Ich hielt es gerade Mal einen ganzen Tag aus, bevor ich mein Handy aus der Tasche heraus holte und ihr eine Nachricht schrieb. Darin fragte ich sie, ob sie am morgigen Tag Zeit für mich hätte. Kurz und knapp nannte sie mir eine Uhrzeit und dass ich sie abholen sollte. ‚Sie ist immer noch sauer.', dachte ich und meine miese Laune verschlechterte sich zusehends. Doch dann kam endlich die Nachricht von Leichter, auf die ich so lange gewartet hatte. Ich hatte innerhalb von zwei Monaten, bevor das Verlobungsdebakel fast geklärt war, das Ultimatum meines Stiefvaters erfüllt und war jetzt um zehn Millionen reicher. Nun war es an der Zeit, dem alten Sack zu zeigen, wen er sich in sein Haus geholt hatte.
Sofort nach der Schule begann ich meinen Plan in die Tat umzusetzen und holte mir dafür die Big Five ins Boot. Sie sollten über mehrere Strohmänner Aktionen der Kaiba Corporation kaufen. Damit mein Vorhaben lange genug für meinen Stiefvater im Verborgenen blieb.
Nachdem das erledigt war, lehnte ich mich zurück und rief sie an. „Hallo?", fragte sie leicht verwirrt. „Seto Kaiba.", antwortete ich. „Das bist eigentlich du.", lachte Lisa am anderen Ende. „Was gibt's?", fragte sie dann. „Wollte nur mal so durch klingeln.", antwortete ich. „Small Talk liegt dir offensichtlich nicht, was? Da musst du aber bis morgen dran arbeiten. Ich muss jetzt wieder auflegen. Habe gleich noch eine Einlage mit dem Chor.", erklärte sie und legte dann auf nachdem ich ihr viel Spaß gewünscht hatte. Seufzend lehnte ich mich nach hinten und murmelte: „Das wird ein langer steiniger Weg werden.".
Am nächsten Tag kam ich natürlich zu spät zu unserem ersten Date. Wir hatten ausgemacht, dass ich sie nach der Schule von dort abholen würde und wir danach ein Eis essen gehen wollten. Die Idee kam von Mokuba und da ich in Date-Sachen völlig unerfahren war, hatte ich diesen Vorschlag dankend angenommen. Und natürlich um die Wogen mit meinem Bruder zu glätten. Er war immer noch ein wenig sauer auf mich, weil ich so gehandelt hatte.
Endlich an ihrer Schule angekommen, wunderte ich mich überhaupt nicht, dass sie die einzige war die vor der Schule auf der Treppe saß und ein Buch las. Immerhin war ich eine halbe Stunde zu spät gekommen. Aber dieses Telefonat war wirklich wichtig gewesen. Immerhin ging es darin um die Zukunft von mir und meinem Bruder.
„Na, was liest du da?", begrüßte ich sie. Lisa zuckte zusammen und klappte das Buch zu. „Die Reise zum Mittelpunkt der Welt.", antwortete sie und verstaute ihr Buch im Rucksack. „Jules Verne?", hakte ich mit hochgezogener Augenbraue nach. „Ja, manchmal muss es zwischen den ganzen neuen Autoren auch mal ein französischer Klassiker sein.", erklärte Lisa. „Hast du damit ein Problem?". „Ich? Nein, ich wunder mich nur, dass es noch jemanden junges gibt, der solche alten Bücher gerne liest.", antwortete ich mit einem Lächeln im Gesicht. „Du liest die alten Klassiker auch gern? Ich hätte dich eher für einen Wirtschaftsliteraten gehalten.", gestand Lisa und stand auf. Auch heute trug sie nicht die offizielle Schuluniform, sondern nur das Hemd mit der dazugehörigen Weste. Statt eines Rockes trug sie erneut ihre Jeans Hose und ihre speziellen Schuhe. „Naja, diese Bücher muss ich tatsächlich von meinen Privatlehrern aus lesen. Aber zwischendurch darf es schonmal ein Roman sein.", gestand ich. Betretenes Schweigen trat zwischen uns ein. Sie war definitiv noch wütend auf mich und ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte.
„Sag mal, ich dachte das wäre ein Date heute?", unterbrach Lisa die peinliche Stille zwischen uns und sah an mir vorbei. Hinter mir hatte sich Leichter etwas abseits gestellt und beobachtete uns. „Nunja, also das war die Bedingung meines Vaters. Dass Leichter mich überallhin begleitet.", gestand ich. „Also ein Date zu dritt.", murmelte sie und seufzte. ‚Eigentlich ein Date zu viert. Immerhin hat mit mein Stiefvater mir noch einen Schatten auf den Hals gehetzt, der ja kontrollieren sollte, dass ich nicht vom rechten Weg abkam.', dachte ich, doch verbot es mir es ihr zu sagen, denn sonst würde ihre Laune noch weiter sinken.Und so gingen wir zu dritt in die nächstgelegene Eisdiele. Dort bestellte Lisa sich einen großen Waffelteller und etwas zu trinken. „Und du?", fragte sie mich, nachdem der Kellner mit ihrer Bestellung fertig war. „Ich nehm ne Cola und einen kleinen Eisbecher.", erklärte ich. Doch hinter mir hörte ich ein Räuspern. Ich verdrehte die Augen und machte aus dem Eisbecher eine einzelne Kugeln. Nicht mal hier konnten mich die Fängen meines Stiefvaters in Ruhe lassen.
„Bist du auf Diät?", fragte Lisa, nachdem unsere Bestellung geliefert worden war. „Wieso?", hakte ich mit hochgezogener Augenbraue nach. „Naja, eine Kugel Eis, obwohl der Eisbecher echt lecker aussah.", erzählte sie und aß genüsslich von ihrer Waffel. „Naja...", murmelte ich. Ich musste ihr ja nicht auf die Nase binden, dass mir beim Versagen der Brotkorb hochgehängt wurde. „Naja, was?", fragte sie nach. „Ach, nicht so wichtig... Wie war denn dein Tag so?", fragte ich stattdessen und lenkte so vom Thema ab. „Normal halt. Hab meine Geschichtsklausur wieder bekommen und vorhin ein neues Lied einstudiert.", erzählte sie. „Und du?". - „Das Übliche halt. Privatlehrer und dann Sport. Zwischendurch in die Schule und dann noch ein paar andre Sachen erledigen.", erzählte nun ich. „Moment... Du hast vor dem normalen Schulalltag noch Privatlehrer?", stellte sie schockiert fest. Ich runzelte die Stirn und nickte. „Was ist daran so merkwürdig?", fragte ich. „Normale Leute schlafen in der Regel um die Uhrzeit, in der du schon büffelst.", erklärte Lisa. „Normale Leute müssen auch kein Familienunternehmen übernehmen.", sagte ich gelassen. Doch tief im Inneren wusste ich, dass sie Recht hatte. Bevor ich zur Schule ging, hatte ich schon zwei Stunden Wirtschaft hinter mir und musste noch in der Schule selbst, Bestnoten abliefern. Danach ging es mit nem ausführlichem Sportprogramm weiter. Nur um am Ende des Tages wieder mit Privatlehrern zu büffeln.
„Aber das ist auch nicht normal. Bist du auch mal irgendwann Du?", fragte Lisa. „Was willst du denn damit sagen?", fragte ich nun nach. Jetzt war ich vollkommen verwirrt. Ich war doch immer noch ich. Oder nicht? „Naja, gibt es in deinem Tagesplan eigentlich noch Zeit für dich? Deine Hobbies? Das was dich glücklich macht?", fragte sie nach. Ich runzelte die Stirn und dachte nach. Doch sie hatte Recht. Bei dem ganzen Gebüffel und Sport machen, kam ich viel zu oft zu kurz, sodass ich schon lange nicht mehr an mich selbst gedacht habe, sondern nur an mein Ziel. Endlich aus seinen Fängen heraus zukommen und mein Imperium aufzubauen.
„Wenn du mich so fragst, eigentlich nicht. Die Tage, an denen wir uns gesehen haben, bilden eher die Ausnahme.", gestand ich. „Das ist traurig.", stellte Lisa fest. „Dein Vater darf doch nicht vergessen, dass du immer noch ein Mensch bist. Du bist doch keine Maschine und es ist wichtig, dass du dir auch mal Zeit für dich nimmst! Ich werd ihn wohl nie verstehen.". „Ich ihn auch nicht.", gab ich zu. „Tja, dann sind wir wohl einer Meinung.", lächelte Lisa mich an. „Stimmt. Aber jetzt, wo ich so drüber nachdenke, gibt es schon eine Sache, die nur für mich ist.", erklärte ich. Dann beugte ich mir vor, sodass Leichter, der ja ‚glücklicherweise' fast direkt hinter mir saß, nichts bekam und flüsterte: „Ich programmiere heimlich. Im Moment tüftle ich an einem Hologramm-System.". Lisa Augen begannen zu strahlen und sie flüsterte: „Das hört sich toll an, auch wenn ich vom Programmieren Null Ahnung habe. Aber ich würde das gerne mal sehen, wie du dir das Hologramm-System vorstellst". „ Dann werd ich es dir zeigen, wenn es endlich mal funktioniert und geht. Aber beim nächsten Mal kann ich ja versuchen, dir Programmieren beizubringen.", schlug ich vor und lehnte mich wieder zurück. „Und ich bring dir Klavier spielen bei.", konterte sie mit einem wissenden Lächeln. „Sag nicht, mein kleiner Bruder hat geplaudert.", stöhnte ich. An dieses Fiasko mit dem Musiklehrer wurde ich nicht gerne erinnert. „Doch, hat er. Also ich verspreche dir, dass ich dich nie auch nur in die Nähe eines Klaviers schleife und du mühst dich bitte nicht ab, mir Programmieren beizubringen. Für mich sind diese Zeilen ein Buch mit sieben Siegeln.", gestand sie. „Abgemacht.", sagte ich und hielt ihr die Hand hin. Sie schlug ein und in diesem Moment schlossen wir so eine Art Frieden.
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Das Herz des Seto Kaibas
RandomMan kennt ihn als egoistischen und egozentrischen Geschäftsmann, der noch dazu ein herausragender Duellant ist. Doch wer ist er eigentlich wirklich? Was denkt Seto, wenn er sich mit Yugi duelliert und was wäre wenn Seto eine Freundin hätte und er di...