Silas
Die gesamte Nacht über lagen Kian und ich nebeneinander. Am Rande bemerkte ich, wie es im Palast abends ruhiger wurde und die Stille morgens ein Ende nahm. Jedes Mal, wenn wir Schritte aus dem Flur hörten, verschwanden wir unter der Bettdecke und bildeten uns sein, unsichtbar zu werden, sodass uns nichts und niemand voneinander trennen konnte.
Kian strahlte förmlich. Bis jemand kräftig an die Tür hämmerte und nach seiner Aufmerksamkeit verlangte. Zunächst ignorierte er es und deutete mir, still zu sein. Doch das Klopfen wurde lauter und drängender und ich sah mich dazu verpflichtet, ihn zu seiner Reaktion aufzufordern.
Er verdrehte die Augen, schnaubte leicht und kam aus unserem Versteck hervor. „Was ist?!"
„Euer Vater möchte Euch sprechen. Ihr sollt Euren Gast mitbringen."
Auch ich streckte meinen Kopf aus der Decke und warf Kian einen fragenden Blick zu. Ich glaubte kaum, dass wir Ärger mit dem König bekommen würden, weil wir die Nacht gemeinsam im Bett verbracht hatten. Wir hatten ja nichts Verbotenes getan. Trotzdem klang es so als würde uns Ärger bevorstehen.
Kian brachte in Erfahrung, wo wir hinkommen sollten. Dabei stand er auf und verschwand in seinem Ankleidezimmer. Als er zurückkam kam, warf er mir wortlos Klamotten zu.
Ich hatte ihm schon oft mehr oder weniger auffällig beim Umziehen zugesehen. Diesmal waren wir nicht von pubertären Idioten umgeben, die jeden Blick von mir blöd kommentieren würden. Nichts hielt mich davon ab, ihn scharmlos anzustarren. Nicht mal, dass er es bemerkte.
„Spanner", schmunzelte er und zog mir mit einem Ruck die Bettdecke vom Leib. „Zieh dich bitte um. Mein Vater wartet nicht gerne."
„Euer Wunsch sei mir Befehl."
Ich schlüpfte in einen dunkeln Pullover und schob die Ärmel bis zu den Ellenbogen nach oben, da sie meine Arme sonst verschluckten. Dann begutachtete ich die Hose, die Kian mir leihen wollte, und warf ihm einen vielsagenden Blick zu. Entweder er hatte nicht mitbekommen, dass ich kleiner war als er oder er wollte, dass mir vor dem König die Hosen runterrutschten. Jedenfalls griff ich zu der Jeans die ich gestern angehabt und dann durch eine Jogginghose von Kian ersetzt hatte.
Als ich mich fertig bekleidet zu ihm drehte, fiel mir auf, dass er mich ebenfalls beobachtet hatte.
„Spanner."
Er grinste bloß und ging zu seiner Zimmertür, um sie mir aufzuhalten. Seine Verlegenheit entging mir nicht.
Kalter, lebloser Stein umzingelte uns auf den langen Fluren. Egal, wo man hinsah, man fand nur hartes Gemäuer und gähnende Leere. Jeder unserer Schritte hallte, begleitet von dem Jaulen der Winde, zwischen den Wänden umher.
Ich fragte mich, wie man einen Ort wie diesen sein Zuhause nennen konnte. Außer Kian fand ich hier nichts, dank dem man sich ansatzweise wohlfühlen konnte. Schon nach wenigen Metern hatte ich die Orientierung verloren. Wir konnten gerade so gut das gesamte Schloss durchquert haben wie ein Mal im Kreis gelaufen zu sein. Für mich sah hier alles gleich aus.
Knapp neben Kian hielt ich. Ich hatte nicht ahnen können, was für sein seltsames Bild sich mir hinter der Tür, an die er klopfte, bieten würde: Der König saß an einer runden Tafel. Um ihn herum Alica, Maddy, meine Oma und eine mir unbekannte Person.
Kian und ich setzten uns nach der Aufforderung des Königs dazu. Es dauerte keine Minute, bis ich erfahrne hatte, dass meine Oma mit dem Waffenmeister des Hofes vertraut war. Er war der alte Freund, mit dem sie sich gestern getroffen hatte und er hatte ihr nachts, als er von unserer Anwesenheit im Palast erfahren hatte, mitgeteilt, wo wir waren und sie hergebracht.
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Erwacht - Blutlust
ParanormalNach Jahrhunderten des Krieges soll nun endlich Frieden herrschen. Als Prinz macht Kian es sich zur Aufgabe, die Weichen für eine Zukunft zu stellen, in der sein Volk und die Menschen gewaltlos zusammenleben. Zu seiner Unerfahrenheit und den hartnäc...