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Silas

Es vergingen Stunden, bis Charlie mit der Behandlung anfangen konnte. In der Zeit stellte er alles auf den Flur, was er nicht gebrauchen konnte und holte alles rein, was er brauchte. Als er damit fertig war, sah sein Gemach aus wie ein Krankenzimmer. Richtig trostlos. Das einzige, was diesem Bild einen Abbruch tat, war das Piano mitten im Raum.

Alica saß in einem gepolsterten Sessel, während Charlie ihr Blut abnahm. Er hatte sie darüber aufgeklärt, dass er mehr brauchte als bei einer herkömmlichen Blutspende zugelassen, überwache ihre Kondition aber mit seinem Gehör und stelle so sicher, sie nicht in Lebensgefahr zu bringen.

„Wieso sieht es so aus als wüsstest du genau, was du da tust?"

„Ich habe einige Male Medizin studiert", antwortete Charlie, mit konzentriertem Blick auf Alicas Arm. „Sowohl an menschlichen Universitäten als auch bei uns."

„Nicht unbedingt, was ich mit der Ewigkeit anfangen würde, aber okay."

Auf die Frage, wie alt er sei, antwortete er nicht. Stattdessen klärte er sie darüber auf, dass sie sich in nächster Zeit etwas schwach fühlen würde und sie eine Weile sitzen bleiben solle, damit ihr Kreislauf nicht nachgab. Den Sessel, in dem sie saß, schob er zum Bett, damit Alica wieder näher bei Boris und mir sein konnte.

„Es ist seltsam", meinte sie nach einem langen Blick auf ihren Bruder. „Er wirkt irgendwie friedlich."

Ich nickte. „Er ist ruhiger geworden. Vielleicht hat er mitbekommen, dass wir eine Lösung haben."

Die Tür öffnete sich ständig, wenn Austin reinkam und neue Sachen brachte. Diesmal hatte er Maddy im Schlepptau. Sie informierte sich über Boris' Lage, entschuldigte sich dafür, dass sie nicht früher hatte da sein können und fragte, wie sie sich nützlich machen konnte.

Nach meinem Anruf hatte es nur wenige Minuten gedauert, bis Charlie vor unserer Tür gestanden hatte. Er hatte sich Boris angesehen und beschlossen, ihn mitzunehmen. Natürlich hatten wir sofort protestiert und uns geweigert, ihn alleine zu lassen.  Charlie das schnell eingesehen und uns dazu aufgefordert, ihm zu folgen. Ich wusste, dass wir in den Wald gegangen waren, aber daran, wie wir von dort in den Palast gekommen waren, konnte ich mich nicht erinnern.

Charlie uns gerade ein weiteres Mal, was genau er mit Boris vorhatte, als Kian sich still zu mir setzte.

Ich wusste nicht, was ich mit ihm anfangen sollte. Zurücklächeln, ihn abweisen, von ihm wegrutschen. Also tat ich nichts und hörte Charlie weiter zu.

„Ich brauche dann jetzt etwas Ruhe, um weiter zu machen. Kian und Maddy bringen euch raus."

Die beiden waren dazu bereit, Charlies Kommando umgehend zu folgen. Alica und ich nicht.

„Was, wenn du plötzlich Lust auf Blut bekommst?" Alica verschränkte entschlossen die Arme. „Wer hält dich dann davon ab, ihn auszusaugen?"

„Ihr könntet das ohnehin nicht. Abgesehen davon habe ich seit Jahrhunderten kein Menschenblut mehr getrunken und auch absolut kein Verlangen danach."

Meine Cousine und ich sahen einander an und beschlossen einvernehmlich, dass das nicht reichte, um das Feld zu räumen. Charlie erkannte das.

„Ich will genauso wie ihr nur das Beste für Boris. Deshalb brauche ich meine ganze Konzentration und mich dabei von euch misstrauisch beäugen lassen zu müssen, ist eindeutig kontraproduktiv. Ihr könnt in ein paar Stunden wieder zu ihm."

Mein Verstand meldete sich zu Wort. Er machte mir klar, dass es am besten wäre zu tun, was Charlie verlangte. Er wollte Boris helfen. Seinem Gefährten, für den er alles stehen und liegen gelassen hatte, als er erfahren hatte, dass es ihm nicht gut ging. Seinem Gefährten, der im Glauben der Erwachten einen Teil vom ihm war. Den schönsten und wertvollsten Teil, den man verehren, lieben und schützen sollte. Den Teil, der einen lebendig machte.   

Erwacht - BlutlustWo Geschichten leben. Entdecke jetzt