Ich führte ihn in die Küche und öffnete das Fenster, bevor ich mich umdrehte und nach einer Tasse suchte. Die Küche war in helles Mondlicht getaucht.
"Was hast du vor?"
Fragte er und trat ans Fenster.
"Meine Mutter leidet auch an Schlafproblemen. Deshalb hat sie jeden Abend einen bestimmten Tee getrunken, danach ging es ihr besser..."
Ich zog eine weiße Porzellantasse aus dem Hängeschrank und füllte den Teekessel mit Wasser.
"Du...erzählst nicht viel über sie. Hat das einen Grund?"
Ich sah zu Bruno hoch, dieser mit der Hand auf der Ablage gelegt zu mir blickte.
"Wir...sind nicht gut auseinander gegangen."
Ich stellte den Teekessel auf der Herdplatte die anfing warm zu werden. Danach lief ich in der Küche herum und alles für den Tee beisammen zu suchen. Ich wusste das die Zutaten im Haus waren, da ich den vertrauten Geruch des Tee's schon einmal bei Pepa gerochen hatte.
"Wenn wir schon dabei sind uns alles zu erzählen- kannst du mir auch gerne sagen was dich bedrückt."
Ich ließ die Schultern hängen und zog das Glas mit dem geraspelten Baldrian zu mir heran.
"Es war alles gut gewesen am Anfang..."
Fing ich an.
"Aber umso älter ich wurde, desto mehr fing sie an sich zu verändern. Sie hat es nicht gemocht wenn ich Sachen gemacht habe, von denen sie nicht hielt. Das einzige was sie sich für mich vorgestellt hat, war ein Leben in London mit einer Arbeit als Schneiderin, und verheiratet mit irgendeinen Mann den ich nicht mal kannte. Sie wollte einfach nur das ich so einfach wie möglich lebte, nicht auf die Idee kam woanders hin zu gehen, zu reisen...Bis ich einfach genau das getan habe. Ich bin nach Amerika gereist, nach Frankreich und habe mir die Welt angesehen. Da war ich gerade mal alt genug um selbst reisen zu dürfen. Kaum war ich zurück, hat sie mich in ihren Fängen gehalten wie einen Vogel. Deshalb fing ich an Zeitung auszutragen, um wenigstens ein paar mal aus dem Haus kommen zu können. Dann habe ich eure Anzeige entdeckt. Und ich konnte endlich von dort weg."
Als ich die Raspeln der Wurzel in einer Tasse geschüttet hatte, lief ich zum Kessel der schon anfangen wollte zu pfeifen und hob diesen schnell hoch bevor ein Geräusch entflohen konnte.
"Sie hat dich nie gehen lassen wollen...?"
Fing Bruno vorsichtig an, und trat zu mir.
"Ja, es war keine schöne Zeit gewesen. Ich weiß auch nicht warum sie sich so verändert hat. Vielleicht wollte sie das ich zu jemand anderen heranwuchs. Vielleicht bin ich ihren Erwartungen nicht gerecht geworden..."
Ich ließ das heiße Wasser in die Tasse fließen und stellte die Kanne dann zurück. Mit einen der Tücher deckte ich die Tasse ab und ließ den Baldrian ziehen. In 10 Minuten würden die Wurzeln des Baldrians mit dem heißen Wasser einen beruhigenden Trank abgeben.
Bruno sah mich mit großen Augen an. Ich verkrampfte die Hände in meinen Kleid.
"Alle in meiner Familie waren so gewesen. Meine Großmutter die ich nie kennenlernen durfte war auch eine einfache Schneiderin gewesen, mein Vater der noch vor meiner Geburt erschossen wurde, war Kämpfer. Wie sein Vater wiederum. Im Grunde genommen hat jeder die Fußstapfen der vorherigen angenommen, ohne zu hinterfragen ob man nicht vielleicht mehr erreichen will. Etwas anderes- neues."
Ich seufzte und sah aus dem Fenster.
"Ich war eine Enttäuschung für sie gewesen. Von dem Moment an wo sie herausfand das ich anders war. Meine Tante und meine kleine Cousine sind die einzigen die mich unterstützt hatten. Aber sie leben in Frankreich, weit weg von uns. Ich habe ihr einen Brief geschrieben das ich gehe, aber keine Antwort erhalten. Wahrscheinlich ist der Brief verloren gegangen- oder sie ist auch enttäuscht von mir gewesen. Wie jeder..."
"Mariposa..."
Der neue Spitzname brachte mich trotz der schlechten Erinnerung leicht zum lächeln. Bruno legte seine Hand auf meiner.
"Du hast niemanden enttäuscht. Weder deine Tante noch deine Mutter. Ich kann dir nicht sagen warum sie so geworden ist- ich kann dir nur sagen das es nicht deine Schuld war. Sie kann nicht von dir verlangen den gleichen Weg einzuschlagen wie sie oder all eure Vorfahren. Du bist der Autor deiner Geschichte, und nur du entscheidest wie die Geschichte verläuft. Kein anderer."
Ich sah langsam zu ihn. Seine dunklen Augen schienen zu leuchten.
"Ich wollte sie nur stolz machen. Aber sie hat mich einfach weg gestoßen, mir gesagt das wenn ich jetzt gehe ich nie wieder kommen zu brauche. Und ehrlich gesagt will ich auch gar nicht zurück, denn wenn ich das mache bin ich so wie so allein! ich-"
Ich stockte als meine Sicht verschwommen wurde und ich zur Seite schaute. Der Duft des Baldrian Tee's half mir nicht gerade dabei die Erinnerungen zu verdrängen...
"Hey..."
Bruno legte mir seine Hände auf den Schultern und trat hinter mir.
"Es tut mir so leid was passiert ist...und ich weiß es ist kein wirklicher Trost aber du bist nicht allein. Wir sind alle hier, und erst einmal bleibst du bei uns..."
Ich presste die Lippen zusammen und nickte leicht.
"Ja, du hast recht. Ich sollte mich auf's hier und jetzt konzentrieren..."
Ich drehte mich um, plötzlich ganz nahe vor ihn. Zurückweichen konnte ich nicht, denn hinter mir befand sich schon die Ablage. Wir sahen uns eine ganze Zeit lang an und sagten nichts, bis Bruno nur lächelte und meinen Blick hin und wieder auswich bevor er mich ohne etwas zu sagen, in die Arme schloss.
Leicht verwundert lehnte ich meinen Kopf an seiner Brust, und schlang die Arme um seinen dürren Körper.
Seine linke Hand legte sich sanft und schüchtern auf meinem Kopf.
Ich genoss den Moment, ließ mich in seiner Wärme fallen als es mir ein für alle mal klar wurde.
Ich hatte mich in diesen Mann verliebt. Wie konnte ich denken das solch ein starkes Gefühl nur eine Schwärmerei sein konnte?
Verdammt, das hast du ja wieder großartig hinbekommen Bianca.
Nach einiger Zeit ließen wir uns dann wieder los. Ich lächelte ihn an.
"Danke, dass habe ich gebraucht."
Ich drehte mich zu der Tasse um und zog das Tuch beiseite.
"Der hier ist für dich..."
Ich reichte ihn die dampfende Tasse.
"...ich weiß es schmeckt nicht besonders aber du musst ihn austrinken wenn du heute noch etwas schlafen möchtest."
Er lachte auf.
"Naja mal schauen ob dein magischer Tee mich auf der Stelle zum einschlafen bringt..."
Ich grinste.
"Wenn's so ist, dann zerre ich dich die ganzen Stufen zurück in deinen Raum, und am Morgen sag ich dann: ich hab's dir doch gesagt!"
Wir mussten lachen.
Er nahm einen Schluck und verzog das Gesicht. Wie niedlich...
"Wollen wir nach draußen gehen?"
Fragte er und deutete auf die Hintertür.
"Klar."
Gesagt, getan. Wir setzten uns auf die Bank die draußen an der bunten Häuserwand stand und setzten uns. Die Fassade hatte Ranken mit Efeu angelegt, und ließ sogar diese versteckte Ecke magisch wirken. Irgendwo zirpte eine Grille, und Mücken tanzten durch die warme Luft.
Die Zeit verging, und Bruno schaffte es tatsächlich die ganze Tasse auszutrinken.
Wir saßen noch eine Weile dort und unterhielten uns über Dinge die uns gerade in den Sinn kamen, als ich spürte wie seine Augen immer träger wurden.
"Wir sollten besser zurück gehen, ich sehe schon wie der Tee wirkt."
"Ich glaube nicht nur der Tee hat geholfen..."
Er sah zu mir, was mich erröten ließ. Wir gingen zurück in die Casita, und als wir die Treppen hochgingen und es Zeit war sich zu trennen, drehte er sich noch einmal zu mir um.
"Danke nochmal...für alles."
Ich lächelte.
"Ich muss dir auch danken. Und vergiss nicht- du verdienst mehr als das was war."
Vielleicht lag mein Mut der späten Zeit, oder der Müdigkeit an- denn ich drückte ihn einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Erst als ich wieder zurück trat merkte ich was ich da getan hatte, und lief knallrot an. Zum glück war es dunkel. Mit aufgerissenen Augen sah er mir an und öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber brachte keinen Ton hervor.
"Bis morgen. Ich hoffe du kannst schlafen."
Sagte ich deshalb und wich Schrittweise zurück bevor er noch irgendetwas hätte sagen können.
"J-ja du-du a-auch..."
Stotterte er. Ich drehte mich um und ging zurück zu Mirabel's Zimmertür. Schon den Knauf in der Hand, drehte ich den Kopf, und sah das Bruno das gleiche tat wie ich. Ich musste darüber lächeln, als wir gleichzeitig in unsere Räume gingen.
Die Tür fiel leise ins Schloss, als ich mitten im Raum stand. Mirabel lag mit verrenkten Armen und Beinen im Bett, sie schien also nichts von der ganzen Aktion mitbekommen zu haben.
Ich hatte ein Problem: wie stellte man es an seine Liebe für jemanden zu verbergen?
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Bis zum Nächsten Kapitel ♥♥♥
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εїз 𝕄𝕒𝕣𝕚𝕡𝕠𝕤𝕒 (𝙰𝚗 𝙴𝚗𝚌𝚊𝚗𝚝𝚘 𝙵𝚊𝚗𝚏𝚒𝚌𝚝𝚒𝚘𝚗) εїз
FanfictionDie 25 jährige Bianca zieht für ein Jahr in eine Gastfamilie, die anders ist als alle anderen. Es ist die Familie Madrigal, eine Familie die aus Menschen besteht die seit Kindesalter eine magische Gabe besitzen. Kaum dort angekommen, spielt die Casi...