XLI

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„Nie wieder. Ich sage es dir, nie wieder." 

Seufzend lehnte ich meinen Kopf an die eiskalte Fensterscheibe und beobachtete die vorbeiziehenden Gebäude. Es war eindeutig zu früh am Morgen und ich hatte viel zu wenig geschlafen, um mir Carters Gejammer weiter anzuhören. Was konnte ich denn dafür, dass Blake und Elijah den jungen Mann aus dem Auto gezehrt, durch das Clubhaus geschleift und schließlich für irgendwelche Besprechungen ins Büro gesperrt hatten? Es ging ihm doch gut. Nicht eine Schramme zierte seine weiche Babyhaut. Warum also meckerte er mich schon seit einer halben Stunde voll? Ich war schließlich diejenige, die nun einen Babysitter hatte. Einen jungen Kerl namens Steve, der in mir sicherlich eine Chance sah, sich einen Roadnamen und damit einen festen Platz als Mitglieder der „Black Tiger" zu verdienen. Blake hatte mir erklärt, dass er Steve vertraute und dass er deshalb immer in der Nähe bleiben würde. Das war eine der Bedingungen, unter der ich das Gelände des Clubs und Blakes wachsamen Blick zumindest für meine Schicht im Krankenhaus verlassen durfte. Die zweite war, dass ich mich jede halbe Stunde bei Blake melden musste, um seine Nerven zu beruhigen. Dieses Zeitfenster begann in dem Moment, in dem ich aus Steves Blickfeld verschwand und endete, wenn er mir wieder zurück zum Clubhaus folgte. Am liebsten hätte ich Blake diesen Unfug ausgeredet, aber ich wusste, dass das alles war, was er mir zugestehen würde.

„Sky! Hörst du mir überhaupt zu? Ich hab mir fast in die Hosen geschissen! Ich sollte dich abholen und kein Kreuzverhör mit einem Bikerpräsidenten durchstehen müssen!"

„Das war kein Kreuzverhör, du..."

„Warst du dabei?" Frustriert warf Carter seine Hände in die Höhe. „Sie hätten mich töten können."

„Das hätte ich niemals zugelassen, Carter."

„Du hast auch zugelassen, dass sie mich aus dem Auto schleifen."

„Weil ich sonst gar nicht zur Arbeit gedurft hätte."

„Seit wann lässt du dir denn was sagen? Als Patty dir letztens vorschreiben wollte, welchen Patienten du zuerst behandeln sollst, hast du ihr fast die Augen ausgekratzt." Ich seufzte leise auf.

„Das verstehst du nicht."

„Dann erkläre es mir. Ich finde, das bist du mir schuldig, nachdem ich wegen dir fast verprügelt wurde." Stöhnend verdrehte ich die Augen und schwieg erneut. Nach heute würde Carter wohl keine Möglichkeit mehr für mich sein, um ins Krankenhaus zu kommen. Noch eine von Blakes Bedingungen. Wenn Carter ihm nicht gefiel, würde er mich ab sofort zur Arbeit bringen. Er oder Elijah. Und natürlich hatte Carter ihm nicht zugesagt. Ich hatte auch nichts anderes erwartet

„Das wars, Sky. Ich werde dich nie, nie wieder von diesem Ort abholen."

„Das hast du bereits gesagt."

„Nie wieder, Sky. Ich meine, wer gibt sich schon mit Bikern ab. Du warst zwar schon immer etwas merkwürdig, aber das jetzt? Vergiss es. Nicht mit mir."

„Okay."

„Du brauchst gar nicht betteln. Ich werde nicht mehr deinen Chauffeur spielen."

„Okay."

„Keine Anrufe mehr. Nicht spät. Nicht früh."

„Okay."

„Ich ... Okay?" Ich nickte nur seufzend, ohne Carter auch nur anzusehen. Ich hörte, dass er zu einer erneuten Rede ansetzen wollte, als plötzlich gleißendes Licht neben uns auftauchte. Zu spät begriff ich, was geschehen würde, und auch Carter konnte nichts mehr tun. 

Ein lauter Knall.

Quietschende Reifen. 

Und ein Stoß, der Carters Auto erfasste. 

Ich schrie auf, doch der junge Mann neben mir übertönte meine Stimme bei weitem. Wir wurden in die Luft geschleudert und landeten auf dem Dach, ehe wir ein weiteres Mal herumwirbelten. Scherben flogen durch die Luft, schnitten in meine Haut und klirrten in meinen Ohren. Ich hörte ein lautes Piepen, während mein Bewusstsein darum kämpfte, nicht zu erlöschen. Auf dem Dach blieb das Auto schließlich liegen und es dauerte einige Sekunden, ehe ich mir sicher war, dass ich nicht ohnmächtig werden würde. Nur schwach hörte ich noch das Piepen in meinen Ohren, als ich mich zu Carter umdrehte. Doch während mein Körper schmerzte und Blut aus den unzähligen Schnittwunden lief, hatte es ihn eindeutig schlimmer erwischt.

„Carter?" Meine Stimme klang brüchig. „Carter?" Der junge Mann antwortete nicht. Er hing leblos in seinem Gurt und von der großen Wunde an seiner Stirn tropfte Blut zu Boden

„Scheiße." Steve steckte seinen Kopf durch das Fenster auf Carters Seite. 

„Befrei ihn", befahl ich dem jungen Mann, der sofort zu einer Widerrede ansetzte.

„Ich habe Prez Bescheid gegeben, er wird gleich..." Ein Schuss ertönte. Und ein weiterer. Keine Sekunde später kippte Steve zur Seite. Wieder kreischte ich auf und versuchte, mich aus dem Gurt zu befreien, der mich in meiner Position hielt. Blut rauschte in meine Ohren und die Schmerzen in meinen Gliedern wurden mit jeder Minute schlimmer. Plötzlich wurde Steves lebloser Körper nach hinten gerissen.

„Verdammter Mist", fluchte ich. Das war eindeutig nicht meine Woche. Ich wollte doch einfach nur eine ruhige Schicht. Nerviges Gemecker alter Damen, etwas Kotze und vielleicht ein wenig Streit mit den Kollegen. Nichts Aufregendes. Und vor allen Dingen nichts, was mich in irgendeiner Art und Weise verletzen würde.

„Brauchst du Hilfe, Baby?" Ein Messer tauchte in meinem Blickfeld auf.

Ja, ich hätte einfach im Bett bleiben sollen.

Skylar - Sei meinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt