Kapitel 12

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"Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich..", Lysanna sprach die Frage nicht vollständig aus, sondern zeigte auf einen der leeren Kessel. Sie hatte es satt an ihrem Tisch zu sitzen und zuzusehen, wenn sie schon am Unterricht teilnehmen musste, dann wollte sie auch am praktischen Teil teilnehmen.

Snape sah sie etwas erstaunt an, gab jedoch keine Widerworte, was Lysanna als "ja" wertete. Heute war Donnerstag. Seit dem gemeinsamen Rundgang in der Nacht auf Dienstag hatte es Lysanna nicht mehr geschafft mit Snape ins Gespräch zu kommen. Er war nicht sonderlich unfreundlich zu ihr und fuhr sie nicht an, aber er ignorierte ihre Anwesenheit genau so, wie er es am Anfang getan hatte. Lysanna wurde aus diesem Mann einfach nicht schlau. Heute Nacht musste sie ihn noch einmal auf seinen Rundgang durch das Schloss begleiten. Insgeheim hoffte sie, dass die Dunkelheit erneut die Gelegenheit zum Gespräch bot, denn ihr Interesse war nach wie vor ungebremst.

Was war das für eine alberne Frage? Wollte sie nun etwa Zaubertränke brauen. Wie eine Schülerin? Severus sah zwar keinen Sinn dahinter, aber warum hätte er Widerworte geben sollen. Tatsächlich verspürte er so etwas wie Neugier, wie sie sich anstellen würde. Die letzten beiden Tage waren beinahe eine Qual gewesen. Sie Tag für Tag, Stunde für Stunde, ansehen zu müssen, von diesen wunderschönen Augen fixiert zu werden. Er fragte sich, was in ihrem hübschen Kopf vorging, denn oftmals saß sie einfach da, mit einem kaum merklichen Lächeln im Gesicht und wirkte beinahe abwesend.

Noch nie zuvor hatte eine Frau ihn so angesehen und dieser Blick löste etwas in ihm aus, von dem er nicht geglaubt hätte, dass er es jemals wieder für einen Menschen empfinden könnte. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu diesen kurzen Momenten zurück, in denen sie sich so nahe gewesen waren, zu ihren Blicken, ihren eleganten Bewegungen und, auch wenn es ihm wirklich schwer gefallen war, sich das einzugestehen. Er hatte sich in sie verguckt. Zumindest ein wenig.

-

Die Schüler hatten sich mittlerweile im Klassenraum eingefunden und beinahe sofort war das Gemurmel und die Gespräche verstummt, als Snapes tiefe monotone Stimme ertönte:

"Bücher auf Seite 68!"

Noch immer jagte ihr diese Stimme einen leichten Schauer über den Rücken, aber das Gefühl war alles andere als Unangenehm.

Auf Seite 68 befand sich das Rezept zu einem Schlangenbissgegengift.

Schlangen. Wenn Lysanna eines fürchtete, dann waren es Schlangen. Während ihrer Arbeit im Ministerium hatte es mehrere Zwischenfälle mit diesen Tieren gegeben, die alle zwar mehr oder weniger glimpflich ausgegangen waren, aber trotzdem einen bleibenden Eindruck bei Lysanna hinterlassen hatten. Einmal wurde sie von einer Schlange gebissen, die Stunden danach waren die schlimmsten Stunden in Lysannas Leben gewesen. Das Gift der Viper hatte sie nicht nur gelähmt, sondern hatte ihr auch allerlei grauenhafte Halluzinationen beschert, die sich so real angefühlt hatten, dass es Lysanna noch heute einen Schauer über den Rücken laufen ließ, wenn sie nur daran dachte.

An das andere Schlangenerlebnis wollte sie nicht einmal denken.

Sie war so in ihre Gedanken vertieft, dass sie dem Professor überhaupt nicht mehr zugehört hatte. Erst, als die Schüler hektisch in ihren Taschen kramten, konnte Lysanna die Angst beiseite schieben. Zumindest für den Moment.

"Wenn sie dann alle soweit wären!", donnerte Snapes Stimme und die Schüler verstummten. Mit einem Wink seines Zauberstabs erschien nun vor jedem Schüler eine Schlange. Keine sonderlich große Schlange, aber die Tiere versuchten natürlich sofort in irgendeine dunkle Ecke zu entkommen, so dass die Schüler Mühe hatten, die Schlangen an Ort und Stelle zu halten.

"Mr. Longbottom, wenn ich ihnen einen Rat geben darf, lassen sie sich nicht beißen, ehe wir das Gegengift hergestellt haben.", kommentiere Snape das Verhalten eines Schülers, der sich nicht gerade geschickt im Umgang mit Schlangen anstellte.

"Alte Runen" eine Severus Snape FF - Snape x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt