Silas
„...Hoffentlich merkt keiner, dass ich ihr auf den Hintern starre. Aber der ist nun mal echt heiß, vor allem, wenn sie läuft. Diese Hose steht ihr einfach perfekt..."
„...dann Training, dann endlich ein paar Pornos reinziehen. So Schüler-Lehrerin wäre geil. Passt ja heute zum Anlass..."
„Fuck, dieses Jahr muss ich echt gut mitmachen, ich darf meinen Abschluss nicht nochmal verhauen. Mein Dad bringt mich sonst um..."
Ohne den Tod macht sich niemand Gedanken über die Bedeutung des Lebens. Keiner fragt sich Wieso bin ich hier? Wie werde ich in Erinnerung bleiben? Wer wird mich vermissen? Keiner versucht einen Sinn zu finden, hinter dem mehr steckt als die bloße Existenz. Aber zu wissen, dass alles ein Ende hat, und wie plötzlich dieses kommen kann, treibt uns dazu an, nach Erfüllung zu streben. Nach Glück.
Die Vorstellung, eines Tages lächelnd die Augen zu schließen und bereit dafür zu sein, was auch immer nach dem Sterben auf uns zukommt hat mit der Realität allerdings wenig zu tun. In Wahrheit kommt der Tod oft früher als uns lieb ist und wir schaffen es nicht, Dinge zuende zu bringen, mit allem abzuschließen oder uns zu verabschieden. In Wahrheit sind wir machtlos. Und wir versuchen der Angst davor durch die Illusion von Kontrolle entgegenzuwirken. Wir schmieden Pläne, stecken uns Ziele und reden uns ein, was wir tun sei von Belang. Wir könnten etwas bewirken, uns würde durch unsere Bemühungen etwas zustehen und es gäbe irgendjemanden oder irgendetwas, sei es ein Gott, Karma oder ein kosmisches Gleichgewicht, der oder das für Gerechtigkeit sorgt.
Mit 17 Jahren glaubte ich, alles durchschaut zu haben. Das Leben hatte mich dermaßen verdroschen, dass ich monatelang am Rande eines K.O.'s kauerte und ich wartete nur darauf, dass es den letzten vernichtenden Schlag landen würde. Womöglich sehnte ich ihn sogar herbei. Für mich war es hirnloser Optimismus, sich einzubilden letztendlich für alles, was man gegeben und verloren hatte, entschädigt zu werden. Es war zwecklos zu versuchen, alles richtig zu machen. Nach jedem Schlag aufzustehen und weiter zu kämpfen.
Damals hatte ich keine Sekunde damit verschwendet, an so etwas wie Schicksal oder Bestimmung zu glauben. Ich verschloss meine Augen vor der Tatsache, dass ich anders war. Dass ich besonders war. Dass ich etwas verändern konnte. Ich war ein Außenseiter, der sich jeden Tag wünschte, den nächsten nicht mehr erleben zu müssen. Ich hatte keine Pläne für die Zukunft oder Träume, an denen ich festhielt. Nichts, das mich antrieb. Kaum etwas, das mir wichtig war. Doch was ich hatte, liebte ich von ganzem Herzen.
Meine Familie musste mir ansehen, wie ich mich fühlte. Der Verlust meines Vaters hatte uns alle schwer getroffen. Aber keiner von ihnen ahnte, wie es wirklich in mir aussah und ich tat mein Bestes, es zu verbergen.
Boris, mein Cousin, stand mir am nächsten. Nachdem er, seine Schwester Alica und ich bei unserer Großmutter eingezogen waren, waren wir unzertrennlich geworden.
Er war der einzige, der wusste, dass ich begonnen hatte, die Gedanken der Leute um mich herum zu hören und Rückzug als einzige Möglichkeit sah, durch den Tag zu kommen. Und er stand mir bei. Er recherchierte im Internet nach Erklärungen und Lösungen, hielt mich von Leuten fern, deren Gedanken mich besonders belasteten, und bot mir einen Ausweg: Wenn mir alles zu viel wurde, durfte ich mich nur auf ihn konzentrieren. Jedoch durfte ich ihn nie damit konfrontieren, was in ihm vor sich ging, oder mit irgendwem darüber sprechen.
Das schweißte uns zusammen. In der Schule lenkte ich mich gerne mit seinen Gedanken an Videos von süßen Tierbabys ab, wenn ich nicht grade Musik hörte und mich in meinem viel zu großen Hoodie vergrub.
Nach sechs Wochen totaler Isolation hatte ich an Form verloren. So erfuhr ich unfreiwillig davon, dass meine Cousine gedanklich von dem Hintern ihrer besten Freundin schwärmte; dass Greg weiterhin Opfer seiner übermächtigen Pornosucht war; und dass Matze beschlossen hatte, nach den zwei fehlgeschlagenen Versuchen der letzten Jahre, tatsächlich in die Schule zu gehen, um sein Abitur zu bestehen.

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Erwacht - Blutlust
ParanormalNach Jahrhunderten des Krieges soll nun endlich Frieden herrschen. Als Prinz macht Kian es sich zur Aufgabe, die Weichen für eine Zukunft zu stellen, in der sein Volk und die Menschen gewaltlos zusammenleben. Zu seiner Unerfahrenheit und den hartnäc...