Die Eule pickte hartnäckig gegen das geschlossene Fenster. Draußen regnete es in Strömen und Lysanna stand nach diesem Tag nicht der Sinn nach Post, aber welche Wahl hatte sie schon. Die Eule würde ohnehin nicht nachgeben, bis sie das Fenster öffnen würde.
Ein Windstoß wehte den Regen durch das Fenster in das kleine Apartment. Schnell nahm Lysanna der Eule den durchweichten Brief ab, der offensichtlich an sie adressiert war.
Den Brief würde sie wohl später öffnen, dachte Lysanna nachdem sie das Fenster wieder geschlossen hatte und den Brief auf ihrem Schreibtisch, zu den zahlreichen anderen ungeöffneten Briefen gelegt hatte. Jetzt brauchte sie erst einmal Ruhe, musste irgendwie auf andere Gedanken kommen. Ihr Blick fiel auf die Flasche Whisky, die ungeöffnet in der Vitrine stand.
Warum eigentlich nicht, dachte Lysanna. Es war so viel passiert, ein Glas Whisky käme da genau richtig. Eigentlich mochte Lysanna ihren Job im Ministerium, aber seit dem Streit mit Theodor wollte sie nichts mehr davon wissen. Er machte ihr Dasein zur Hölle und das würde, wie sie nur zu gut wusste, so lange andauern, bis sie sich wieder mit ihm vertragen würde. Es war Fluch und Segen zugleich, dass Lysanna eine Beziehung mit ihrem Vorgesetzten angefangen hatte. Wenngleich hier hinzugefügt werden muss, dass es Theodor Renington weitaus weniger verstand, Beruf und Privates zu trennen, als Lysanna. Wäre es nach ihr gegangen, hätten sie nach der Trennung einfach weiter zusammen arbeiten können, aber Theodor setzte einfach alles daran, ihre Arbeitstage so unangenehm wie möglich zu gestalten.
Seit einer Woche hatten sie nun kein einziges Wort miteinander geredet, zumindest nicht privat. Auf der Arbeit trug er ihr allerlei unliebsame Aufgaben auf, nur um irgendwie ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Erst heute hatte er ihr wieder wortlos einen ganzen Stapel Beschwerdeschreiben auf den Tisch geknallt. Arschloch. Wenn Lysanna eine Sache an ihrer Arbeit hasste, dann war es das Bearbeiten von Beschwerden. Natürlich wusste Theodor das ganz genau und natürlich war das wahrscheinlich der einzige Grund, warum die Beschwerden bei ihr gelandet waren.
Mit dem Glas in der Hand ließ Lysanna sich auf die kleine Couch fallen. Ihre Wohnung in der Innenstadt von Edinburgh war nicht groß, dafür vollgestopft mit allerlei Büchern und Krimskrams. Bei dem Gedanken daran, dass genau das den Streit zwischen ihr und Theodor ausgelöst hatte, musste sie lachen. Er wollte, dass sie zu ihm zieht, in sein schickes Stadthaus in London, aber Lysanna hatte abgelehnt. Sie brauchte die Ruhe und war einfach nicht bereit ihre schottische Heimat hinter sich zu lassen. Natürlich war das nicht der einzige Grund, warum sie sich von Theodor getrennt hatte, es war er der letzte Tropfen, der den Kessel zum Überlaufen gebracht hatte.
Sie trank das Glas in einem Zug, lehnte sich entspannt zurück. So leicht würde sie sich nicht unterkriegen lassen. Nicht von Theodor. Sicher nicht. Sie hatte es im Ministerium nicht so weit gebracht, um sich nun von ihm fertig machen zu lassen. Das Einfachste wäre es sicher gewesen, einfach mit Theodor auszugehen, ihm schöne Augen zu machen und die Sache einfach hinter sich zu lassen, aber das war alles andere, als Lysannas Art.
Sie hatte noch ein zweites Glas Whisky getrunken, ehe sie sich gelangweilt der Post widmete. Rechnungen, Mahnungen, ja, möglicherweise hatte sie die Miete mal wieder nicht rechtzeitig bezahlt. Genervt schmiss sie den Rest der Briefe zu Seite, der Brief aus Hogwarts blieb unbeachtet auf dem kalten Fußboden liegen.
Genervt und müde von den Ereignissen des Tages ging Lysanna zu Bett.
Heute war Samstag, Lysanna hatte frei. Sie konnte einen freien Tag mehr als gut gebrauchen. Alternativ hätten es auch ein paar Hauselfen getan, die die Wohnung wieder auf Vordermann bringen würden, aber die waren in diesem Teil von Edinburgh leider schwer zu kriegen. Also blieb Lysanna wohl nichts anderes übrig, als sich selbst um die Hausarbeit zu kümmern.
Zunächst einmal würde sie sich aber eine Tasse Tee kochen.
Auf dem Weg in die Küche blieb ihr Blick unweigerlich an der im Wohnzimmer verteilten Post hängen. Insgeheim ärgerte sie sich über ihr eigenes Verhalten, ließ die Briefe aber zunächst liegen. Zuerst eine Tasse Tee.
Mit der Tasse in der Hand betrat Lysanna kurz darauf erneut das Wohnzimmer. Ihr blieb nichts anderes übrig, als jetzt endlich die Briefe vom Boden zusammen zu lesen. Ihr Blick blieb dabei sofort an dem versiegelten Brief mit dem Stempel von Hogwarts hängen. Warum schrieb die Schule ihr einen Brief? Ihre Tante Minerva schickte Briefe üblicherweise nicht mit dem offiziellen Siegel der Schule, deshalb weckte der Brief sofort Lysannas Interesse.
Sehr geehrte Miss McGonagall,
auf Empfehlung Ihrer Tante Minerva McGonagall, darf ich mich mit diesem Brief vertrauensvoll an Sie wenden.
Für das kommende Schuljahr, welches am 01. September beginnen wird, sind wir derzeit aufgrund eines krankheitsbedingten Ausfalls auf der Suche nach einer Lehrkraft für das Wahlfach "Alte Runen".
Falls Sie sich vorstellen können, als Lehrkraft an unser Schule zu unterrichten, und das Ministerium sie für das kommende Jahr entbehren kann, antworten Sie einfach auf diesen Brief.
Albus Dumbledore
Lysanna musste den Brief zweimal lesen, um zu begreifen, dass ihr tatsächlich eine Stelle als Professorin in Hogwarts angeboten wurde. Wie auch immer ihre Tante Minerva das eingefädelt hatte, es war genau der richtige Moment. Wäre der Streit mit Theodor nicht gewesen, hätte sie den Brief wahrscheinlich sofort zerrissen, aber jetzt gerade kam ihr die Idee nach einer beruflichen Veränderung gar nicht so abwegig vor.
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"Alte Runen" eine Severus Snape FF - Snape x OC
FanfictionMit Hogwarts verbindet die junge Hexe bislang nur die schönen Erinnerungen ihrer eigenen Schulzeit, aber was passiert, wenn sie jetzt als Professorin an die Schule zurückkehrt? Ich warne euch vor: In dieser Geschichte gibt es keine Liebesgeständnis...