Mit diesem Gedanken zog Jax mich den Gang entlang und die Treppen hinab in den Barbereich des Clubhauses. Sofort wurde mir schlecht. Ja, so hatte ich es das Bikerleben in Erinnerung. Meine Brüder und auch mein Vater hatten damals alles versucht, um mich von dem hier fernzuhalten, aber es war ihr Leben. Und so konnten sie es nicht verhindern, dass ich ab und zu das sah, was sie eigentlich ausmachte. Drogen lagen in Päckchen oder bereits als Line bereit auf den Tischen, die den hinteren Teil der Bar bildeten. Vor ihnen standen Billardtische und direkt davor und damit vor der Bar und der dazugehörigen Tanzfläche schwarze Ledersofas, von denen einige gerade in Benutzung waren. Ich sah eine Hure, die gerade einem Biker einen Blowjob, der sich dabei auch noch mit seinem Sitznachbarn unterhielt. Auf dem anderen Sofa bewegte sich eine Frau rhythmisch auf dem Schoß eines viel zu alten Bikers auf und ab, während dieser seine Zunge in eine andere steckte. Zwischen diesen Sofas befanden sich Poledance-Stangen, an denen sich halb nackte Frauen rekelten.
„Ich will, dass du nachher für mich tanzt", raunte Jax in mein Ohr und obwohl es mich wohl anturnen sollte, tat es das genaue Gegenteil. Mir wurde eiskalt.
„Ich kann nicht tanzen", murmelte ich leise. Ich hasste es, wie schwach meine Stimme klang. Aber alleine nur der Gedanke daran, dass mich alle hier halbnackt sehen konnten oder Jax vielleicht doch noch auf die Idee kam, mich teilen zu wollen ....
Mir wurde übel.
„Doch, kannst du. Ich weiß, dass du damit einige Zeit Geld verdient hast." Erschrocken fuhr ich zu Jax herum, der mich überheblich angrinste.
„Was... woher...?" Darauf war ich weder stolz, noch hatte ich es aus Überzeugung getan. Ich hatte Geld gebraucht, nachdem erst Dad und dann Jared den Drogen verfallen waren. Bevor ich fest im Krankenhaus angestellt worden war und selbst danach noch hatte ich nie genug Geld und als Tänzerin hatte ich einiges dazu verdienen können. Mit Maske im Gesicht und niemals dazu bereit, mich gänzlich auszuziehen, hatte ich einige Zeit gut leben können. Aber ein paar Männer waren zu übergriffig geworden und mein Chef war nichts als ein Arschloch gewesen. Kurzum, ich hatte den Job aufgegeben und mich lieber wochenlang von Tütensuppe ernährt, statt noch mehr Arschlöcher in meinem Leben zu haben.
„Als ich dich endlich wiedergefunden habe, war es leicht für unseren Technikfreak, dein Leben zu rekonstruieren. Aber als ich gesehen habe, wie du dich vor diesen Männern gerekelt hast..." Jax packte mich an meiner Kehle und zog mich nah vor sein Gesicht. „Ich hätte besser auf dich aufpassen sollen, Baby. Es ist also unser beider Schuld. Aber wenn du jemals wieder auf die Idee kommen solltest, dich zu verkaufen, dann werde ich nicht so nachsichtig sein."
„Ich hab mich nicht verkauft." Wahrscheinlich war es nicht die beste Idee, Jax in diesem Moment zu widersprechen, doch ich konnte einfach nicht schweigen. „Es war nur tanzen. Nie mehr."
„Zum Glück", knurrte Jax leise. „Denn glaub mir, ich würde jeden Kerl finden und ihm sein armseliges Würstchen abschneiden, wenn er dir damit auch nur zu nahe gekommen wäre." Ich schluckte.
„Du sorgst dich um mich?" Jax Griff wurde lockerer, ehe er sich nach vorne beugte und mich küsste. Der Kuss war sanft und voller Emotionen und doch fühlte er sich falsch an. Jax war nicht das, was ich für ihn zu sein schien. Und das konnte er auch niemals sein. Blakes Bild tauchte vor mir auf. Verdammt. Dieser Biker hatte es tatsächlich geschafft, sich in meine Gedanken zu stehlen. Er war derjenige, bei dem ich mich sicher und geborgen fühlte. So ungern ich es auch zugab.
„Natürlich sorge ich mich, Baby. Du bist mein." Selbst das klang einfach nur falsch.
„Lass mich gehen, Jax. Bitte." Anstatt mir eine Antwort zu geben, schnaubte Jax auf und fuhr herum. Harsch klopfte er an eine Tür neben der Theke, aus der sogleich eine dunkle Stimme ertönte. Ohne weitere Umschweife öffnete Jax die Tür und schubste mich vor sich hinein. Wir befanden uns in einem Büro. Graue Wände begrüßten uns ebenso wie eine weitere Ledercouch sowie ein schwerer Schreibtisch aus dunklem Holz, der vor einem paar großer Fenster stand. Sie waren sicherlich kugelsicher, ansonsten hätte der Mann, auf dessen Weste „President" gedruckt war, nicht dort gesessen. Ich schätzte ihn auf Anfang sechzig. Er hatte seine langen, weißen Haare hochgebunden und seinen farblich passenden Bart geflochten, sodass er in einem etwa fünf Zentimeter langen Zopf von seinem Kinn hinab hing. Er war muskulös und für sein Alter sicherlich attraktiv. Als er nun seinen Kopf hob und mich mit seinen blauen Augen sorgsam musterte, bestätigte sich meine Annahme nur noch.
„Das ist sie?" Obwohl er mich ansah, sprach er mit Jax.
„Das ist sie, Prez", erwiderte dieser stolz, während er seine Arme um meine Schulter schlang. „Das ist Sky. Meine Old Lady." Ich sagte nichts. Irgendetwas an der Erscheinung des Prez schüchterte mich ein und doch kam er mir bekannt vor.
Hatte ich ihn schon einmal gesehen?
„Das behauptet Alpha auch."
Alpha.
Blake.
Beinahe hätte ich Erleichterung verspürt allein bei der Erwähnung seines Namens.
„Er hat angerufen und mit Krieg gedroht. Er will sie zurück."
„Er bekommt sie nicht", knurrte Jax. Sein Griff wurde fester. War es so einfach? Würde Prez mich gehen lassen, weil Blake ihm drohte. Vielleicht ... was konnte ich einem Bikerpräsidenten schon wert sein.
„Ich soll meine Männer für sie opfern?" Prez warf einen weiteren prüfenden Blick auf mich.
„Auf keinen Fall", erwiderte ich schließlich, woraufhin Jax von hinten seine Hand auf meinen Mund schlug.
„Sie ist mein", fauchte er. „Ich habe sie mir verdient." Prez Blick durchbohrte mich und ich hoffte, dass er meine Verzweiflung sah. Ich wollte nicht hier sein. Jax hatte mir gedroht und mich entführt und eben hätte er sich beinahe alles von mir genommen. Das konnte einfach nicht mein Schicksal sein.
„Der Club steht über allem." Allein dieser Satz sorgte für Gänsehaut auf meinem Körper. Das hatte mein Vater auch immer gesagt. Und es auch so gemeint.
„Das tut er", bestätigte Jax. „Und sie ist Club."
„Aber nicht unserer", erwiderte Prez nachdenklich.
„Außer ich beanspruche sie für mich." Ich zuckte zusammen.
Nein.
„Ist sie dir so viel wert, Reaper?" Prez erhob sich und kam langsam auf mich zu. „Wenn du dort draußen deinen Schwanz in sie steckst, werden die Männer jubeln. Aber sie werden auch deshalb kämpfen müssen."
„Das ist unsere Art zu leben, Prez." Kaum dass Jax das ausgesprochen hatte, erschien auf dem Gesicht des alten Mannes ein Grinsen. Nein. Von ihm konnte ich auch keine Hilfe erwarten. Und als ob er darauf gewartet hatte, dass die Hoffnung in meinen Augen erlosch, lachte Prez laut auf. Keinerlei Emotion lag darin außer Hohn.
„Dann sei es so, Reaper." Prez nickte grinsend. „Führe uns in den Krieg."
„Es ist mir ein Vergnügen", hauchte Jax in mein Ohr, als er seine Hand um meine Hüfte schlang. Die Gänsehaut, die dadurch entstand, schenkte ihm spürbar Genugtuung, während sie für mich nur eines bedeutete...
Purer Horror.
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Skylar - Sei mein
RomanceSeit Jahren ist Skylar allein und genau das ist es auch, was sie will. Schließlich hat sie in der Vergangenheit genug durchgemacht, um nicht mehr allzu leicht vertrauen zu können. Doch als endlich alles wieder gut zu werden scheint, taucht ihr Brude...