Kapitel 29

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Seit einer Stunde trieb Severus sich bereits am Bootshaus herum. Er hatte sichergehen wollen, dass niemand hier war, der sie stören würde. Jetzt, kurz vor 16 Uhr, hatte er Sorge, ob Lysanna überhaupt kommen würde. Sie hatte nicht sonderlich begeistert gewirkt, als er ihr gesagt hatte, dass er gerne noch einmal mit ihr reden wollte. Angespannt ließ er seinen Blick über das dunkle Wasser des Sees schweifen, der still vor ihm lag. Er hatte Angst vor dem, was nun passieren würde. Er hatte nicht nur Angst davor, von Lysanna weiter zurück gewiesen zu werden, sonder auch davor, dass sie seine Situation verstehen konnte. Was dann? Wenn sie ihm tatsächlich verzeihen konnte. Sie würde trotzdem gehen..

"Severus?", ihre beinahe flüsternde Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Sie war gekommen. Als er sich umdrehte und den Blick vom See wandt, sah er Lysanna, die gerade die letzten Treppenstufen herunterkam. Wie angewurzelt stand er da, sah sie einfach nur an, wie sie mit ernstem Gesichtsausdruck langsam auf ihn zu kam.

"Du bist gekommen.", stellte Severus überrascht fest. Er hatte diesen Gedanken eigentlich nicht laut aussprechen wollen.

Sie nickte knapp, war etwa zwei Meter vor ihm stehen geblieben. Die hübschen Blauen Augen schienen ihn durchbohren zu wollen. Die Arme hatte sie abweisend vor dem Körper verschränkt.

"Lysanna, es..", die Worte wollten seinen Mund nicht verlassen. Was er ihr jetzt erzählen musste, war genau das, was er seit Jahren zu vergessen versuchte. Lilys Tod. Oder besser ihre kaltblütige Ermordung durch Voldemort.

"Was willst du mir sagen, Severus?", fragte Lysanna fordernd.

"Ich will dir erklären, was passiert ist. Warum alles so ist, wie es ist.", entgegnete Severus und machte unsicher einen Schritt auf Lysanna zu. Er brauchte sie. Er brauchte die Nähe und die Liebe, die sie ihm geben konnte. Es war ein Verlangen, das er nicht länger zurückhalten konnte, das ihn von innen heraus verzehrte, jetzt wo er sie vor sich sah.

"Fass mich nicht an!", fauchte sie und wich ängstlich einen Schritt zurück. Es fühlte sich an, als würde sein Herz in seiner Brust in tausende kleine Teile zerbrechen. Lysanna hatte Angst vor ihm. In ihren Augen war keine Spur von Zuneigung oder Verständnis, nur Kälte und Angst. Er musste sich abwenden, Severus konnte sie nicht länger ansehen. Er fühlte sich schwach, erbärmlich, was war er, wenn er es nicht einmal fertig brachte, sie anzusehen. Der Frau in die Augen zu sehen, für die er Gefühle hatte. Sie hatte Angst vor ihm, er wollte ihr keine Angst machen. Das war das letzte, was er jemals gewollt hatte. Der beinahe stechende Schmerz breitete sich unweigerlich in seinem Körper aus. Er musste sich jetzt zusammenreißen, dieser Moment war wahrscheinlich seine einzige Chance Lysanna überhaupt noch davon zu überzeugen, dass er nicht war, für wen sie ihn hielt. Kontrolle und Disziplin! Er musste die Emotionen verdrängen. Den Schmerz ausblenden. Nur für einen Moment. Es war schwer, aber er musste stark sein und kämpfen. Einen tiefen Atemzug später hatte er die Kontrolle zurück erlangt.

Zitternd beobachtete Lysanna, wie Severus sich abrupt von ihr abwendete. Sie hatte nicht so reagieren wollen, aber sie hatte Angst. Jetzt, wo sie allein mit ihm war, kam Severus ihr doch ziemlich bedrohlich vor. Als er dann noch auf sie zugegangen war, hatten die Emotionen einfach Überhand genommen. Instinktiv war sie vor ihm zurück gewichen, hatte ihn angefahren. Sie hatte das nicht sagen wollen. Es hatte ihn ganz offensichtlich verletzt und das hatte Lysanna nicht gewollt. Sie war hier, um sich anzuhören, was er zu sagen hatte. Sie wollte ihm diese Chance geben, sich zu erklären. Die Wut und Angst, die sie vor wenigen Sekunden noch verspürt hatte, waren mit einem Mal verflogen. Erst jetzt fiel Lysanna auf, wie niedergeschlagen Severus aussah. Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf starrte er auf das dunkle Wasser des Sees. Es brach ihr das Herz ihn so leiden zu sehen. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, wie schwer es für ihn war, ihr diese Erklärungen zu liefern. Es musste eine Erklärung geben, irgendeine Erklärung. Lysanna hoffte, dass das, was er ihr sagen wollte, sie überzeugen konnte. Sie wollte ihm verzeihen, wollte ihm einfach die Zuneigung entgegenbringen, die sie trotz allem empfand. Die Liebe.

"Alte Runen" eine Severus Snape FF - Snape x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt