Doch hinter dem gewaltigen Rolltor befand sich nur ein gewaltiger leerer Raum. Im hinteren Bereich führten zwei Treppen nach oben und es befand sich sogar ein Mittelsteg über uns. Doch bis auf das, war der Raum leer. „Augenscheinlich sind Noah die Ideen ausgegangen, wie er das hier füllen könnte.", bemerkte ich, als wir mittig im Raum standen. „Tja, Talent kann man nicht mit fehlender Fantasie ausgleichen.", stellte Lisa fest. „Talent?", hakte ich mit hochgezogener Augenbraue nach. „Ja... Auch auf die Gefahr hin, dass du mich mit deinen Blicken umbringst, aber das alles hier zeugt schon von einem Technikgenie.", beantwortete sie meine Frage. „Du weißt schon, dass der Grundstein von mir kommt.", meinte ich. „Ja und? Es weiter zu entwickeln, sodass wir teilweise vergessen wo wir uns befinden ist auch eine Art Talent. Man muss auch mal neidlos etwas anerkennen können.", erklärte Lisa. Wie immer hatte sie recht, doch ich war dazu nicht in der Lage. Ich sah in Noah nur einen kleinen Dieb, der meinen Bruder in seiner Gewalt behielt, bis er irgendetwas erreicht hatte.
„Aber eines muss man ihm lassen... Den altmodischen Baustil beherrscht er tadellos.", sagte Lisa und deutete auf eine Tür mitten im Raum. „Das stimmt. Na dann lassen wir uns mal überraschen, was wir dahinter zu sehen bekommen. Ich geb dir Brief und Siegel, dass wir bestimmt einen weiteren Teil meiner Vergangenheit zu sehen bekommen.", meinte ich und wollte darauf zugehen. Doch Lisa folgte mir nicht. Sie sah sich weiter im Raum um. „Lisa?", rief ich. „Wenn Noah diesen Raum nicht ausgefüllt hat, dann frage ich mich, wofür er dann eigentlich dienen soll.", meinte sie. „Dieser Raum sollte als Lager für die Ersatzteile der einzelnen Fahrgeschäfte dienen. Und von dort oben sollte man die Arbeiter überwachen können.", erklärte ich. „Cool.", meinte Lisa. Dann lächelte sie mich an und sagte: „Jetzt hab ich doppelt so viel Lust, diesen Park live und in Farbe zu sehen.". „Schön... Können wir jetzt?", fragte ich und deutete auf die Tür. „Klar. Aber ich lass dir den Vortritt. Nicht das dahinter wieder irgendeine Falle ist...", bemerkte Lisa. Ich nickte ihr zu, nahm ihre Hand in meine und ging durch die Tür.
Doch dahinter verbarg sich weder meine Vergangenheit noch eine Falle. Nein, nur ein einfacher sehr altmodischer Projektor war dort aufgebaut. Inklusive Leinwand. „Wow, Filmstunde.", witzelte Lisa. „Was altmodisches angeht macht Noah niemanden etwas vor.", kommentierte ich die Szene und schaltete den Projektor an. Doch was wir da zu sehen bekamen verschlug uns beiden die Sprache. Wir sahen Noah heranwachsen. Wir sahen mehrere Erinnerungen, wie er mit meinem Stiefvater spielte, golfte und segelte. Und wie er langsam älter wurde.
„Das kann doch nicht die Wahrheit sein!", murmelte ich. „Und wieso nicht?", fragte Lisa nach. „Das müssen die Big Five irgendwie gefälscht haben... Ich hab nie etwas von Noah gehört oder gesehen in der Villa. Aber diese Aufnahmen sind dort eindeutig entstanden.", erklärte ich. Doch dann änderte sich das Bild und wir sahen eine Kirche. Davor stand ein Art Leichenwagen. Offenbar wurden wir gerade Zeuge einer Beerdigung. Aus der Kirchentür trat eine Frau, die mir wage bekannt vorkam. Sie trug ein Bild von dem Noah, den wir kennengelernt hatten, vor sich her und weinte. „Es ist so traurig, dass er von uns gehen musste.", schluchzte sie. Dann erklang die Stimme meines Stiefvaters und er sagte, dass noch nichts verloren sei. Er hätte eine Möglichkeit gefunden, seinem Sohn zu helfen. Dann war das Band vorbei und wir sahen auf eine weiße Leinwand.
„Das war ja mal informativ.", bemerkte Lisa, die sich zwischendurch auf den Tisch mit dem Projektor gesetzt hatte. „Inwiefern informativ? Das alles soll mich also davon überzeugen, dass Noah mein Stiefbruder ist? Und wie erklärst du, dass Noah keinen Tag gealtert ist und wir eben augenscheinlich seine Beerdigung gesehen habe?", fragte ich aufgebracht. „Ich sagte informativ und nicht aufschlussreich.", konterte Lisa und funkelte mich an. „Wenn du Frust auf jemanden schiebst, dann lass es nicht an mir aus. Auch wenn Noah hier mit unseren Gedanken gespielt hat, wieso zum Henker sollte sich ein Drei-Käse-Hoch wie er sich solche Mühe geben und sich in eine Vergangenheit mit Gozaburoh einklinken? Beziehungsweise sich alles ausdenken, nur um dich zu verarschen? Mit welcher Motivation? Hast du dafür etwa eine Erklärung? Und warum sollten ausgerechnet die Big five einem daher gelaufenen Grünschnabel helfen?", fragte sie nach. Ich konnte jedoch nur den Kopf schütteln und auf keine ihrer Fragen eine Antwort finden.
