Der Notfallkontakt

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Nach etwa einer Stunde Fahrt erreichten wir das nächstgelegene Krankenhaus von Weston.

"Stell dich auf den Parkplatz!", forderte Jake mich auf.

"Vielleicht finde ich einen näher am Eingang."

"Das dauert zu lange Lea, zu Fuß sind wir schneller."

Also nahmen wir den erstbesten Parkplatz und spurteten zum Krankenhaus.

Im Wartebereich, der Notaufnahme, wartete Johnny bereits auf uns.

"Danke, dass du dich sofort gemeldet hast. Wo haben sie ihn hingebracht?", fragte Jake, während er Johnny kurz mit einem Faustcheck begrüßte.

"Auf die Intensivstation.", er deutete auf die Frau an der Anmeldung.

Jake hastete an Johnny vorbei und schliff mich an meiner Hand hinter sich her.

"Wir müssen zu Arthur James, er wurde eben eingeliefert."

"Sind sie ein Angehöriger?"

"Nein, ein Freund."

"Dann können wir sie nicht durch lassen."

"Er ist Herr James Notfallkontakt, Jake Andrews.", warf Johnny, über Jakes Schulter guckend, ein.

"Ach so, dann brauchen wir einmal ihren Ausweis bevor sie rein können."

"Sie gehört zu mir.", Jake deutete auf mich und zeigte der Dame seinen Ausweis.

"Tut mir Leid. Wir dürfen niemanden sonst zu ihm lassen.", wandte die Frau hinter der Glasscheibe ein und ich sah wie augenblicklich Zorn in Jakes Augen aufstieg.

"Ist schon gut Schatz, geh! Ich werde mit Johnny hier warten.", besänftigte ich ihn, bevor er der Frau etwas womöglich bösartiges entgegnen konnte.

Jake nickte dankend und gab mir einen schnellen festen Kuss, ehe er durch die Tür zur Intensiv verschwand.

"Hi erstmal Johnny.", ich drückte ihn fest an mich.

"Hey Lea."

"Was ist passiert? Wir waren letzte Woche noch bei ihm, da ging es ihm noch gut."

"Er muss wohl gestern Abend bei der letzten Gassi Runde gestürzt sein. Pancho irrte alleine und winselnd durch die Straßen. Davon wurde ich wach. Als ich ihn draußen sah bin ich sofort raus. Dann hat er mich zu Arthur geführt. Ich habe euch direkt angerufen, während ich auf den Krankenwagen gewartet hab."

"Der Arme hat die ganze Nacht draußen gelegen?", fragte ich entsetzt.

Johnny nickte bestätigend. "Bei den Temperaturen sagten die Sanitäter wäre es Glück, dass er überhaupt noch gelebt hat als ich ihn fand. Sie versuchen zwar alles, denken aber nicht, dass er es schaffen wird. Sein Herz ist zu schwach."

"Ohje, hoffen wir das Beste."

"Mach dir nicht zu große Hoffnungen, er sah wirklich schlecht aus, als ich ihn fand.", Johnny schnaufte aus. "Sollen wir vielleicht in die Cafeteria gehen? Du hast bestimmt noch nichts gefrühstückt."

"Nee, ich würde jetzt eh nichts runter kriegen.", ich schüttelte verneinend den Kopf. "Ich will hier sein, wenn Jake raus kommt. Er sollte wirklich nicht alleine sein, wenn Arthur es nicht schaffen sollte."

"Ist wahrscheinlich besser so, er bedeutet ihm wirklich viel.", entgegnete er verständnisvoll. "Ich werde mir schnell einen Kaffee holen gehen, soll ich dir einen mitbringen?"

"Das wäre lieb."

Er nickte und machte sich auf den Weg zur Cafeteria.


Johnny war schnell zurück und setzte sich wieder zu mir. "Hier dein Kaffee."

"Danke Johnny. Sag mal, wo ist Pancho jetzt eigentlich?"

"Hatte ne Freundin angerufen, die ihn bei mir ins Haus gebracht hat."

"Ach so, ne Freundin also?", hakte ich schmunzelnd bei ihm nach.

"Ja, eine Freundin Lea."

"Eine Freundin die deinen Schlüssel hat?"

"Ersatzschlüssel, für Notfälle."

"Den hat Jake doch."

"Der ist aber viel unterwegs."

"Hat die Freundin etwa die Nacht bei dir verbracht? Sonst hättest du sie doch bestimmt nicht so früh aus dem Bett geklingelt."

"Du nervst."

"Los, sag schon!"

"Ja hat sie, erzähl Jake aber bitte nichts davon."

"Warum nicht?"

"Weil es noch frisch ist und wir erstmal sehen wollen wo es hinführt, bevor wir es an die große Glocke hängen."

"Jake würde sich sicher für dich freuen."

"Jake weiß aber auch, dass ich bisher nie der Typ für etwas festes war und seitdem er mit dir zusammen ist, hat er sich ganz schön gedreht. Er wird es sicherlich nicht gut finden, wenn ich es verbocke und wieder einer Frau das Herz breche."

"Okay, bleibt unser kleines Geheimnis, aber ich will die erste sein die sie kennenlernen darf.", zwinkernd hielt ich ihm meinen kleinen Finger hin.

"Na gut. Abgemacht.", Johnny verschränkte seinen kleinen Finger mit meinem und besiegelte unseren Schwur.

"Scheiße! Ich habe ganz vergessen Jakes Termin heute abzusagen.", fiel es mir nach langem schweigsamen Warten auf mal ein.

"Keine Sorge Lea, habe ich alles schon erledigt, während ich hier auf euch gewartet habe."

"Danke...", ich blickte irritiert auf als plötzlich ein Arzt an uns vorbei, durch die Tür zur Intensivstation hinweg raste.

"Johnny, ich habe ein ungutes Gefühl, das kann nichts gutes bedeuten."

Johnny nahm beistehend meine Hand. "Das muss nichts heißen Lea." 

Nach etwa zehn Minuten wortlosem Tür anstarren, öffnete sie sich. 

Jake kam mit gesenktem Kopf von der Intensivstation und sein Gesicht sprach Bände. Ich löste mich aus Johnnys Hand und lief zu ihm, um ihn zu umarmen. Er legte seine Hand in meinen Nacken und zog mich fest an sich. Sein Gesicht vergrub er in meinen Haaren, ehe er zu weinen anfing. Ich spürte, dass er etwas sagen wollte, doch der Kloß in seinem Hals saß zu tief.

"Du musst nichts sagen, wir sind hier. Es tut mir so Leid mein Schatz."

"Danke.", brachte er leise stotternd heraus und drückte mich noch fester an sich.

"Möchtest du dich etwas setzen?"

Jake schüttelte schluchzend den Kopf.


"Sollen wir fahren?", fragte ich vorsichtig, nachdem sein Schluchzen allmählich nachgelassen hatte.

Er nahm sich einen kurzen Moment um sich etwas zu sammeln, bevor er antwortete. 

"Ja bitte, ich muss hier raus."

Ich nahm sein Gesicht in meine Hände, als er es aus meinen Haaren löste und wischte ihm behutsam die Tränen von seinen Wangen. Jake sah mir mit feuchtem, traurigem Blick in die Augen, strich mir ebenfalls meine mitfühlenden Tränen aus dem Gesicht und gab mir einen leiderfüllten, festen Kuss.

Als wir uns voneinander gelöst hatten, kam Johnny auf uns zu und nahm Jake tröstend in den Arm. "Tut mir Leid Jake. Ihr könnt heute Nacht gerne bei mir bleiben."

"Danke Johnny.", erwiderte Jake und unterdrückte sich weitere Tränen.

Dann gingen Jake und ich Arm in Arm, stillschweigend, gemeinsam mit Johnny zum Auto und fuhren Richtung Weston.

Duskwood - breaking wallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt