Es dauerte einige Minuten, bis Lysanna wieder ganz bei sich war. Diese Trauer und der Schmerz, den sie gerade gefühlt hatte, hatten sie überwältigt. Sie wusste, dass es nicht ihre eigenen Gefühle waren und als sie den Kopf von dem kalten Steinboden anhob und die Augen blinzelnd öffnete, stockte ihr der Atem. Noch nie hatte sie Severus so gebrochen gesehen, wie in diesem Moment. Schluchzend und weinend kauerte er am Boden, ein Schatten seiner selbst. Er hatte sich von ihr abgewandt, aber es war nicht zu übersehen, dass es ihn all seine Kraft gekostet hatte, ihr diese Erinnerungen zu zeigen. Er hatte es ihr gezeigt, weil sie ihm wichtig war. Diese zweite, nicht ganz unerhebliche Erkenntnis, kam Lysanna jetzt erst. All das hatte er nicht einfach so gemacht. Er hatte sie überzeugen wollen, dass er kein schlechter Mensch war. Weil sie ihm etwas bedeutete. Lysanna wusste sofort, dass sie neben ihm selbst wahrscheinlich die einzige Person war, die all das wusste. Er hatte es ihr gezeigt, weil er sie liebt.
Vorsichtig ging sie auf ihn zu, aber selbst, als sie neben ihm in die Knie ging, schien er sie nicht zu bemerken. Auch ihr rannen noch immer Tränen über die Wangen, aber das war ihr in diesem Moment egal. Zärtlich legte sie ihre Hand auf seine Schulter, sie wollte für ihn da sein, wollte ihm zeigen, dass er nicht allein war. Severus zuckte erschrocken zusammen, drehte sich ein Stück von ihr weg, als wolle er verhindern, dass sie ihn so sah. Ein mehr als untauglicher Versuch. Einen Moment lang ruhte Lysannas Hand einfach nur auf seiner Schulter und sie hatte tatsächlich den Eindruck, dass er sich langsam beruhigte. Auch Lysanna wurde ruhiger. Sie genoss die Nähe, die sich gerade einfach nur richtig anfühlte, genoss die Wärme, die langsam in ihren Körper zurück kehrte. Vorsichtig rutschte sie näher an Severus heran, legte ihre Kopf auf seiner Schulter ab und griff nach einer seiner Hände, mit denen er sich auf seinen Beinen abstützte. Sofort erwiderten seine Finger den Griff und kurz hatte Lysanna den Eindruck, dass er ihre Hand womöglich zerquetschen würde.
Sie war da. Er spürte ihre Nähe, ihre Wärme, ihre Zärtlichkeit. Er konnte ihren Duft wahrnehmen, spürte ihr Haar, dass ihn an der Wange kitzelte. Sie hatte verstanden. Langsam beruhigte sich Severus, sehr langsam, aber letztendlich brachte er es sogar fertig, Lysanna anzusehen. Er blickte in die vor Tränen geröteten blauen Augen und er blickte in ein lächelndes Gesicht. Ein trauriges Lächeln, aber es war mit Abstand das wunderschönste Lächeln, dass er jemals zuvor gesehen hatte. Noch immer hielt er ihre Hand fest umklammert, aber, als ihm auffiel, wie fest er sie drückte, lockerte er vorsichtig seinen Griff. Er wollte ihr nicht wehtun. Sie wirkte so zerbrechlich, so verletzlich. Er hatte ihr schon zu viel unnötiges Leid zugefügt. Einen Moment lang sahen sie sich einfach nur schweigend an.
Lysanna versank in den dunklen Augen. Ihre Gesichter waren nur Zentimeter voneinander entfernt und für einen kurzen Moment glaubte Lysanna, dass Severus sie jetzt endlich küssen würde. Stattdessen zog er sie jedoch in eine innige Umarmung, vergrub sein Gesicht in ihrem Haar und hielt sie fest umklammert. Seine tiefen Atemzüge verdeutlichten, wie sehr er diese Nähe gerade brauchte. Lysanna erwiderte seine Berührung, schmiegte sich zärtlich an ihn. Es lagen so viele Emotionen in dieser simplen Umarmung, das Lysanna beinahe froh war, dass er sie nicht einfach nur geküsst hatte. Diese Umarmung enthielt so viel mehr Gefühle , als ein Kuss jemals hätte ausdrücken können. Er zeigte ihr gerade seine verletzlichste Seite, offenbarte ihr mit dieser Umarmung, wie sehr er sie brauchte, wie viel sie ihm bedeutete. Das er sie liebte. Lysanna war überwältigt von den Emotionen. Sie waren sich so nah, ihr Kopf lag auf seiner Schulter, sie spürte seinen Atem, seine Wärme. Unweigerlich schlich sich ein glückliches Lächeln auf Lysannas Gesicht.
Endlich hatte er das, wonach er sich die ganze Zeit über so gesehnt hatte. Noch nie, waren sie sich so nah gewesen, noch nie hatte sich eine Berührung so richtig angefühlt, wie in diesem Moment. Er hatte nicht nachgedacht, hatte einmal einfach auf sein Herz gehört und nun saß er da und hielt diese bezaubernde Frau in seinen Armen, die er am Liebsten nie wieder loslassen wollte. Lysannas Atmung hatte sich mittlerweile beruhigt. Beinahe entspannt ruhte ihr Kopf auf seiner Schulter, während er sein Gesicht in ihrem weichen goldenen Haar vergrub und ihren betörenden Duft in sich aufnahm. Vom Glück überwältigt küsste er sie zärtlich ihren Kopf. Vorsichtig löste er seine Hände von ihrem Körper, nur um sie wenige Augenblicke später noch ein Stück näher zu sich zu ziehen. Eine seiner Hände lag an ihrem Hinterkopf, während er mit der anderen ganz vorsichtig ihr Haar beiseite strich, um endlich ihr wunderschönes Gesicht sehen zu können. Lysannas Augen waren geschlossen und ihre Lippen wurden von einem zufriedenen Lächeln geziert. Dieser Moment war einfach zu schön, um wahr zu sein.
Sie gab sich einfach seinen Berührungen hin. Ganz behutsam ging er mit ihr um, zärtlich, als hätte er Angst, ihr weh zu tun. Es lag so viel Liebe in seinen Berührungen, noch nie zuvor war Lysanna auf diese Weise angefasst worden. Sie dachte nicht nach, genoss einfach nur jede einzelne Sekunde, die sie in seinen Armen verbringen durfte. Zufrieden schmiegte sie sich noch ein wenig näher an ihn, was er mit einem vorsichtigen Kuss auf ihre Stirn beantwortete. Nie war Lysanna bislang glücklicher, als in diesem Moment. Ihr Körper war vollumfänglich in Liebe und Wärme gehüllt. Nicht einmal der kalte Wind, der mittlerweile vom See ans Ufer kroch, konnte die Wärme vertreiben.
"Es tut mir leid.", flüsterte Severus leise direkt in ihr Ohr. Seine tiefe Stimme ließ einen wohligen Schauer über Lysannas Rücken laufen. Sie liebte ihn, mehr als ihr bislang bewusst gewesen war. Langsam hielt eine angenehme Erschöpfung in Lysannas Körper Einzug, sie war müde, dieser kurze, aber heftige Kampf hatte an ihren Kräften gezehrt. Gehüllt in Wärme und Liebe bemerkte sie nicht einmal, wie sie langsam in einen tiefen Schlaf wegdämmerte.
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"Alte Runen" eine Severus Snape FF - Snape x OC
FanfictionMit Hogwarts verbindet die junge Hexe bislang nur die schönen Erinnerungen ihrer eigenen Schulzeit, aber was passiert, wenn sie jetzt als Professorin an die Schule zurückkehrt? Ich warne euch vor: In dieser Geschichte gibt es keine Liebesgeständnis...