„Siehst du! Also nimm doch einfach mal an, dass Noah uns in dieser Hinsicht nicht angelogen hat. Klar bleiben da noch ein paar Fragen offen, aber hier hat er uns wenigstens ein paar Antworten gegeben. Oder wir sind durch Zufall in diesen Raum geraten und das ist Noahs Unterbewusstsein?", überlegte Lisa. Das wiederum ergab schon Sinn. Wenn Noah ebenfalls mit an diesen Cyberspace angeschlossen war, dann mussten hier auch Dinge von ihm sein. Denn überall konnte er ja nicht anwesend sein.
„Ich geb zu, deine Gedankengänge sind schon schlüssig. Ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich diesem Hosenscheisser gründlich den Arsch versohle, wenn ich ihn sehe. Immerhin hat er versucht Mokuba gegen mich zu benutzen.", wetterte ich. Lisa sprang vom Tisch herunter und sagte: „Dann stell dich hinten an. Ich hab ihm zuerst das versprochen.", erklärte Lisa düster. Ich nickte und gemeinsam gingen wir weiter.Wir kamen nach einer Weile zur U-Bahn Station des Parks und wurden von der freundlichen Stimme eines zukünftigen Mitarbeiters begrüßt. „Willkommen in Kaiba Land. Der Zug, der Sie zu anderen Teilen des Parks bringen wird, fährt gleich ein. Treten Sie bitte einen Schritt zurück.". „Wie groß wird denn dein Park, wenn er eigenen Zug benötigt?", fragte Lisa mich, während wir warteten. „Groß genug. Aber wenigstens das hier hat Noah richtig hinbekommen.", meinte ich. „Du immer mit deinem groß.", schmunzelte Lisa. „Wie meinst du das jetzt?", fragte ich mit hochgezogener Augenbraue nach. „Ach nichts besonders.", erwiderte Lisa und verkniff sich sichtlich das Lachen. „Jetzt sag schon.", verlangte ich zu wissen. So langsam verlor ich in diesem Cyberspace meine Geduld mit alles und jedem. „Nur das bei dir alles groß sein muss. Hochhäuser, gewaltige Parks.", witzelte Lisa. „Jetzt komm mir nicht wieder mit kompensieren. Das Thema hatten wir schon. Und letzte Nacht hast du dich überhaupt nicht beschwert, wenn ich das anmerken das.", nölte ich und verdrehte die Augen. „Ich weiß, immerhin bist du groß genug.", kommentierte Lisa und lachte. „Nicht das was du denkst. Ich meinte eher deine Körpergröße.", sagte sie nachdem sie meinen Blick bemerkte. Ich musste mehr als fragend dreingeblickt haben. Ab da war es mit ihrer Selbstbeherrschung vorbei. Ich hatte sie selten so losgelöst lachen gehört, dass mir gerade das Herz aufging. Mit jeder neuen Seite, die ich an ihr bemerkte verliebte ich mich immer mehr in sie.
„Ach komm her.", erklärte ich und nahm meine Freundin in den Arm. Sie schaffte es doch immer wieder, dass ich mein Ziel nicht aus den Augen verlor. Indem sie mich zum Lachen brachte, löste sie meine Anspannung.„Schau, da kommt unser Zug.", meinte Lisa. Und tatsächlich fuhr mein weißer Drachenexpress ein. Und zwar genauso wie ich ihn designt hatte.
„Willkommen im Kaiba-Land. Bitte lassen Sie zuerst die Besucher aussteigen, bevor Sie den Zug betreten. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.", erklärte der Mitarbeiter. Lisa löste sich von mir und witzelte: „Es sind ja auch schon so viele Besucher da.". Wir betraten den Zug und setzten uns auf einen vierer Sitz. Lisa mir gegenüber und zum ersten Mal bemerkte ich, dass wir eigentlich nie ein ganz normales Date hatten. Mit gemeinsam irgendwohin fahren oder ähnlichen. Oft trafen wir uns bei mir in der Firma oder bei mir Zuhause. Auch war ich alleine noch nie in den Genuss gekommen wie mein kleiner Bruder, mit ihr in ihrer Wohnung zu sein. Immer war Mokuba mit dabei gewesen und/oder Leichter. Und selbst da kam nie eine Date-Stimmung auf, denn auch da hatte ich nur meine Firma im Kopf gehabt.
„Ich bin gespannt, wohin uns dieser Zug bringen wird.", murmelte Lisa, die aus dem Fenster schaute und den Kopf auf eine Hand gestützt hatte. „Bestimmt zu seiner eigenen Blase um mir etwas zu beweisen. Eins verspreche ich dir: Ich werde meinen kleinen Bruder aus seinen Klauen befreien. Ich hoffe nur, dass wir rechtzeitig ankommen und Noah ihm nicht noch mehr Schwachsinn erzählen wird!", meinte ich. Lisa sah mich an und nickte. „Wenn ich eines sicher weiß, dann dass das Band zwischen euch beiden nur sehr schwer zu durch trennen ist. Egal was Noah jetzt glauben mag. Am Ende wird Mokuba doch zu dir halten.", erklärte sie. Und ich wusste, dass sie recht hatte. Doch ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend blieb dennoch.
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Das Herz des Seto Kaibas
RandomMan kennt ihn als egoistischen und egozentrischen Geschäftsmann, der noch dazu ein herausragender Duellant ist. Doch wer ist er eigentlich wirklich? Was denkt Seto, wenn er sich mit Yugi duelliert und was wäre wenn Seto eine Freundin hätte und er di...