56. Kapitel

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Ich atmete tief durch und hörte meine innere Stimme, die mir sagte, dass das eine Chance für mich wäre.
Eine Chance einfach wieder alles, wie früher haben zu können.
"Okay." Ich rückte zur Bettkante, auf der er saß. "Ich möchte das auch. Aber du musst mir Zeit geben. Du weißt, dass die Gefühle noch da sind."
"Ich weiß, ist bei mir nicht anders."
Mein Herz stockte und pochte danach laut.
"Wir müssen uns langsam wieder als Freunde annähern."
Ich konnte nichts weiter sagen, als nickte ich nur.
Er zog mich in eine Umarmung und mir stiegen die Tränen in die Augen. Somit war es nun endgültig: Antoine und ich werden nie mehr als Freunde sein.

Ich begleitete Antoine runter ins Restaurant. Wie er die Treppen herunter stakste, brachte mich zum Lachen.
"Das ist echt nicht fair, dass du mich auslachst. Ich hätte auch gerne gesehen, wie du hier den Schwan gemacht hast. Natürlich außer, dass du dir so weh tust."
Ich gab ihm seine Krücken zurück, als er unten ankam.
"Danke." Er humpelte zu meinem Vater, der ihn sofort bemitleidete und in den Arm nahm. "Mensch, ihr seid schon zwei. Tut euch auch noch zur gleichen Zeit weh," schüttelte er den Kopf. "Das habe ich echt noch nie zuvor gehört oder gesehen."
"Wie zur gleichen Zeit?", fragte Antoine verwundert.
"Ach ich bin gefallen und du bist gefoult worden. Mehr nicht," wiegelte ich ab.
"Wie mehr nicht? Das stimmt nicht. Es war wirklich in den gleichen paar Sekunden. Das war wie ein unsichtbares Band zwischen euch."
Antoine und ich lachten: "Wir haben uns mit unserem unsichtbaren Band gegenseitig ein Bein gestellt."
Mein Vater verschränkte die Arme vor seiner Brust. "Ach, ihr seid echt fies. Ihr könntet die Anderen fragen, jeder hat es gesehen. Aber nun gut. Antoine, wie kommst du nach Hause?"
"Laufen?"
"Niemals," schaltete ich mich ein. "Ich fahre dich kurz rum."

"Danke, das ist nett." Er versuchte sich gerade ins Auto zu zwängen und saß dann auf dem Beifahrersitz. Ich lief zu ihm, um ihm zu helfen.
"Warte! Ich stelle den Sitz noch weiter nach hinten. Steh mal bitte wieder auf. Er humpelte an mir vorbei und kam mir dabei sehr nah.
Ich schob den Sitz soweit wie möglich zurück. "Hier, ich hoffe es geht jetzt besser." Er hielt sich an der Autotür fest und hievte sich ins Auto.
"Danke." Ich schloss die Tür, als er komplett eingestiegen war.
Als wir losfuhren, fragte er: "Und zwischen dir und Fernando läuft was?"
Die Frage überraschte mich.
"Nein. Wir sind Freunde. Ich meine, es kann sein, dass daraus mehr wird, aber soweit sind wir noch nicht."
"Hm... Er hat aber bei dir übernachtet. Ich bin ihm begegnet, als ich zu dir wollte," erklärte er.
"Ja, er hatte mir gestern noch geholfen und dann haben wir noch fern gesehen. Dabei sind wir eingeschlafen." Ich fragte mich, was ihn das interessierte.
"Okay, freut mich, dass das ganz gut passt."
Ich parkte und war froh, dass wir bei ihm ankamen. Schnell öffnete ich die Tür des Autos und hielt ihm die Hand hin. Er nahm sie und drückte sie fest.
Ich half ihm auszusteigen und schmiss die Tür hinter ihm zu.
Als er vor mir stand, umarmte ich ihn zum Abschied.
"Danke nochmal."
"Kein Problem."
Ich setzte mich wieder hinters Steuer und fuhr los, als ich mich plötzlich nach ein paar Metern erschrak, da ich Adriana fröhlich in die Richtung von Antoine gehen sah. Mein Mund stand, bis ich zu Hause ankam, weit offen. Ich konnte es nicht fassen, dass er immer noch etwas mit ihr hatte. Aber ich zwang mich, nicht weiter darüber nachzudenken.

Die nächsten Wochen verbrachte ich zu Hause oder im Restaurant und versuchte, so gut es ging, zu helfen. Was sich als ziemlich schwierig gestaltete.
Fernando kam mehrmals vorbei, um zu sehen, wie es mir ging. Es passierte nichts, aber wir erfuhren immer mehr voneinander. Wir gingen ins Kino oder Essen.
Man konnte viel mit ihm lachen und ich fühlte mich wohl. Klar wusste er, wie gut er aussah, aber er zeigte dies nicht. Das war sehr sympathisch. Immer weniger musste ich an Antoine denken. Lag vielleicht auch daran, dass ich ihn nur ein- bis zweimal zu sehen bekam. Er war viel zu sehr mit seiner Reha beschäftigt.

An einem ganz besonderen Tag wachte ich früh morgens auf, denn ich durfte meinen Gips loswerden. Den Termin fieberte ich schon eine Weile entgegen, da ich endlich meinen Arm wieder normal bewegen wollte.
Fernando wollte dabei sein und somit ging ich frisch geduscht und angezogen nach unten ins Restaurant, da er dort auf mich warten wollte.
Doch als ich ankam, sah ich ihn nicht. Es war nicht voll und mein Vater wischte gerade die Tische ab.
"Na, heute ist dein großer Tag! Freust du dich schon?"
"Oh ja! Ich kann's kaum abwarten. Fernando ist noch nicht hier oder?"
Mein Vater schüttelte den Kopf.
"Sag mal, was wünschst du dir zum Geburtstag?"
Ach ja, bald hatte ich meinen Ehrentag. Ich liebte Geburtstage.
"Ich habe doch schon alles. Du brauchst mir nichts zu schenken."
"Und du weißt, dass ich dir immer etwas schenke."
Plötzlich sagte eine Stimme hinter mir: "Wer schenkt wem etwas und warum?" Fernando gab mir einen Kuss auf die Wange und gab meinem Vater zur Begrüßung die Hand.
"Elena hat in zwei Wochen Geburtstag und will natürlich nichts geschenkt haben. Wie jedes Jahr." Mein Vater verdrehte lächelnd die Augen.
"Und jedes Jahr meine ich das Ernst," gab ich dazu.
"Ich wusste gar nicht, dass du bald Geburtstag hast. Aber erst einmal verlierst du deinen Gips! Komm, lass uns losfahren." Er nahm meine gesunde Hand und wir gingen zu seinem Auto.

Beim Arzt warteten wir eine Weile, bis ich endlich erlöst wurde. Es fühlte sich komisch kalt und leicht an. Ein seltsames Gefühl.
Als wir vor dem Auto standen, schlang ich die Arme um Fernando's Hals.
"Das wollte ich als Erstes tun, wenn ich mich wieder bewegen dürfte," flüsterte ich und er hob mich leicht hoch.
"Ich freu mich, dass du nun wieder ganz gesund bist. Irgendwie vermisse ich deinen kleinen Gips."
"Was? Wieso?" Er ließ mich runter und los.
"Somit hatte ich immer einen Grund zu dir zu kommen und zu schauen, wie es dir geht," lächelte er.
"Das kannst du jetzt immer noch machen. Ich soll ihn ja immer noch nicht zu sehr belasten," gab ich ihm mit einem Augenzwinkern zu verstehen.

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