Kapitel 38

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Schwer bepackt hatte Lysanna sich in einem der vorderen Abteile des Zuges niedergelassen. Im vorderen Teil des Zuges war es üblicherweise um einiges ruhiger als hinten, das kam Lysanna nach all dem Trubel der vergangenen Tage nur recht. Sie war mit einem Lächeln in den Zug gestiegen, hatte keine Sekunde Wehmut darüber empfunden, ihr altes Leben nun gänzlich hinter sich zu lassen. Die Wohnung hatte sie gekündigt, das war zum Glück kein Problem, und ihre wenigen persönlichen Habseligkeiten hatte sie sicher in einem Koffer verstaut, der nun über ihrem Kopf auf der Gepäckablage des Abteils ruhte. Ihr ganzes Leben steckte in diesem Koffer. Im Koffer befand sich auch ihre Eintrittskarte zurück nach Hogwarts, eine riesige Schachtel gefüllt mit allerlei erlesenen Pralinen. Lysanna hatte keine Kosten und Mühen gescheut, es ging immerhin um ihre Zukunft, die sie sich mit diesen Pralinen erkaufen würde.

Mit einem schrillen Pfiff und einer hellen Dampfwolke setzte der Zug sich ruckelnd in Bewegung. Lysanna hatte tatsächlich das gesamte Abteil für sich. Die Ruhe machte sie nachdenklich, wobei sie in den letzten Wochen eigentlich nie wirklich aufgehört hatte, nachzudenken. Sie freute sich auf Hogwarts, auf Severus, auch wenn ihr das Wiedersehen noch einiges an Kopfzerbrechen bereitete. Noch immer hatte Severus nicht auf ihren Brief reagiert, aber schon in wenigen Stunden würde sie wieder in seine dunklen Augen sehen können und ihm endlich persönlich sagen können, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Sie hatte Bedenken, dass er ihr ihre Fehlentscheidung übel nehmen würde, dass sie ihn zu sehr verletzt hatte, aber andererseits waren sie nicht im Streit auseinander gegangen. Sie hatten sich mehr oder weniger darauf geeinigt, dass es einfach besser sein würde, es nicht zu versuchen. Eine absolut falsche Entscheidung wie Lysanna schnell gemerkt hatte, zumindest für sie selbst war es auf keinen Fall besser.

Ihr Blick war starr aus dem Fenster gerichtet, die Landschaft schien geradezu an ihr vorbei zu fliegen, während Lysanna ihre Gedanken nachging und irgendwann fielen ihr, bei all diesen Überlegungen, auf die es einfach keine Antwort gab, die Augen zu. Das gleichmäßige Rattern des Zuges hatte sie müde werden lassen.

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Ein Ruck ging durch den Zug, als er mitten im schottischen Nirgendwo zum Stehen kam. Lysanna hatte tiefer geschlafen als erwartet und brauchte einen Moment, um zu realisieren, das sie noch nicht am Zielort angekommen waren. Erschrocken war sie zusammengezuckt, als der Ruck sie unsanft aus ihrem Schlaf gerissen hatte. Draußen dämmerte es bereits, sie hatte also mehrere Stunden geschlafen. Lysanna fröstelte, schob es aber zunächst darauf, dass sie so lange geschlafen hatte. Als die Lichter schließlich zu Flackern begannen und sich schlagartig eine erdrückende Stille im Zug ausbreitete, ahnte Lysanna bereits, was hier vor sich ging. Ihr Herz raste bei dem Gedanken daran, dass sich tatsächlich Dementoren im Zug befinden könnten. Sie hatte unweigerlich bereits einige Erfahrungen mit diesen düsteren Kreaturen gemacht, und kannte das Gefühl, dass sich langsam aber sicher hier ausbreitete. Eine scheinbar unaushaltbare Kälte schien durch jede Ritze zu kriechen und ließ sogar die Fensterscheiben gefrieren, während sich die Welt gänzlich grau zu färben schien. All die schönen Gedanken, all die Freude, das Lachen erstarben, während die Dementoren sich ihren Weg in das Innere des Zuges suchten. Solange die Kreaturen unter der Fuchtel des Zaubereiministeriums standen, hatten sie vor ihnen nichts zu befürchten, auch wenn Lysannas Vertrauen in das Ministerium stark gelitten hatte, sie würden nicht zulassen, dass die Dementoren unschuldige Kinder angriffen. Aber für Angst und Schrecken sorgten diese Kreaturen dennoch. Selbst Lysanna stellten sich jedes Mal die Nackenhaare auf, wenn sie diese furchteinflößenden Wesen zu Gesicht bekam. Diese erdrückende Kälte und diese depressive Stimmung, die ihre Anwesenheit hervorrief sorgten nicht gerade dafür, dass man sich wohl fühlte, wenn Dementoren in der Nähe waren. Sie wollte überhaupt nicht daran denken, was gerade in den Köpfen der Schüler vorgehen musste. Am Liebsten wär sie aufgestanden und hätte zumindest versucht einige von ihnen zu beruhigen, aber es war wirklich nicht die beste Idee sich den Dementoren direkt gegenüber, oder sogar in den Weg zu stellen.

"Alte Runen" eine Severus Snape FF - Snape x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt