„Doc ist gleich hier." Stöhnend ließ ich meinen Kopf in den Nacken fallen, als Blake mich auch schon auf eine weiche Bank gleiten ließ, ehe er sich neben mich setze. Anscheinend hatte Elijah eine Gruppe Bikerhuren von diesem Platz verscheucht, damit wir hier Platz finden konnten. Diese Sitzgruppe befand sich ganz hinten im Raum und gab uns genug Privatsphäre, um alles ohne neugierige Ohren zu besprechen. Außerdem war sie am weitesten von der Eingangstür entfernt.
„Babeeee..." Mein Blick fiel wieder auf meinen Bruder, der mich so stark fixierte, dass ich schluckten musste. Ich kannte diesen Ausdruck und verhieß nichts Gutes. Und während ich das Gefühl hatte, in mich zusammensinken zu müssen, schien die Wasserstoffblondine vor meinem Bruder endlich einzusehen, dass seine Aufmerksamkeit ganz und gar nicht ihr gehörte. Kurz funkelte sie mich wütend an, doch als ich mit den Schultern zuckte, wendete sie sich wieder Elijah zu. Ihre roten Fingernägel fuhren über seine Wange, über sein Kinn hinunter über seine Brust und schließlich zu seinem Gürtel. „Ich kann dich auch hier und jetzt gut fühlen lassen...", säuselte sie, während sie langsam auf die Knie sank. Angewidert verzog ich das Gesicht. Wenn Elijah sich hier und jetzt wirklich einen von der viel zu stark geschminkten Hure einen blasen ließ, würde ich mich auf der Stelle übergeben. Mein Gesichtsausdruck schien meinen Bruder endlich aus seiner Starre zu lösen, denn mit einem Ruck fasste er Chrystals Finger, ehe sie seine Hose öffnen konnte.
„Wenn du nicht gleich verschwindest, Chrystal, verspreche ich dir, dass du nie wieder einen Fuß in dieses Gebäude setzen wirst." Seine Drohung schien auf taube Ohren zu stoßen
.„Aber Babe, niemand kann dich so sehr befriedigen wie ich. Vor allem kein kleines Mädchen wie sie." Ich würgte theatralisch laut.
Zu viel Info.
Zu viel Kopfkino.
Bäh!
„Jetzt, Chrystal!" Die Dominanz in Blakes Stimme ließ die Hure erstarren. Als wäre ein Schalter in ihr umgelegt wurden, sprang sie auf und lief schnellen Schrittes davon. Verwirrt sah ich ihr nach.
„Du solltest bei Blake in die Lehre gehen, Lijah", murmelte ich gedankenverloren, als mein Bruder plötzlich mit der Faust auf den Tisch vor mir schlug. Erschrocken fuhr ich in mich zusammen, was mich abermals schmerzerfüllt aufkeuchen ließ. Verdammt!
„Jetzt ist keine Zeit für deine große Klappe, Sky. Hast du dich mal angeguckt?!"
„In den letzten Minuten nicht", murrte ich, während ich dem Blick meines Bruders auswich. Schwerer Fehler... Denn das führte meine Augen direkt zu Blake, der die Aufmerksamkeit nutzte und mich näher an sich zog.
„Wo ist Jared?", hörte ich Elijah fragen. Seine Stimme klang eiskalt.
„Zu Hause", entgegnete ich in genau derselben Stimmlage, was Blake dazu veranlasste, mir in die Hüfte zu kneifen. Wütend funkelte ich ihn an, woraufhin er mir nur einen warnenden Blick zuwarf. Alles in mir schrie danach, ihm unzählige Beleidigungen an den Kopf zu werfen, aber trotzdem blieb ich still. Plötzlich wurde mein Gesicht gepackt und im nächsten Moment sah ich meinem großen Bruder direkt in seine wütenden, durchdringenden, blauen Augen
„WO.IST.UNSER.BRUDER?"
Ich schluckte. So zornig hatte ich Elijah schon lange nicht mehr gesehen. Das letzte Mal wohl an dem Abend, an dem er uns – an dem er mich – verlassen hatte. Angst kroch in jede meine Poren, als ich an den letzten Augenblick dachte, an dem wir uns gesehen hatten.
An jedes Wort.
An jede Träne.
An jede Reaktion, die darauf folgte.
An...
„Sky." Erst als ich meinen Blick heben musste, erkannte ich, dass ich ihn gesenkt hatte. Elijahs Blick war weicher geworden und die Anspannung aus seinem Körper gewichen. Sanft lag seine Hand an meiner Wange, während er mit seinem Daumen die Tränen von meiner Wange strich.
Wann zur Hölle hatte ich denn angefangen zu weinen?
Elijah seufzte auf.
„Es tut mir leid." Mein Atem beschleunigte sich, als auf den Lippen meines Bruders ein leichtes Lächeln erschien. „Das damals, kleine Schwester... Das damals war nicht ich."
„Es hat sich aber angefühlt wie du", flüsterte ich nachdenklich. Schon oft hatte ich Jareds Hand an meiner Wange gespürt, aber nur einmal die von Lijah. Einmal, das ich einfach nicht vergessen konnte. Es war nicht der Schmerz, der mir geblieben war. Es war sein Blick gewesen. Die Wärme war daraus verschwunden und hatte den Hass zurückgelassen.
Den unbändigen Hass auf eine verkorkste Familie, die wir einfach nicht hinter uns lassen konnten.
Zumindest damals noch nicht.
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Skylar - Sei mein
RomanceSeit Jahren ist Skylar allein und genau das ist es auch, was sie will. Schließlich hat sie in der Vergangenheit genug durchgemacht, um nicht mehr allzu leicht vertrauen zu können. Doch als endlich alles wieder gut zu werden scheint, taucht ihr Brude...