1. Kapitel

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Es war unglaublich warm. Der Schweiß lief mir den Rücken runter und ich strich mir mit der Rückhand über die Stirn, um mir die Schweißperlen und Haare wegzuwischen, die dort klebten. Warum musste es auch nur an so einem heißen Tag so voll sein? Klappernd stellte ich die gerade abgeräumten Teller auf den Tresen.

"Antonio? Wo bleiben die Sandwiches für Tisch 7?"

Ich stützte mich kurz auf einem der fünf Barhocker ab, um Luft zu holen.

Antonio, ein Mitte Vierziger Mann mit Bierbauch und leicht gräulichen Haaren, lugte aus der Küche.

"Hier hast du deine Sandwiches!" Er lächelte mich an und schob die befüllten Teller auf den Tresen.

"Puh. Danke!" Ich schenkte ihm ein Lächeln zurück, nahm die drei Teller und jonglierte sie durch das Restaurant zu den wartenden Gäste.

Es war kaum ein Tisch frei an diesem Donnerstag Nachmittag. Das ging schon seit Stunden so. Eigentlich wollte ich heute Abend noch mit Freunden etwas Trinken gehen, aber so wie das aussah, konnte ich mir das Abschminken.

Gerade als ich bei zwei Tischen kassiert hatte, hörte ich, wie jemand meinen Namen rief.

"Elena! Hey Schatz! Ich bin wieder da. Du kannst also eine Pause machen." Ich drehte mich um und sah, wie mein Vater durch die Eingangstür kam. Seine dunklen Locken wirbelten in der Luft.

"Du siehst ziemlich fertig aus. War wohl voll, was?" Er lachte.

"Sehr witzig, Dad." Während ich meine Kellnerschürze ablegte, lächelte ich ihn an.

"Na komm, mach erstmal eine halbe Stunde Pause. Vielleicht hat es sich dann etwas beruhigt." Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange.

"Danke! Tisch 2 und 3 bekommen noch. Antonio hat die Bestellungen. Und Tisch 9 bekommt noch zwei Bier." Er legte die Schürze an und fing an zu servieren.

Mein Vater war zwar mein Vater, aber gleichzeitig auch mein Chef. Er war klein, hatte schwarze lockige Haare und das letzte Jahr seinen 50. Geburtstag gefeiert.

Neben dem Eingang der Küche und dem Tresen, ging eine Treppe nach oben, die mit einem Vorhang versteckt wurde. Sie war recht steil. Ich konnte mich noch erinnern, wie ich als Kind auf der obersten Stufe ausgerutscht und bis nach unten heruntergefallen war. Noch heute erinnerte eine Narbe am Knie an diesen Augenblick.

Mein Vater, mein Bruder und ich wohnten über dem Restaurant, das meinem Vater gehörte. Seit Generationen führte unsere Familie Molina den Laden. Eines der ältesten Restaurants in der Stadt.

Oben angekommen ging ich sofort ins Badezimmer, um mich abzukühlen. Ich spritzte mir Wasser ins Gesicht und zog mein helles T-Shirt aus. Ich blickte in den Spiegel. Ich sah ziemlich müde aus. Langsam zog ich mein Zopfgummi aus meinen langen blonden Haaren. Ich weiß, blond ist nicht wirklich spanisch, aber es war Natur. Meine verstorbene Mutter war Deutsche. Von ihr hatte ich so Einiges geerbt. Achso, ja, ich hatte mich noch gar nicht vorgestellt:

Elena Molina, mein Name. Ich war 20 Jahre alt und arbeitete, ihr vermutet es, im Restaurant. Ich hatte gerade erst meine Schulzeit hinter mich gebracht und arbeitete nun Vollzeit als Kellnerin.

Nicht wirklich ein Traumjob, aber mir machte es Spaß. Die meisten von unseren Stammgästen kannten mich schon seitdem ich ein Baby war und erzählten somit die ein oder andere Geschichte über meine Mutter, das interessierte mich. Sie war früh verstorben und ich konnte mich kaum noch an sie erinnern. Irgendwann werde ich das Restaurant übernehmen.

Ich sah in den Spiegel. Meine blauen Augen sahen wirklich sehr müde aus. Spontan entschied ich mich für eine kalte Dusche, daher zog ich meine blauen Shorts und meine Unterwäsche aus.

Das Wasser lief mir vom Kopf über die Schultern an meinem Körper herunter. Es tat unglaublich gut.

Plötzlich hörte ich ein Klopfen, sodass ich das Wasser abstellte und mir mein Handtuch schnappte. Ich wickelte es mir um meinen Körper und rief: "Einen Moment!" Eilig lief ich zur Tür, schloss auf und öffnete sie.

Vor ihr stand ein großer junger Mann mit dunkelblonden Haaren und einem verschmitzten Lächeln.

"Hallo Schwesterherz! Na, musstest du dich abkühlen?"

"Hey Nico, was machst du hier? Ich dachte, du bist noch in der Uni?"

"Kein Bock mehr." Er grinste mich an. "Da dachte ich mir, da komm ich mal nach Hause."

"Und das wolltest du mir sagen oder wieso störst du mich beim duschen?" Ich stubste ihn spielerisch an.

"Ey, ich dachte du freust dich mich zu sehn!" Er schob die Unterlippe hervor und machte ein Schmollgesicht.

"Ich kenne dich zu gut. Du willst irgendwas von mir." Ich drehte mich um und trocknete mit einem Handtuch meine Haare, während Nico mir ins Badezimmer folgte.

"Naja, 'wollen' nicht. Eher 'um etwas bitten'", sagte mein Bruder und lehnte sich am Waschbecken an.

Ich sah ihn skeptisch an.

"Dann schieß los." Ich konnte ihm ansehen, dass er nicht wusste, wie er anfangen sollte.

"Also ich habe heute ein Date," fing er an und sah dabei verlegen zum Boden.

"Mit wem?," ich riss die Augen auf und klatschte in die Hände. "Oh ist das schön! Kenne ich sie?"

"Nein, sie heißt Maria und ich habe sie auf dem Campus kennengelernt."

"Freut mich. Ich hoffe, es wird diesmal etwas Ernstes daraus." Dabei klopfte ich ihm auf die Schulter. Die letzten 'Beziehungen', die er hatte, wenn man diese denn Beziehungen nennen kann, verliefen sich immer im Sand. Erst war es die große Liebe und im nächsten Augenblick war es aus.

"Das hoffe ich auch. Sie ist ziemlich heiß!" Oh man, das klang wie immer.

"Und was habe ich damit zutun?" Ich ahnte nichts Gutes.

"Da gibt es ein klitzekleines Problem. Sie hat grad Unmengen an Arbeit und sie hat nur heute Abend Zeit..." Er machte eine Pause.

"Und?"

"Naja, und da habe ich sie gefragt, ob wir was trinken wollen."

"Und?" Meine Güte musste man alles aus ihm rauskitzeln?

"Sie hat 'ja' gesagt."

"Das ist doch schön. Und welches Problem gibt es?" Ich ahnte nichts Gutes.

"Ihr Cousin ist grade zu Besuch da und sie hatte ihm versprochen, etwas mit ihm zu unternehmen. Er kennt keinen hier. Daher habe ich vorgeschlagen, dass du mitkommen könntest." Er redete schnell.

"Du hast was?" Verwirrt sah ich ihn an.

"Vielleicht findest du ihn ja nett. Also sie sagte, dass er ziemlich gutaussehend ist."

"Nein." Mit einer Bürste kämmte ich meine Handtuchtrockenen Haare durch.

"Komm schon! Bitte! Bitte! Bitte!" Er verkreuzte die Hände und bettelte mich an.

"Niemals." Mein Entschluss stand fest.

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