30. Kapitel

434 14 0
                                    

Die frische Luft half mir beim Atmen. Ich setzte mich auf eine Bordsteinkante etwas Abseits von der Disco.
"Hey, alles klar?" Simon setzte sich neben mich und strich mir mit der flachen Hand über den Rücken.
"Ja," log ich und nickte.
"Elena, rede mit mir."
"Ich finde es unglaublich, dass er einfach so weitermacht. Ich meine, ich dachte..." Ich konnte einfach nicht darüber reden. "Ich dachte nicht, dass ihn das so kalt lässt. Ich dachte nicht, dass er so ein Arsch ist."
Er zog mich an sich, da mir Tränen über die Wangen liefen. Sanft strich er mir über die Haare.
"Jeder Mann ist ein Arsch. Manch einer weniger und manch Einer mehr. Er weniger und ich mehr. Wenn du's so willst."
Ich musste leicht lächeln. "Du bist wirklich ein Arsch."
"Schön, dass du das Lächeln nicht verlernt hast." Ich sah ihn an und wischte mir die Tränen weg.
Er hob die Hand und strich mir über die Wange.
"Ich werde deinen Gemütszustand nicht ausnutzen," flüsterte er und drehte sich weg. "Komm, wir gehen wieder rein."
Er stand auf und zog mich hoch.
Als ich vor ihm stand, konnte ich mein Bedürfnis ihn zu umarmen nicht unterdrücken. "Heute warst du weniger Arsch, als sonst."
"Sag's bloß keinem." Er zwinkerte, nahm meine Hand und verschränkte seine Finger mit meinen. Ich lachte und ging neben ihm her.
Als wir jedoch wieder in den Club gingen, ließ er meine Hand schnell wieder los. Er schob mich mit seiner Hand auf meinen Rücken durch die Menge zu seinem gemieteten Tisch, an dem nur Fußballkollegen mit ihren jeweiligen Begleitungen saßen und standen. Carla erkannte ich genauso wie Logan, die dort mit ihren Drinks standen und tanzten. Carla warf mir einen fragenden Blick zu, doch ich ließ mir nichts anmerken. Ich lächelte nur und gab ihr zu verstehen, dass alles okay ist.
Ich folgte Simon und er stellte mir drei Kollegen von ihm vor, die ich allerdings schon einmal getroffen hatte, als ich bei Antoine beim Training war. Darunter Sami, Martin und Raffael. Sie waren alle an die 25-30 Jahre alt und schlürften an ihrem Getränk. Sie sahen nicht so aus, als würden sie feiern wollen. Martin lehnte sich zu mir rüber und sagte in mein Ohr: "Du bist doch eine Freundin von Antoine, oder?"
Ich schluckte und nickte. Dann kam Simon mit zwei Drinks zu mir.
"Auf das Leben!", stieß er mit mir an und ich lächelte.
"Das nur besser werden kann," sagte ich zu mir selbst, aber Simon sah mich an und nickte grinsend, also hatte er es wohl gehört.
Er stellte sein Glas auf dem Tisch ab und beugte sich zu mir rüber.
"Hast du überhaupt Lust heute feiern zu gehen?", fragte er besorgt.
"Es geht," machte ich eine Pause. "Nein, nicht wirklich. Carla wollte unbedingt hierher."
"Soll ich dich nach Hause bringen?"
"Das brauchst nicht."
"Das mache ich gerne, wirklich."
"Nein, ich bleibe hier, bis Carla nach Hause möchte."
"Bist du sicher?", fragte er. Dann wurde er von Carla unterbrochen, die wirklich einen sitzen hatte und aufgedreht auf Simon zu ging.
"Du bist also Simon. Ich bin Elena's beste Freundin." Sie wurde ernst und sprach weiter: "Wenn du ihr wieder wehtun solltest oder sie beleidigen solltest, dann wirst du es mit mir zu tun kriegen. Also dann," redete sie weiter und fing wieder an zulächeln. "Prost, Simon." Sie stieß mit ihm an.
Er sah ernst aus, so als würde er darüber nachdenken, was sie zu ihm sagte. Dann stellte er sein Glas auf den Tisch, drehte sich um und ging zum Ausgang. Ich reagierte aus dem Instinkt heraus und lief ihm hinterher. Carla's verwirrtes Gesicht verfolgte mich.
Als ich draußen ankam, schaute ich nach rechts und links und konnte ihn zu erst nicht erkennen, doch dann erblickte ich ihn, wie er am Ende der Straße entlang lief.
Ich rannte los und erst rief ich seinen Namen ganz leise und dann lauter. Er drehte sich nicht um. Ich schrie wieder und als ich endlich bei ihm ankam, streckte ich meinen Arm aus und hielt ihn an seinem Hemd fest.
"Simon, bitte, warte. Was ist denn los?" Er drehte sich zu mir. Sein Gesicht war hell und seine Augen hatten eine rötliche Farbe.
"Was los ist? Was los ist? Ich habe es verkackt! Ich habe alles kaputt gemacht! Ich bin so ein Vollidiot! Ich bin ein Arschloch. Ich habe die schönste Frau, die ich je kennengelernt habe, beleidigt und gedemütigt, nur weil ich eifersüchtig war. Ich habe noch nicht mal den Arsch in der Hose ihr ansatzweise zu sagen, dass ich mehr für sie empfinde, weil ich Angst habe. Ich habe Angst davor, dass sie mich nicht will! Und was mach ich? Ich beleidige sie und ihren Freund, der ein Kollege ist! Ich..." Er stockte und sein Kopf hing nach unten. Er sah so klein aus. Ich kann es nicht anders sagen, aber er sah nicht mehr so umwerfend aus. Also nicht, dass er nicht gut aussah, nein, er war blass und sah nicht mehr so stark und selbstsicher aus. Ich hob meine Hand und strich ihm über seine Wange.
Er legte seine Hand auf meine und nahm sie nach unten.
"Ich bin nicht gut für dich. Du hast was Besseres verdient. Jemand Besseren."
"Du bist nicht schlecht. Du bist ein guter Mensch."
"Ich bin nicht gut genug für dich."
"Das kannst du nicht beurteilen. Du hast mir vorhin geholfen. Das würde ein schlechter Mensch nicht machen."
"Wieso bist du mir hinterher gelaufen? Ich war ein riesengroßes Arschloch. Zu dir und zu deinen Freunden. Das hast du nicht verdient." Er wollte sich wegdrehen, doch ich ließ ihn nicht. Ich legte wieder meine Hand auf seine Wange.
"Es gibt nichts, was man nicht wieder gut machen kann. Und was ich verdient habe oder nicht, entscheide ich immer noch selber."
Ich lächelte leicht, sah ihm in seine unglaublich blauen Augen und ging ein Schritt auf ihn zu.
"Warte," sagte er. "Ich möchte dieses Mal alles richtig machen. Ich möchte, dass du mich kennenlernst. Richtig kennenlernst. Ich will kein Arschloch sein."
"Okay. Und das heißt?" Wir schauten uns in die Augen.
"Das heißt, dass ich dir alles über mich erzähle."

One Way. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt