Alles andere als Begeisterung war in ihrem Gesicht zu lesen als ich meinen Beschluss verkündetet. „Aber ich muss doch nachher noch eine Arbeit schreiben und in Geschichte einen Vortrag halten.", erklärte Lisa dem Rektor und versuchte sich so aus der Affäre zu ziehen. „Miss Lisa, ihre Noten sind tadellos, da können Sie ruhig einen ganzen Tag fehlen. Wandeln Sie den Vortrag in einen Aufsatz um und geben diesen bis zum Ende Woche einfach ab. Und die Arbeit ist nicht weiter relevant, da Sie sowieso einen glatten Notendurchschnitt haben.", wiegelte der Rektor ihre Bedenken ab. Und so lenkte sie am Ende doch noch ein und schulterte ihre Tasche. „Dann gehen wir mal.", brummte sie und winkte dem Chor, sowie dem Lehrer zum Abschied zu.
„Miss Lisa, reichen Sie doch ihre Taschen einfach meinem Begleiter. Leichter wird sie für Sie tragen.", erklärte ich. Sie drehte sich zu mir um und sah mich mit einer Mischung aus Unbehagen und noch etwas an, was ich nicht deuten konnte. „Erstens: Ich heiße Lisa, ohne Miss und alles. Dieses Gesieze geht mir gehörig auf den Keks. Und zweitens: Ich habe da vorne einen Spind. Dort wanderte meine Tasche hin. Ich vertraue meine Sachen ungern fremden Menschen an.", erklärte sie. Lächelnd reichte ich ihr meine Hand und sagte: „Wenn das so ist, dann bleiben wir beim Du. Ich bin Seto.". „Hallo Seto.", begrüßte sie mich mit einem wissenden Lächeln und ergriff meine Hand. Klein und zart lag diese in meiner Hand und urplötzlich spürte ich den Drang sie an mich heran zu ziehen. Verwirrt lies ich ihre Hand wieder los und folge ihr. Tatsächlich hatte sie vor der Aula einen der Spinde für sich beansprucht und stopfte dort ihre Tasche herein. Dann verschloss sie ihn und strahlte mich an: „Jetzt können wir los." und steckte den Schlüssel in ihre Arschtasche. Was mich natürlich dazu verleiten lies, diesen genauer zu betrachten. Und was soll ich sagen: Dieser Arsch war einfach göttlich.
„Na, dann auf zur Führung. Ich bin gespannt, was du mir alles hier zeigst!", erklärte ich lächelnd.
Und sie zeigte mir alles. Sämtliche Räume der Schule und zu jedem hatte sie entweder einen bissigen Kommentar parat oder eine lustige Geschichte. In dem einem Raum hatte sie zum Bespiel ein Pärchen überrascht, welches eigentlich mit jeweils anderen Partnern zusammen war. In dem anderen Kunstraum hatte ihre Klasse so viel mit Farbe gearbeitet, dass es ganze drei Stunden dauerte, bis der Raum wieder sauber war.
Ich lauschte ihren Stories und bemerkte, dass ich mich entspannte. Etwas, was selten vorkam, seit ich mit Mokuba zu meinem Stiefvater gezogen war. Sie hatte etwas an sich, was ich nicht genau definieren konnte, aber ich genoss es. Sie gab mir das Gefühl, normal zu sein. Und nicht der Sprössling eines Firmenoberhaupts.
„So und das ist unsere Turnhalle. Sie unterscheidet sich nicht wirklich von anderen. Aber wir haben das Logo der Schule auf dem Boden.", erklärte sie lächelnd. „Das stimmt.", sagte ich und nickte. „Wollen wir uns kurz auf den Mattenwagen setzen?", fragte ich, denn mir war aufgefallen, dass ihr Gang anders war als normal. Sie humpelte leicht, aber es fiel nur auf, wenn man sie genauer betrachtete. „Wenn dein Zeitplan das mitmacht, dann gerne.", erklärte sie grinsend und zog ihre Schuhe aus. Dann lief sie zum Mattenwagen und schwang sich nach oben. Ich tat es ihr gleich und gemeinsam saßen wir nun da. Nur wenige Zentimeter von einander getrennt. „Und wie gefällt dir deine Schule?", fragte sie und setzte sich Schneidersitz auf die Matten. „Meine Schule ist es nicht, sondern die meines Vaters.", erklärte ich. „Wenn du die Kaiba Corporation übernimmst, dann gehört die Schule dir. Also kann ich dich das ruhig fragen.", meinte sie lächelnd. „Du hast ja Recht. Es ist eine Schule halt wie jede andere. Nur das überall das Kaiba Logo zu sehen ist.". „Wir danken unserem großem Gönner Gozaburo Kaiba dass wir das Recht haben hier studieren zu dürfen.", haute sie raus und sah sich dann in der Turnhalle um.
„Diesen Satz müssen alle Stipendiaten jeden Morgen aufsagen, wenn man eine Stunde beim Direktor hat. So wird uns jeden Tag gezeigt, dass wir nur geduldet sind und eigentlich nicht erwünscht.", erklärte sie auf mein nachfragendes Gesicht hin. „Es werden Unterschiede gemacht?", fragte ich nach. „Nicht direkt. Offiziell sind wir alle Studenten, aber oft werden die anderen Kids bei Aufführungen und so bevorzugt.", erklärte sie ohne Reue in der Stimme. „Wie bei Tiffany... Ich verstehe. Aber dich scheint das Ganze nicht zu stören.", stellte ich fest. „Anfangs schon... Aber dann habe ich angefangen mich nur auf meine Noten und Leistung zu konzentrieren und irgendwann kamen dann die Freundschaften im Chor dazu. Die meisten im Chor haben zwar kein Stipendium aber deren Eltern sind nicht so abgehoben, wie von manch anderen. Die Künstler haben alle sehr gechillte Eltern... Mit denen haben wir Stipendiaten keine Probleme. Aber im Musikbereich isses extrem. Alleine weil viele Abgänger dann berühmt geworden sind. Und darauf spekulieren Mädchen wie Tiffany halt.", erklärte Lisa und löste dabei ihren Zopf. Sie begann, während ich sie fragte, was ihre Zukunftsvorstellungen waren, sich einen neuen zu flechten. Und dabei fiel mir auf, dass ihr Haar nicht einfach nur dunkelblond war. Nein, sie hatte sämtliche Färbungen darin. Von ganz hellen Tönen bis zu dunkel. Es war eine eigenartige Mischung, die mir aber gefiel.
„Darüber habe ich mir ehrlich gesagt noch gar keine Gedanken gemacht.", gab sie offen und ehrlich zu. „Bei deinem Talent dachte ich du würdest ebenfalls die Karriere einer Sängerin einschlagen.", sagte ich. Und da fing sie an zu lachen. Frei heraus und glockenhell. „Ich und eine Sängerin? Nein danke. Ist mir viel zu stressig.", stellte sie lachend klar. Doch dann wurde sie etwas ernster und fragte mich: „Was sind denn deine Pläne? Ja, klar du wirst die Firma deines Vaters übernehmen, aber war das wirklich dein Wunsch?". Erstaunt, dass sie mich das fragte, konnte ich im ersten Moment nicht antworten. Seit wir zu meinem Stiefvater gezogen waren, war mir immer eingetrichtert worden, die Firma zu leiten. Klar wollte ich das. Aber zu meinen Bedingungen.
„Um ehrlich zu sein weiß ich das gar nicht. Es war schon immer so, dass ich die Firma übernehmen sollte. Da war nicht wirklich viel Spielraum für einen anderen Zukunftsplan.", erkläre ich und zuckte dabei mit den Achseln. „Klingt ziemlich eintönig, das zu tun, was die Eltern machen.", meinte Lisa und sah mich lächelnd an. „Naja, ich möchte schon etwas an der Firma ändern. Ich will raus aus dem Waffengewerbe und eine Spielefirma gestalten.", erklärte ich. „Das klingt cool. Dann wünsche ich dir viel Erfolg dabei. Aber unsere Zweisamkeit ist nun vorbei, wenn ich das Gesicht deines Handlangers richtig deute.", erklärte sie und wies dabei mit einer leichten Geste auf die Tür in der Leichter stand. Tatsächlich sah er sehr ernst drein. Und das bedeutete nie etwas gutes.
„Schade eigentlich. Ich hab die Zeit echt genossen. Einfach mal nichts tun und sich wie ein ganz normaler Schüler verhalten.", erklärte ich grinsend. „Kenn ich. Aber leider ist dieser Moment vorbei. Ich muss dann noch zum Sport und einen Aufsatz schreiben.", erklärte sie und verdrehte dabei spielerisch die Augen. „Tut mir leid, das mit dem Aufsatz.", murmelte ich. „Ach kein Problem. Ich hatte sowieso keinen Bock den Vortrag zu halten.", wiegelte sie ab und sprang von Mattenwagen. Dabei fiel mir auf, dass sie ihren linken Fuß schonte, denn sie landete mit Bedacht auf dem rechten.
„Was hast du eigentlich mit deinem Fuß? Mir ist schon den ganzen Tag aufgefallen, dass mit diesem etwas nicht stimmt.", fragte ich, nachdem ich ebenfalls vom Mattenwagen gesprungen war. „Eine alte Verletzung, die nie richtig ausgeheilt ist.", erklärte sie knapp. Mir war ihre Tonlage nicht entgangen und so lies ich das Thema ruhen. Wenn ich eine Sache bei meinem Stiefvater gelernt hatte, dann war es, jemanden in Ruhe zu lassen, wenn dieser jemand in Ruhe gelassen werden wollte.
Gemeinsam gingen wir zur Tür und zogen unsere Schuhe an. „Die Kaiba-Familie dankt Ihnen, Lady Lisa, für ihre Aufmerksamkeit dem Erben gegenüber.", verkündete Leichter und verbeugte sich vor ihr. „Lady Lisa? Ist ja noch schlimmer als Miss Lisa.", kommentierte sie und zog dabei eine Augenbraue nach oben. „Ihr habt euch diesen Titel verdient, meine Lady. Ihr habt es geschafft, dass Master Seto sich ein wenig entspannen konnte. Aus diesem Grund habe ich mir erlaubt, eine kleine Aufmerksamkeit für Euch zu besorgen.", erklärte er und überreichte ihr eine schwarze Schatulle. Darin befanden sich Ohrstecker. „Das wäre nicht nötig gewesen. Schenkt diese Ohrringe lieber Tiffany bei eurem Abendessen. Sie wird sich schon genug bei Go... Mr Kaiba Senior beschwert haben. Und das Abendessen war schon die ganze Woche DAS Thema bei ihr.", erklärte sie und mir war nicht entgangen, dass sie meinen Stiefvater beim Namen nennen wollte. Doch wieso? Kannte sie meinen Stiefvater oder lag es schlicht daran, dass sie seinen Namen fast jeden Tag vorbeten musste?
„Wir recht Ihr doch habt, Lady Lisa. Noch ein Grund mehr, Euch diesen Titel zu geben. Ich werde dieses Geschenk Miss Tiffany geben. Allerdings werde ich nicht erwähnen, dass es eigentlich für Euch bestimmt war.", erklärte Leichter.Mit gerunzelter Stirn sah ich zwischen diesen beiden hin und her. Was lief hier eigentlich ab?
„Master Seto. Unser Zeitplan sieht vor, dass wir nun wieder nach Hause gehen. Ihr Privatlehrer erwartet Sie dort.", sagte Leichter nun an mich gerichtet. Ich nickte und verabschiedete mich von mir Lisa. „Vielen Dank für dieses schönen Vormittag. Auch wenn die Schule nicht wirklich besonders ist, so war doch deine Führung einmalig.", sagte ich lächelnd. Lisa lächelte mich an und reichte mir die Hand. „Ich fand es auch sehr schön, ganz offiziell die Schule schwänzen zu dürfen.", sagte sie grinsend. Aus einem Impuls heraus ergriff ich ihre Hand und gab ihr einen Handkuss. „Ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen.", sagte ich und sah ihr dabei in die Augen. Sie erwiderte meinen Blick und lächelte verlegen. „Spätestens zur Aufführung in drei Wochen.", sagte sie, entzog mir die Hand und verlies dann Leichter und mich.
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Das Herz des Seto Kaibas
RandomMan kennt ihn als egoistischen und egozentrischen Geschäftsmann, der noch dazu ein herausragender Duellant ist. Doch wer ist er eigentlich wirklich? Was denkt Seto, wenn er sich mit Yugi duelliert und was wäre wenn Seto eine Freundin hätte und er di...