Kapitel 39

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Lysanna fand sich vor dem Büro des Schulleiters wieder. Bis zur Zeremonie am Abend war noch etwas Zeit und sie hatte noch ein Geschenk abzuliefern.

"Toffeepraline.", sagte sie unsicher und war mehr als überrascht, als sich die Treppe tatsächlich in Bewegung setzte. Sie hatte soeben das Passwort zum Büro des Schulleiters erraten. Gut, es war in anbetracht des offensichtlichen Hinweis nicht sonderlich schwierig gewesen, aber sie hatte beim ersten Versuch einen Volltreffer gelandet. Schmunzelnd betrat sie die Treppe.

"Komm ruhig rein!", rief Albus bereits, ehe sie überhaupt zum Anklopfen kam.

Zögernd öffnete Lysanna die schwere Holztür. Sie war aufgeregt, beinahe schlimmer, als an ihrem ersten Tag. Die Schachtel mit den Pralinen hielt sie bereits in Händen. Verkrampft hatten sich ihre Finger um die Schachtel geschlossen, als sie das Büro betrat.

"Nur nicht so scheu! Es gibt keinen Grund, weshalb du ein schlechtes Gewissen haben müsstest. Schön, dass du wieder da bist.", Albus begrüßte sie mit einem wissenden Lächeln und widmete sich sodann den Pralinen in Lysannas Händen.

"Oh, vorzüglich. Ich bin begeistert. Danke! Mhmm...", er kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus.

"Du hast also meinen kleinen Hinweis erraten, ja.", fügte er hinzu, während er genüsslich eine der Toffeepralinen zerkaute. Lysanna nickte mit einem schüchternen Lächeln. Diese herzliche Aufnahme hatte sie nicht erwartet, sicher würde Albus noch einige Fragen an sie haben, aber Lysanna war froh ihm offenbar nicht gleich Rede und Antwort stehen zu müssen.

"Weiß Severus schon, dass du wieder hier bist?", fragte Albus nach wenigen Augenblicken ziemlich direkt. Lysanna sah ihn überrascht an. Die unverblümte Art des Schulleiters erstaunte sie jedes Mal aufs Neue.

Lysanna schüttelte etwas niedergeschlagen den Kopf, während sie an den Brief dachte, der seit Wochen unbeantwortet geblieben war. Mittlerweile hatte die vorsichtige Freude auf das baldige Wiedersehen wieder der Angst darüber Platz gemacht, wie er auf sie reagieren würde.

"Nicht?", hakte Albus etwas überrascht nach und sah sie fragend an.

"ich hatte ihm einen Brief hierher geschickt, aber er hat nicht darauf geantwortet.", gab Lysanna knapp zu.

"Oh, verstehe. Naja, weißt du, Severus war nicht hier. Er hat die ganzen Ferien in seinem Haus verbracht und kam erst gestern Abend zurück.", erklärte Albus mit einem beruhigenden Lächeln. Lysanna hätte eigentlich selbst darauf kommen können, er hatte ihr natürlich von dem Haus erzählt, aber sie hätte nicht damit gerechnet, dass er wirklich die gesamten Sommerferien dort verbringen würde. Immerhin waren seine Erinnerungen, die er mit diesem Haus verband, nicht unbedingt freudig. Wenn er also erst Gestern zurückgekommen war, hatte er also auch ihren Brief erst gestern erhalten. Er hatte sie also nicht ignoriert, sondern hatte einfach keine Kenntnis von ihrer Kontaktaufnahme. Lysanna wusste nicht, ob sie darüber erleichtert oder beunruhigt sein sollte.

"Ich bin sicher, er wird sich freuen dich zu sehen.", fügte Albus hinzu, als hätte er Lysannas Gedanken gelesen.

"Du bedeutest ihm wirklich viel, ich habe ihn erst einmal so erlebt und dass war damals, mit Lily Potter. Aber ihr beiden werdet schon eine Lösung finden, da bin ich sicher. Hattest du eine gute Anreise?", wechselte Albus schnell das Thema. Lysanna hatte Schwierigkeiten sich auf die Frage des Schulleiters zu konzentrieren, ihre Gedanken kreisten um Severus. Aber plötzlich kamen ihr die Dementoren wieder in den Sinn. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken.

"Ja, an sich war die Anreise gut, aber der Zug wurde angehalten und von Dementoren durchsucht.", stellte sie fest.

"Ja, eine reine Vorsichtsmaßnahme. Nichts, was uns zum jetzigen Zeitpunkt beunruhigen müsste. Aber wir werden diese Kreaturen wohl noch eine Weile um uns haben. Zumindest bis Sirius Black gefunden wurde. Das Ministerium hat darauf bestanden, die Schule von Dementoren bewachen zu lassen.", erklärte Albus, ohne wirklich eine Erklärung für all das zu liefern. Lysanna war sich sicher, dass mehr hinter dieser ganzen Aktion steckte, als nur eine Vorsichtsmaßnahme des Ministeriums. Entweder gab es konkrete Hinweise, dass Black sich hier aufhielt, oder man vermutete, dass er herkommen würde. Ehe Lysanna auch nur eine weitere Frage dazu hätte stellen können, fuhr der Schulleiter fort:

"Also, deine Räumlichkeiten sind schon für dich vorbereitet. Ich hoffe die Zimmer, das du im letzten Jahr bewohnt hast, sind in Ordnung für dich? Dein Büro bekommst du natürlich auch zurück und ich habe mir überlegt, dass du in der Zeit, in der du selbst keinen Unterricht hast, vielleicht den Lehrkräften der Hauptfächer zur Hand gehen könntest und hier und da etwas aushelfen kannst. Wäre das in Ordnung für dich?"

"Selbstverständlich Albus. Das ist mehr als in Ordnung. Ich bin ehrlich froh, wieder hier zu sein. Im Nachhinein frage ich mich, warum ich nicht gleich gesagt habe, dass ich bleibe.", entgegnete Lysanna lächelnd. Bei ihrem letzten Satz schlich sich ein nachdenklicher Unterton in ihre Stimme.

"Du solltest aufhören in der Vergangenheit zu leben. Das Leben passiert hier und jetzt, nicht gestern, nicht morgen und auch nicht in zwei Wochen. Verschwende deine Zeit nicht mit Dingen, die du nicht mehr ändern kannst, oder die du noch nicht vorhersehen kannst.", sagte Albus und streichelte nachdenklich über das Gefieder seines Phönix.

Lysanna musste bei seinen Worten lächeln. Einfacher gesagt als getan, aber eigentlich hatte er nicht ganz Unrecht.

"Ich habe den anderen Lehrkräften noch nichts davon gesagt, dass du zurückkommst. Außer Minerva und mir, weiß niemand Bescheid. Ich dachte mir, du willst es ihnen selbst mitteilen.", in Albus Gesicht lag ein schelmisches Grinsen.

"Ich werde wohl nachher einfach zum Essen auftauchen.", stellte Lysanna grinsend fest, bevor sie sich von dem Schulleiter verabschiedete.

Sie hatte ohnehin nur noch eine knappe Stunde, bis das Festmahl stattfinden würde und wollte sich zumindest noch ein wenig frisch machen. Nachdem sie das Büro des Schulleiters verlassen hatte, waren sofort die Gedanken an das Zusammentreffen mit Severus zurück gekommen. Sie hatte überlegt, ob sie vor der Zeremonie zu ihm gehen sollte, hatte sich aber schlussendlich dazu entschieden einfach beim Festmahl aufzutauchen und die Lehrkräfte und Schüler zu überraschen. Danach würde sie dann mit ihm reden. Aus irgendeinem Grund schien es ihr nur fair, nicht einfach unangemeldet bei ihm vor der Tür zu stehen und ihn zu überrumpeln. So hatte er wenigstens ein wenig Zeit, beim Essen die Überraschung zu verarbeiten und sich auf ein Gespräch mit ihr vorzubereiten. Noch immer war Lysanna unsicher, ob er sich überhaupt freuen würde. Wahrscheinlich hatte sie sich auch deshalb für das Zusammentreffen im Beisein der anderen entschieden, um eine mögliche Eskalation vorzubeugen.

Mit einem Lächeln öffnete sie die Tür zu ihren Gemächern. Sie war zuhause. Alles sah noch genauso aus, wie sie es zurückgelassen hatte. Im Kamin brannte ein knisterndes Feuer, die Hauselfen hatten alles sauber gemacht und ihr Gepäck war bereits hergebracht worden. Sofort fühlte Lysanna sich wohl. Sie war froh, dass sie nie wieder in diese viel zu enge Stadtwohnung zurückkehren musste.

Die Koffer waren dank ein wenig magischer Unterstützung schnell ausgepackt und alle ihre Sachen fanden einen Platz. Obwohl das Bücherregal bereits gut gefüllt war, hatten erstaunlicherweise fast alle ihre eigenen Bücher auch noch einen Platz im Regal gefunden. Auf dem Kaminsims stand nun ein Bild ihrer Eltern, die ihr lächelnd zuwinkten, und ein Bild, dass sie selbst in Quidditchuniform neben ihrer Tante Minerva zeigte. Das Bild war direkt nach ihrem ersten Sieg in der Gryffindor Schulmannschaft entstanden. Lysanna musste lächeln, als ihr jüngeres Ich sie stolz und triumphierend aus dem Bild heraus anstrahlte. Damals hatte sie sich noch keine Sorgen um solch komplizierte Dinge wie die Liebe machen müssen.

Die vielen kleinen Andenken, Lysannas Mutter brachte jedes Mal eine ganz besondere Kleinigkeit von ihren Reisen für sie mit, verteilte sie zwischen den Büchern und den Bildern auf dem Kamin. Sie mochte dieses aufgeräumte Durcheinander von verschiedenen Dingen, es machte den Raum lebendig. Zu guter letzt drapierte Lysanna noch eine grobe Wolldecke in einem dunkelroten Tartanmuster auf dem dunklen Sofa. Ihre Lieblingsdecke und wahrscheinlich das einzige Stück, dass ihr hier im letzten Jahr wirklich gefehlt hatte. Diese Decke, ein gutes Buch, eine Tasse Tee um im Kamin ein schönes Feuer. Viel mehr brauchte Lysanna nicht, um glücklich zu sein, naja wobei, eine Sache fiel ihr noch ein..

"Alte Runen" eine Severus Snape FF - Snape x OCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt