Ich stellte ihm ein Bier vor ihn auf den Tisch.
"Deine Tochter hat Recht! Jetzt warte doch erstmal ab!" Antonio, unser Koch saß neben ihm und nahm einen Schluck.
"Siehst du, hör auf mich!" Ich lächelte und ging zurück zum Tresen, an dem Paula gerade das Bier nach zapfte.
"Ich habe ein echtes schlechtes Gefühl heute," murmelte ich.
"Sag das nicht zu laut. Der Fußball bringt sie noch um. Dass die sich auch immer so aufregen müssen. Es ist doch nur ein Spiel," sagte Paula etwas laut, denn mein Vater rief zurück.
"Paula, das ist nicht nur ein Spiel!"
Wir lachten und ich bewirtete die anderen Gäste mit Bier.
Zwischendurch schaute ich auf die Leinwand. Ab und zu konnte ich Antoine erkennen, aber wirklich was zu Stande brachten sie nicht. Das konnte ich an dem Gemeckere hören.
Dann war erstmal Pause und alle atmeten durch.
"Die spielen so schlecht, wie nie! Elena, was ist mit deinem Freund Antoine los?", wurde ich von einem der Freunde meines Vaters gefragt.
"Weiß ich nicht, da musst du ihn das nächste Mal selber fragen," gab ich zurück und schmunzelte.
"Die müssen sich den Arsch aufreißen! Kann der Trainer sie nicht mehr richtig motivieren?" Mein Vater redete sich in Rage.
"Die spielen total verängstigt." Jetzt entfachte eine hitzige Diskussion, bis das Spiel zur zweiten Hälfte wieder angepfiffen wurde. Dann starrten sie wieder gebannt auf die Leinwand.

Dann passierte etwas, was mir nur erzählt wurde:
Ich war gerade dabei die leeren Gläser auf dem Tablett zurück zur Theke zu balancieren, ich stolperte und das Tablett flog hoch und die Gläser zersprangen auf dem Boden in kleine Splitter. Ich landete hart und auf meinem Arm, von dem ein stechender Schmerz ausging.
Genau in dem Augenblick, so wurde es mir erzählt, wurde ein Foul an Antoine begangen. Er krümmte sich auf dem Rasen und hielt sich seinen rechten Fuß. Man sah ihm an, dass er schmerzen hatte.
Das alles bekam ich nicht mit, da Paula sofort auf mich zu kam und mich aufrichtete. "Süße, hast du dir weh getan?", fragte sie besorgt und ich nickte und hielt meinen Arm fest umklammert. Inzwischen hatte sich eine Traube um mich gebildet. Mein Vater kniete neben mir.
"Papa, alles gut. Lasst mich erstmal aufstehen." Ich setzte mich auf einen Stuhl. Mein Arm schmerzte und ich wusste, dass er gebrochen war. Das war wie damals, als ich mit Logan die Kastanie hinterm Haus hochgeklettert und dann heruntergefallen war. Da hatte ich mir auch den Arm gebrochen.
"Schatz, ich fahre dich ins Krankenhaus."
"Ja, ich glaube, dass wäre das Beste. Tut mir Leid, Paula, jetzt musst du das auch noch aufwischen." Sie schüttelte den Kopf.
"Das ist doch nicht schlimm! Hauptsache dir gehts besser." Sie lächelte mich an und gab mir ein Küsschen auf die Wange.
Ich stand auf und mein Vater öffnete die Tür.
Auf einmal kam Antonio angerannt. "Ich helfe Paula. Ach ja, Antoine musste vom Platz. Sie gehen von einem Muskelfaserriss aus. Ich rufe dich an, wenn etwas passiert, okay?"
Mein Vater nickte.
"Antoine ist verletzt?", fragte ich aufgeregt.
"Ja, er wurde gefoult. Ist bestimmt nicht so schlimm. Erstmal fahren wir dich ins Krankenhaus."
Doch ich hatte ein schlechtes Gefühl.

Im Krankenhaus wurde mein Gefühl Gewissheit: Zum Einen war mein Arm wirklich gebrochen, doch es war zum Glück nur ein leichter Bruch. Zum Anderen bekam ich eine SMS von Carla, die mir schrieb, dass Logan zu Antoine ins Krankenhaus gefahren ist, da er sich beim Spiel verletzt hatte.
Ich hatte ihr geschrieben, dass ich selbst auch im Krankenhaus war und fragte, ob sie schon genaueres wegen Antoine wusste. Ich machte mir Sorgen.
Als ich zu Hause ankam, saß Carla am Tresen.
"Hey, wie geht es dir? Ich habe schon von Paula gehört, was passiert ist."
Sie berührte meinen eingegipsten Unterarm.
"Darf ich meinen Namen als Erste drauf schreiben?", lächelte sie und ich nickte lachend.
"Hast du was von Antoine gehört?"
"Logan sagt, es ist wohl ein Bänderriss. Das heißt sechs Wochen Pause. Antoine ist ziemlich fertig deswegen. Du kennst ihn." Sie meinte damit, dass er sehr anstrengend werden konnte, wenn er nicht spielen konnte. Er meinte, dass sie das anfühlt, wie ein kalter Entzug. Ich musste schmunzeln bei dem Gedanken. Wir gingen hoch in mein Zimmer.
"Tut dein Arm sehr weh?" Carla setzte sich auf mein Bett.
"Nein. Ich merke ihn nicht. Bin aber auch vollgepumpt mit Schmerzmitteln."
Es klopfte und ich bat den Jemanden herein. Die Tür ging auf.

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