„Skylar, es ist mir eine Freude, dich wiederzusehen." Stumm musterte ich den jungen Mann, dessen Grinsen von Sekunde zu Sekunde breiter wurde. Er war älter geworden und muskulöser. Er sah gut aus, das musste ich ihm lassen, doch die Intensität, mit der er mich ansah, ließ mich erschaudern. Es war wie eine innere Stimme, die mir sagte, dass etwas nicht stimmte. Dass das vor mir nicht der liebenswerte Jax war, den ich einmal gekannt hatte. Er war ein anderer. Jemand mit kurz geschorenen, blonden Haarstoppeln und einem gleichfarbigen Dreitagebart. Die schwarze Kleidung lag eng an seinem muskulösen Körper und passte perfekt zu ihm. Ebenso wie die Lederjacke, auf deren Rückseite sicherlich das Zeichen der gegnerischen Bikergang zu sehen sein würde. Dragon. Jax war damals ein respektables Mitglied des Clubs meines Vaters gewesen, aber als dieser untergegangen war, war auch der beste Freund meines Bruders verschwunden. Ich hatte nicht geglaubt, jemals wieder in die unendlich blauen Augen des jungen Mannes sehen zu können.
„Jax." Meine Stimme klang ruhiger, als ich mich fühlte. „Was willst du?" Der Angesprochene lachte auf.
„Momentan will ich, dass du deine Waffe senkst, Baby."
„Baby? Dafür sollte ich dich schon erschießen." Knurrend richtete ich meine Waffe auf Jax' Herz. Sofort hörte ich, wie weitere Waffen entsichert wurden und drei andere Biker hinter ihren Kameraden traten. Wo zur Hölle waren nur die „Black Tiger"?
„Nehmt die Waffen runter." Verwundert beobachtete ich, wie die anderen „Dragons" ohne Widerworte Jax' Befehl Folge leisteten. Mein Blick fiel auf den Aufdruck auf seiner Brust.
VP.
Er war also der Vice President der Dragons.
Jax hatte es weit gebracht.
„Sky", flüsterte Ronnie neben mir. Ich hörte die Frage in ihrer Stimme, aber das hier war weder der Ort noch die Zeit, um die Situation zu erklären. Und so reagierte ich nicht einmal, als Jax sich plötzlich in Bewegung setzte und auf mich zu kam.
„Du gehörst hier nicht her, Sky." Mit zwei Schritten stand er dicht vor mir. Sein Blick verließ nicht meine Augen. Nicht einmal als meine Waffe direkt an seiner Haut lag, zuckte er zusammen.
„Du bist derjenige, der hier nicht hergehört, Jax", fauchte ich. „Und jetzt verschwinde." Jax lachte auf, ehe er seine Hand hob und sie an meine Wange leben wollte. Erschrocken sprang ich einen Schritt zurück.
„Das stimmt, Baby. Und deshalb werden wir beide von hier verschwinden. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Kätzchen oben bemerken, dass der Angriff auf sie nur eine Ablenkung ist."
„Eine Ablenkung?"
„Natürlich, Baby." Erneut kam Jax auf mich zu. Ohne zu zögern, schoss ich. Ich hörte, wie Ronnie aufschrie und sah, wie die anderen Biker wieder ihre Waffen hoben, doch Jax und ich blieben ruhig, als die Kugel vor ihm in den Boden einschlug.
„Noch einen Schritt und die nächste trifft. Du weißt, dass mein Vater mir das Schießen beigebracht hat." Jax' Grinsen fiel.
„Ich habe dich das gelehrt", knurrte er. Endlich zeigte er Gefühle. „So wie ich dir alles beigebracht habe, Baby. Weil du mein bist." Genervt stöhnte ich auf.
„Was denkt ihr Biker euch eigentlich alle, mich als Eigentum zu bezeichnen? Jax, ich habe dich fast ein Jahrzehnt nicht gesehen und ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir jemals ein Paar oder ähnliches waren. Ich meine, du warst so etwas, wie mein Bruder. Wie könnte ich da..." Ehe ich reagieren konnte, schnellte Jax vor und schlug mir meine Waffe aus der Hand. Ich war so überrumpelt, dass ich mich nicht wehren konnte, als der Biker mich packte und gegen die nächstgelegene Wand rammte. Mein Kopf knallte gegen das Holz und ließ mich für einen Moment verschwommen sehen. Schmerzerfüllt stöhnte ich auf, als Jax meine Hände über mir an die Wand drückte und sich so weit vorlehnte, dass ich seine Lippen an meinem Ohr spüren konnte.
„Du bist mein, seitdem ich dich das erste Mal in deinem rosanen Sommerkleid erblickt habe", hauchte er mir zu. Verzweifelt versuchte ich, den Biker von mir zu schieben.
„Da war ich sechs, du Volltrottel. Und du zehn."
„Und da habe ich dich für mich beansprucht. Seitdem gehörst du mir. Und jetzt ist niemand mehr da, um dich von mir fernzuhalten." Ich öffnete meinen Mund, um etwas zu erwidern, doch kein Wort verließ meine Lippen.
Was zur Hölle ging hier vor?
Plötzlich hörte ich Geschrei und mehrere Schüsse, ehe ich sah, wie eine Waffe an Jax' Hinterkopf gehalten wurde. Ronnies blaue Haare kamen in mein Sichtfeld zusammen mit den anderen Waffen, die die Dragons auf meine Freundin hielten.
„Willst du sterben, Blue?", feixte Jax grinsend, ohne den Blick von mir abzuwenden. Eine seiner Hände legte er an meine Wange, während die andere mich problemlos an Ort und Stelle hielt. Mit seinem Daumen fuhr er über meine Lippen, die er musterte, als wären sie das kostbarste auf der Welt.
„Ich glaube, ich bin diejenige, die dir die Waffe an den Schädel hält, du Drecksack. Und jetzt lass die Old Lady vom Prez in Ruhe, wenn du weiter leben willst."
„Old Lady?" Purer Hass trat in Jax' Miene und die Hand, die mich eben noch liebevoll gestreichelt hatte, schlang sich um meine Kehle. Erschrocken riss ich die Augen auf und versuchte ein weiteres Mal, mich aus dem Griff des jungen Mannes zu befreien. „Was soll das bedeuten, Sky?" In diesem Moment ertönte das Klicken weiterer Waffen und eine Stimme erklang, die mich erleichtert aufseufzen ließ.
„Das bedeutet, dass du deine Drecksgriffel von meiner Frau nimmst, bevor ich dein Gehirn in Kleinteilen auf der Wand verteile, Reaper." Ich seufzte auf und spürte die Erleichterung, die sofort schwand, als Jax seine Finger noch fester um meine Kehle schlang. Eine Mahnung lag in seinem Blick, die ich nicht erklären konnte. Was war nur aus dem jungen Mann geworden, dem ich einst mein Leben anvertraut hätte?
„Sky wurde dazu geboren, meine Old Lady zu werden. Sie gehört mir und ich bin gekommen, um sie nach Hause zu holen, Alpha." Innerlich stöhnte ich auf.
Was zur Hölle war nur mit diesen Bikern los?
Und wieso war Jax so zuversichtlich, wenn er hier unten in der Falle saß.
Umringt von Waffen, Tigern und zu wenig Kameraden.
Irgendetwas stimmte hier nicht.
Ganz und gar nicht.
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Skylar - Sei mein
RomanceSeit Jahren ist Skylar allein und genau das ist es auch, was sie will. Schließlich hat sie in der Vergangenheit genug durchgemacht, um nicht mehr allzu leicht vertrauen zu können. Doch als endlich alles wieder gut zu werden scheint, taucht ihr Brude...