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Kian

Stumm folgte ich meinem Vater durch die Flure des Palastes. Seine Schritte waren schnell und rhythmisch. Obwohl ich größer war als er, lief er immer ein paar Meter vor mir und ich schaffte es nicht aufzuschließen.

Unser Weg führte zu Charlies Gemach. Ohne zu zögern, öffnete mein Vater die und trat ein. Ich folgte ihm.

Die Szenerie der nächsten Sekunde war überwältigend: Charlie und Austin brüllten einander an. Boris lag in Charlies Bett, Alica und Silas saßen daneben, auf je einer Seite von ihm. Und uns, meinen Vater und mich, bemerkte keiner.

Ich war perplex. Das letzte, womit ich gerechnet hatte, war Silas anzutreffen. Ich fragte mich, wie er hierhergekommen war, wie er es geschafft hatte, durch den Schutzwall zu kommen und wie ich ihm gegenübertreten sollte, nachdem er meine Versuche, ihn zu kontaktieren, so vehement abwehrt hatte.

Ich hörte Silas brummen: „Fuck, das reicht jetzt."

Kurz danach stampfte er entschlossen auf Charlie und Austin zu. Sie waren gerade dabei, einander an den Kragen zu gehen. Charlie hatte sogar schon die Krallen ausgefahren. Das hielt Silas nicht davon ab, ihn kraftvoll von Austin wegzustoßen und sich ihm in den Weg zu stellen, als er erneut auf ihn losgehen wollte.

„Ich habe genug von eurem Gestreite!", brüllte er. „Ihr hört jetzt auf, euch die Köpfe einzuschlagen und sagt mir, wie wir Boris helfen können! Wenn ich noch länger dabei zusehen muss, wie es ihm schlecht geht, fange ich an, eure hässlichen Gesichter gegen jeden verfickten Stein dieses dämlichen Palasts zu donnern, solange, bis ihr mir sagt, was verdammt nochmal hier los ist und wie wir was dagegen machen können! Danach könnt ihr euch meinetwegen in Stücke reißen!"

Auf seine Schreie folgte betretene Stille. Nur noch Boris rührte sich. Obwohl er nicht bei Bewusstsein war, konnte man deutlich erkennen, dass er litt. Man sah es daran, wie er schmerzerfüllt das Gesicht verzog, man hörte es an seinen gepressten Tönen und man spürte es, wenn man ihn ansah.

Ich vergaß, dass mein Vater neben mir stand. Er wurde plötzlich so unwichtig, als ich mir vorstelle, wie es in Silas aussehen musste.

Die leise Nennung seines Namens reichte, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Er drehte sich zu mir. Sein finsterer Blick wurde sofort weicher.

Er begann mit dem Kopf zu schütteln, ging langsam auf mich zu und deutete dabei auf Boris. „Schau ihn dir an. Ich habe keine Ahnung, was mit ihm los ist. Er hat nach Austin verlangt. Aber Charlie will ihn nicht zu ihm lassen und ich weiß einfach nicht weiter."

„Schon gut, Silas. Wir kriegen das hin."

Sein Blick haftete weiterhin auf seinem Cousin. Er sah verzweifelt aus. So als würde er jeden Moment zerbrechen. Aber das würde ich nicht zulassen, niemals.

Ich schaute zu Charlie und Austin, konnte nicht fassen, dass ihnen ihre Streitigkeiten wichtiger waren als Boris' Gesundheit. Das mussten sie in meinem Blick erkennen.

„Charlie lässt mich nicht zu ihm!", rief Austin sofort verteidigend.

„Verdammt, Austin, du kannst ihm nicht helfen!"

„Ich habe Heilkräfte, natürlich kann ich ihm helfen! Deine Eifersucht macht dich blind!"

Sie fingen wieder zu streiten an.

„Schau", Silas Blick fiel nach unten, erschöpft und kraftlos, „sie hören einfach nicht auf."

„Ich kümmere mich darum."

Mir fiel auf, dass Silas ruhiger geworden war, seit ich eingetroffen war. Sein Brustkorb hob und senkte sich etwas langsamer und seine Haltung war weniger angespannt. Als er den Blick hob, um mich anzusehen, erkannte ich sogar den schwachen Schimmer von Hoffnung in seinen Augen. Nur kurz. Dann verzog er das Gesicht. Ich folgte seiner Blickrichtung und erkannte meinen Vater, der sich über Boris gebeugt hatte und an ihm roch.

Erwacht - BlutlustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt