Letzte Chance

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---Jake---

"Jake, Schatz? Das Frühstück ist fertig. Los aufstehen, du musst zur Schule.", rief meine Mum bevor sie mein Zimmer betrat. "Hast du etwa wieder die ganze Nacht vor dem Ding gesessen?"

Das 'Ding' von dem sie sprach war mein Laptop und JA, ich hatte die ganze Nacht davor verbracht, genau genommen sogar die vollen, letzten vier Tage. Ritalin verhalf mir dazu, mir ohne Probleme, die Nächte um die Ohren zu schlagen.

"Ich will da nicht hin!", erwiderte ich ohne meinen Blick vom Laptop zu wenden.

"Jake, dein Direktor hat mich gestern wieder angerufen, er gibt dir eine letzte Chance, weil er meint du hättest Potential. Wenn du aber noch einmal schwänzt bleibt ihm keine andere Wahl, als dich der Schule zu verweisen."

Dass die Schulen ihre Anwesenheitslisten immer noch in Klassenbüchern führten, anstatt digital auf einem Server, brach mir so langsam das Genick. Freddy hatte mich sonst als anwesend eingetragen, weil ich ihm seine Mathehausaufgaben machte. Naja, bis der Lehrer ihn dabei erwischte, da war dann Schluss mit eine Hand wäscht die andere.

"Muuum...", jammerte ich.

"Keine Widerrede, komm jetzt frühstücken!"

Genervt klappte ich meinen Laptop zu, ließ ihn in meinen Rucksack gleiten und folgte meiner Mum in die Küche unserer Zweizimmerwohnung.

Während ich über die Rühreier meiner Mum herfiel, meine Mum macht einfach die besten Rühreier zum Frühstück, starrte sie mich mit besorgten Augen an.

"Was ist Mum?"

"Jake ich mache mir Sorgen um dich."

"Musst du nicht, mir geht es gut.", erwiderte ich augenrollend.

"Du verschließt dich vor mir, du verbringst nie Zeit mit Freunden und vergeudest deine Zeit ständig vor diesem ollen Ding."

"Das ist ein Laptop Mum. Und natürlich verbringe ich Zeit mit Freunden."

"Online eure blöden Computerspiele zocken oder chatten zählt nicht. Geh raus und triff dich mit ihnen. Du kannst nicht ständig in der Bude hocken."

Zocken und chatten?! Ja. Gelegentlich. Aber sie hatte absolut keinen Schimmer, womit ich hauptsächlich meine Zeit vorm Laptop verbrachte.

"Mache ich doch, ich wollte heute erst mit Freddy in den Skatepark nach der Schule.", ich belog sie nicht gerne, doch ich wollte nicht, dass sie sich um mich sorgte, sie hatte auch ohne mich bereits genug Sorgen. Und dass ich Zeit mit Freunden verbringe war ebenfalls gelogen, ich hatte keine Freunde, meine einzigen Kontakte waren Fremde aus dem Darknet.

"Das freut mich." sie lächelte zufrieden. "Haltet euch aber bitte von den älteren dort fern, vor allem diesem Stevens Jungen."

"Ja Mum, ich weiß.", antwortete ich genervt und schob meinen leeren Teller zur Seite.

"Ich habe heute die Mittagsschicht. Wollen wir uns heute Abend mal wieder zusammen einen Film ansehen? Ich kann was aus dem Diner zum Essen mitbringen.", sie lächelte mich an und räumte meinen Teller in die Spüle. "Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht."

"Gerne Mum. Ich muss jetzt los."

"Komm her und lass dich drücken.", sie drückte mich überschwänglich an sich und presste mir einen dicken Schmatzer auf die Wange.

"Wääh Mum!", ich befreite mich aus ihrem Griff und schritt zur Tür.

"Ich hab dich lieb mein Großer, pass auf dich auf.", sie warf mir schmunzelnd einen Kuss mit der Hand zu, den ich lachend in der Luft auffing und mir in die Hoodie-Tasche steckte.

"Ich hab dich auch lieb Mum. Bis später."


Finnja winkte mir schüchtern lächelnd zu, während sie mit ihrer Freundin an mir vorbei ging zum Pausenhof. Errötend senkte ich meinen Blick zum Boden. Sie war wirklich süß, eines der beliebtesten Mädchen unserer Stufe. Und ich muss zugeben, dass ich eine Zeit lang, etwas mehr als nur ein bisschen, auf sie stand. Aber bei ihr hätte ich sicherlich keine Chance gehabt. Schließlich hätte sie wirklich jeden haben können.

Mit Blick auf den Füßen, vor der Schule stehend, spürte ich die starrenden Blicke meiner Mitschüler im Nacken. Einige von ihnen begannen das tuscheln und kichern, als sie mich sahen.

Was sollte ich bloß hier?

Ich wusste bereits alles, was ich wissen musste und dies war sowieso das letzte Schuljahr. An den Noten konnte ich jetzt ohnehin nichts mehr ändern. Und ich würde mir mein Zeugnis sowieso selber erstellen, sollte ich es irgendwann benötigen.

Ich war wirklich nicht dumm, im schriftlichen lag ich immer weit überm Durchschnitt, nur die mündlichen Noten versauten mir die Zeugnisse. Der Unterricht war einfach zu langweilig für mich und statt aufzupassen, zeichnete ich lieber auf meinem Collegeblock, wenn ich denn dann überhaupt mal am Unterricht teilnahm.

Ich zog mir die Kapuze meines Hoodies über, kehrte der Schule den Rücken und ließ die anderen Schüler mit fragenden Blicken hinter mir zurück.

Mit Oldschool Hip Hop auf den Ohren und eine Coladose durch die Gegend kickend, machte ich mich auf den Weg zum Skatepark.


Duskwood - breaking wallsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt