VIII

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„Aber das nächste Mal ruf jemanden anderen an."

„Ich habe niemand anderen." Ich wusste, dass Jules nicht wollte, dass ich ihre Worte hörte, aber das tat ich. Kurz zögerte ich, ehe ich wortlos meinen Weg fortsetzte. Ich kannte Jules nicht. Nicht ihre Geschichte und nicht ihre Familie, aber das war in Ordnung. Meine Eigene reichte mir bereits und da brauchte ich die Probleme von anderen nicht auch noch. Wenn Jules und ich Freundinnen werden würden, würde ich mich ihr irgendwann öffnen müssen und das wollte ich nicht. Deshalb hielt ich sie auf Abstand. Und das hatte gut funktioniert. 

Zumindest bis heute.

„Du weißt, dass die bald hier auftauchen, oder?", hörte ich Jules hinter mir her schreien, was mich laut aufseufzen ließ.

„Ich weiß", rief ich zurück. „Deshalb gehe ich jetzt auch schlafen. Solltest du auch versuchen." Jules' Lachen hallte hinter mir her, ehe ihre leisen Schritte zu hören waren.

„Von mir wollen sie ja nichts." Ich drehte mich noch einmal zu ihr um.

„Und das hält dich davon ab, es zu probieren?" Vielleicht waren meine Worte hart, aber sie waren wahr. Grinsend öffnete Jules an ihre Zimmertür, die die erste in unserem Gang war.

„Das habe ich nicht gesagt. Obwohl der Blonde, auf dem ich aufgewacht war, schon etwas creepy war. Ich dachte erst, er hätte mich gekidnappt." Leise lachte ich auf.

„Entschuldige, aber der Kidnapper war David. Der Typ, dem wir nach den Toiletten begegnet sind." Jules legte den Kopf in den Nacken, während sie sichtlich angestrengt nachdachte.

„Keine Ahnung." Schulterzuckend sah sie mich an. „Ich kann mich an kaum etwas erinnern, bis ich im VIP-Bereich aufgewacht bin. Wäre es unter anderen Bedingungen gewesen, hätten mich die drei Hotties wohl nicht geängstigt."

„Andere Bedingungen?" Ich zog die Augenbrauen zusammen. Wann genau konnte es denn eine Situation geben, in der sich eine Frau wohlfühlte, wenn sie plötzlich und unerwartet bei fremden Männern aufwachte?

„Ich vertraue dir, Sky. Ich weiß, dass wir uns nicht sonderlich nahe stehen, aber trotzdem weiß ich einfach, dass ich mich auf dich verlassen kann. Und du warst nicht da. Als ich dich dann gesehen habe, hast du mich darum gebeten, mit dir raus zu rennen. Ich wusste, dass etwas passiert ist, und deshalb war mir sofort unwohl." Ich seufzte auf.

„Ich habe dein Vertrauen nicht verdient", gestand ich Jules schulterzuckend. Die Blondine lachte leise auf.

„Das vielleicht wirklich nicht - mit deiner kalten Art, die du manchmal an den Tag legst... aber du hast es. Du hattest es schon, als du damals nur mit einem Rucksack durch die Tür getreten bist. Ich habe eine hervorragende Menschenkenntnis, Sky. Und ich weiß, dass du eine von den Guten bist." Mit diesen Worten verschwand Jules in ihrem Zimmer. Eine Weile sah ich noch auf die Stelle, an der sie bis eben noch gestanden hatte. Ich, eine von den Guten? Dieser Zug war schon vor langer Zeit abgefahren, aber das musste Jules ja nicht unbedingt wissen. Seufzend öffnete ich meine Zimmertür und schlüpfte in den kleinen Raum. Es war nicht viel mehr als das und bei Gott kein Zuhause, aber es passte zu mir und der Situation, in der ich mich momentan befand. Keines der Mädchen verstand, warum ich weder Möbel noch Deko kaufen wollte, aber das war mir egal. Mir reichte die Matratze, die direkt unter dem großen Fenster lag, durch das ich hinaus in die Stadt sehen konnte, und die kleine Holzkommode, die einer der Vormieter hier zurückgelassen hatte. Ich besaß kaum Kleidung und das, was ich noch hatte, war größtenteils in einer Tasche neben meinem Bett verstaut. Ich war immer bereit, zu verschwinden, aber im Moment konnte ich das noch nicht. Es gab hier noch etwas für mich zu erledigen und solange das nicht getan war, würde ich wohl oder übel hoffen müssen, dass Elijah mich in Ruhe ließ. Stöhnend streifte ich meine Schule von meinen Füßen und entledigte mich meiner Kleidung, ehe ich in ein zu großen T-Shirt schlüpfte, dass wohl einmal meinem Bruder gehört hatte. Es war verblichen und alt, aber ich liebte es trotzdem. Es brachte Erinnerungen mit sich, die gut waren und die nicht in Albträumen endeten. Nachdenklich warf ich mich aufs Bett und schnappte mir mein Handy, ehe ich die bekannte Nummer wählte, die ich heute schon an die hundert Mal angerufen hatte. Aber natürlich nahm niemand ab. Frustriert legte ich mein Handy zur Seite und warf die dünne Decke über mich. Mir war nicht mehr nach sexy Dotraki und Blutbädern. Ich wollte nur schlafen und hoffen, dass morgen vielleicht alles beim Alten blieb und Elijah mich weiter ignorierte. 

Immerhin konnte unsere Familie das bisher immer am besten.

Skylar - Sei meinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt