David war älter geworden, aber das war auch nur natürlich. Schließlich hatte ich ihn das letzte Mal vor sieben Jahren gesehen. Damals, als alles noch irgendwie richtig gewesen war. Die Zeit hatte uns wohl beide gezeichnet, denn während aus mir eine junge Frau geworden war, war der beste Freund meines ältesten Bruders ein Berg von einem Mann geworden. Vielleicht musste man als Anhänger der „Black Tiger" mehrmals am Tag Anabolika zu sich nehmen... Das würde zumindest die starken Oberarme erklären, die David früher eindeutig nicht gehabt hatte. Sie zeichneten sich unter dem schwarzen T-Shirt ab, das er trug, und sich in die ebenso schwarze Jeans gesteckt hatte. Ein brauner Gürtel war das einzig Farbige an seinem Outfit, und passte zu seinen hellbraunen Haaren, die er sich bis zu seinen Schultern hatte wachsen lassen. Sein kurzer Bart, seine markanten Wangenknochen und seine schmale Nase ließen ihn immer noch so attraktiv wirken wie früher.
„Sky", hauchte der junge Mann, ehe er mich an seine Brust zog. „Wo hast du bloß gesteckt?" Ich schluckte, als Davids Aftershave in meine Nase zog und ich meinen Kopf so drehen musste, dass ich genau auf das Tigertattoo an seinem Oberarm starren musste. Black Tiger. Er gehörte wirklich zu dieser Gang und das bedeutete... Ich musste hier sofort raus! Mit einem Ruck schob ich den verblüfften David von mir, sprang einen Schritt zurück und zog Jules auf die Beine. Es war mir egal, dass sie kaum das Gleichgewicht halten konnte, wenn sie nicht schnell genug war, würde ich sie zurücklassen müssen.
„Sky!" Die Musik ließ Davids Stimme nur gedämpft bis zu mir durchdringen und das war auch gut so. Egal wie sehr ich diesem jungen Mann auch vor einiger Zeit noch vermisst hatte, jetzt wollte ich nur so schnell wie möglich von ihm weg. Ihm und allem, was er bedeutete.
„Mir ist schlecht." Ehe ich reagieren konnte, sackte Jules gänzlich in sich zusammen und riss mich mit sich nach unten zu Boden
„Verdammt", fluchte ich, als sich auch schon David vor mir aufbaute. Ohne auf mich zu achten, kniete er sich hin und zog Jules auf seine Arme. Erst dann fokussierte er mich wieder, während er sich den Weg mit meiner Mitbewohnerin hinauf auf die Emporen bahnte.
„Hey", rief ich dem jungen Mann hinterher. „Was soll das?"
„Wenn du deine Freundin wiederhaben willst, musst du mir wohl folgen." Ich hörte das Grinsen in Davids Stimme.
„Wenn du sie mitnimmst, ist sie auch dein Problem", erwiderte ich schulterzuckend, ehe ich mich wieder dem Ausgang zuwendete
„Meines oder das meiner Freunde. Ein paar von ihnen stehen furchtbar auf wehrlose Blondinen", hörte ich Davids emotionslose Stimme, die mir eine Gänsehaut über den Körper jagte. Ich war wohl nicht die einzige, die sich verändert hatte. Genervt atmete ich ein.
„Das ist doch wohl nicht dein Ernst", knurrte ich mehr zu mir als zu David, ehe ich mich ihm wieder zu wendete. Ich hörte den jungen Mann laut auflachen, als ich mich an zwei Securitys vorbeischob und David hinauf auf die Empore folgte. Kaum dass ich die scheinbar endlosen, schwarzen Stufen hinter mich gebracht hatte, war es, als wäre ich in einem ganz anderen Club. Obwohl unten die laute Musik und die bunten Lichter das typische Klischee einer Diskothek darstellten, war es hier oben merkwürdig ruhig. Die Musik war bloß ein leichtes Hintergrundgeräusch zu den dunklen Männerstimmen und schrillen Kichern unzähliger, leicht bekleiderter Frauen. Angewidert verzog ich das Gesicht, als mein Blick auf eine der Lounges fiel, auf der eine Frau sich gerade auf dem Schoß eines Mannes hinauf und hinunter bewegte. Keinen anderen schien es zu stören, dass sie dabei laut aufstöhnte und somit jeden an ihrer Lust teilhaben ließ. Schnell wendete ich mich ab und sah mich weiter um. Rechts und links von mir führte ein schmaler Gang an den Nischen vorbei, die man auch schon von unten erahnen konnte. Sie waren unterschiedlich groß, so wie ich das von hier erahnen konnte, aber allesamt gleich eingerichtet. Schwarze Ledersessel mit kleinen Glastischen davor ließen sie gleichzeitig gemütlich wie auch mysteriös wirken und das auf eine Art, die ich kaum beschreiben konnte. Obwohl sie alle von dem Gang mithilfe eines dunklen Vorhangs abgeschnitten werden konnten, war das kaum bei einer der Fall. Am liebsten hätte ich zumindest den Vorhang zugezogen, der mir den Anblick der stöhnenden Frau verwehrt hätte.
„David", versuchte ich es wieder, „Lass den Quatsch und gib mir Jules wieder, damit ich endlich verschwinden kann." Genervt stöhnte ich auf, während ich meine Schritte verschnellerte und den Arm des jungen Mannes packte, um ihn endlich dazu zu bringen, stehen zu bleiben, anstatt dem schmalen Gang nach rechts zu folgen. „Ich habe keine Lust auf deine Spielchen."
„Wer spielt hier Spielchen, Sky?" David drehte sich zu mir um, wobei Jules Kopf leicht gegen die Wand schlug. Den jungen Mann schien das wenig zu stören.
„Du hast mir meine Mitbewohnerin geklaut, also geht der Punkt ganz eindeutig an dich." Mit diesen Worten versuchte ich, Jules aus Davids Armen zu nehmen, was dieser aber nicht zu ließ. Stattdessen trat er einen Schritt nach links und verschwand in der nächstbesten Nische. Frustriert schrie ich auf und folgte ihm. Sofort lagen die Augen von drei weiteren jungen Männern auf mir.
„Was?!", fuhr ich sie an, während mein Blick auf David fiel, der Jules auf den Schoß eines jungen Mannes gleiten ließ, der mindestens genauso erstaunt darüber war wie ich. Er hatte kurze, hellblonde Haare, die an den Seiten etwas kürzer waren und helle, grüne Augen, die ihn unschuldiger wirken ließen, als er es wahrscheinlich war. Das typische Tiger-Tattoo verzierte den linken Teil seines Halses.
„Pass mal auf sie auf, Nate", erklärte David grinsend. Der Blonde sah von meiner Freundin zu seinem Kameraden und wieder zurück, ehe auch er zu grinsen begann.
„Du weißt aber doch, dass ich auf die Brünetten stehe." Nates Stimme war dunkel und kalt, was ganz im Gegensatz zu seinem engelsgleichen Äußeren stand.
„Ich mag Blonde." Mein Blick fiel auf den zweiten im Bunde. Auch er hatte blonde Haare, die er allerdings am Hinterkopf zu einem kleinen Zopf zusammengebunden hatte. Er hatte breite, dunkle Augenbrauen und einen ebenso dunklen Bart, der zwei breite Lippen umschloss. Seine braunen Augen waren auf die leblose Jules gerichtet. Laut knurrte ich auf.
„Flossen weg", fauchte ich.
„Und du bist?" Der dritte der jungen Männer starrte mich an und obwohl er wahrscheinlich bedrohlich wirken sollte, hatte ich keine Angst vor ihm. Stattdessen erwiderte ich seinen genervten Blick, was ihn verwundert eine Augenbraun heben ließ. Er war attraktiv, aber trotzdem nicht mein Typ mit den schulterlangen, braunen Haaren und den fast golden schimmernden Augen, die mich intensiv musterten. Er hatte einen Dreitagebart und sein Tattoo direkt auf der Kehle.
„Kai, lass Blondie in Ruhe", erklärte David, „Und du Xav, starr Sky nicht so an. Das wird Elijah nicht gefallen." Ich erstarrte, ehe mein Blick zu David huschte, der sich seufzend durch die Haare fuhr.
„Komm, Sky. Das musste dir doch jetzt klar gewesen sein." Energisch schüttelte ich den Kopf.
„Lass mich einfach mit Jules verschwinden", flehte ich David an, der plötzlich mit einem Schritt bei mir war. Sanft legte er seine Hände an meine Wangen und zwang mich so, ihn anzusehen.
„Weißt du eigentlich, wie lange wir nach dir gesucht haben?" In Davids Stimme schwang eine Wehmut mit, die mich fast erweicht hätte. Aber nur fast. Stattdessen riss ich mich aus seinem Griff und trat einen Schritt zurück. Davids Blick wurde kalt und noch ehe jemand der anderen etwas sagen konnte, hatte er mich am Handgelenk gepackt und mich hinter sich aus der Nische gezogen. Vergeblich versuchte ich, mich aus seinem Griff zu befreien. Unnachgiebig zog David mich bis zum Ende des Ganges und klopfte an.
„Herein", ertönte eine mir bekannte Stimme und ehe ich ein weiteres Mal protestieren konnte, wurde ich auch schon in den Raum geschoben. Sofort fanden meine Augen die mir bekannten grünen, die mich amüsiert anfunkelten. Blake saß hinter einen riesigen Schreibtisch aus dunklem Holz. Seine Ellbogen hatte er aufgestützt und sein Kinn auf seinen Händen platziert. Ein breites Grinsen lag auf seinen Lippen.
„So schnell sieht man sich wieder, Darling."
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Skylar - Sei mein
RomanceSeit Jahren ist Skylar allein und genau das ist es auch, was sie will. Schließlich hat sie in der Vergangenheit genug durchgemacht, um nicht mehr allzu leicht vertrauen zu können. Doch als endlich alles wieder gut zu werden scheint, taucht ihr Brude...