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Kian

Mein Vater ging auf keine meiner Bitten, Fragen oder Aufforderungen ein. Ich hetzte ihm hinter, ohne zu bemerken, dass er die Trainingshalle anpeilte und find den Eisenstab, den er mir aus heiterm Himmel zuwarf, reflexartig auf.

„Dein Freund muss lernen, wie er sich zu benehmen hat."

Mir war klar, dass Silas bewusst nicht auf den gebührenden Anstand geachtet hatte und wer ihn kannte, wusste, er war der letzte, der sowas wie Unterwürfigkeit vorheucheln würde. Bevor ich ging musste ich mit ihm über sein Auftreten meinem Vater gegenüber sprechen. Ich wollte nicht aus Jaynas Reich zurückkehren und erfahren müssen, dass mein Vater ihn in den Kerker gesperrt hatte, weil er sich nicht zu beherrschen wusste.

„Ich werde mit ihm darüber reden", versicherte ich meinem Vater. „Kannst du mir jetzt sagen, was du vorhin mit ihm gemacht hast? Das sah nicht schmerzfrei aus."

Er bewaffnete sich ebenfalls.

„Ein alter Freund von mir hat mich gelehrt, mein Bewusstsein vor dem Einfluss von Druiden zu schützen. Silas ist stark. Kurz dachte ich, der Schutz würde bei ihm keine Wirkung zeigen. Wer weiß, was mit dem richtigen Training aus ihm werden kann."

Ich wurde nicht schlau aus meinem Vater. Im einen Moment warf er Silas abwertende Blicke zu und im nächsten sprach er in höchsten Tönen von ihm.

„Also hast du ihm nicht absichtlich wehgetan?"

„Es ist ein Selbstschutzmechanismus. Solange er nicht in meinen Gedanken herumstöbert, wird dieser nicht aktiviert."

„Das ist seine Kraft." Erst da begriff ich es: Silas konnte Gedanken hören.

„Kannst du dir vorstellen, was Boris und Alica für Kräfte haben?"

Ich schüttelte den Kopf. „Aber, wenn wir in Jaynas Reich nach den Druiden gesehen haben, kann ich versuchen, welche von ihnen davon zu überzeugen, mit zu uns zu kommen. Dann können sie von ihnen lernen."

„An sich eine gute Idee. Aber wie willst du auf der Reise ihre Sicherheit garantieren? So wie du dastehst, kannst du nicht mal dich selbst verteidigen."

Ich sah überprüfend an mir herab. „So kämpfe ich immer mit Charlie. Der hat sich noch nie darüber beschwert."

Mein Vater murmelte: „Was hat dieser Idiot dir nur beigebracht?"

Er machte eine einzige Bewegung, dann schlug ich mit dem Rücken auf dem Boden auf und spürte, wie die Luft beim Aufprall aus meinen Lungen gepresst wurde.

„Aua."

Er sah mir dabei zu, wie ich mich mühevoll aufrappelte und positionierte meine Gliedmaßen dann so, wie er es sich vorstellte.

„Ein Standbein, ein Stützbein", erklärte er. „So hat Charlie es mir damals gezeigt. Und das hat sich über Jahrhunderte bewährt."

Ich betete innerlich, mir jetzt nicht eine seiner Kriegsgeschichten anhören zu müssen. Da waren mir sogar seine Vorwürfe lieber.

„Charlie ist ein guter Lehrer. Du scheinst ein unaufmerksamer Schüler zu sein."

„Ich gebe mir Mühe", widersprach ich. „Aber Charlie kann echt viel reden und-"

Mitten in meinem Satz schlug mein Vater mir wieder gegen die Beine. Diesmal knickte ich zwar leicht an, aber das war eher meiner Überraschung geschuldet als mangelnder Standfestigkeit.

Ein Ausdruck der Zufriedenheit ergriff sein Gesicht. „Siehst du?"


Ich lernte an diesem Vormittag einiges über das Kämpfen. Verteidigung, Angriff, Ausdauer, Kraft... Als mein Vater das Ganze beenden wollte, schlug ich ihm einen Abschlusskampf vor.

Erwacht - BlutlustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt