Witch Hunt - Die Prüfung ✔

87: Verzeihung und Ratschläge

Soobin spürte den verzweifelten Blick seiner Mutter, dass sie ihrer Schwester keineswegs vertraute und auch die anderen waren skeptisch, hatten sie bereits mehrmals Lio - Chens eiskalte Lügen miterlebt.

Die Königsschwester war eine extrem gute Schauspielerin, formte die Dinge so, wie sie gerade passten und scherte sich nicht um das Wohl ihrer Mitmenschen.

Shin - La hatte dies am eigenen Leib erfahren, war von Lio - Chen ins Grab getrieben und noch nicht einmal mit einer einzigen Träne bedacht worden.

Sie hatte ihre Schwester stets umgarnt, ihr falsche Versprechen gemacht, nur um selbst einmal Königin zu werden und nicht nur Prinzessin, keine würdige Anwärterin auf den Thron.

Sie hatte sich mit dem Seelenbrecher verbündet, ja am Ende sogar mit dem Sha - Clan, der im Großen und Ganzen noch viel grausamer war.

Sie hatte Soobin, ihrem einzigen Neffen, nach dem Leben getrachtet, nur aufgrund seines Mischlingsblutes, das angeblich besudelt und dreckig gewesen wäre, ihn zu einem ebenso besudelten König machen könnte...

Und da sollte sie Lio - Chen vertrauen?

Nach allem, was sie getan hatte?

Nach allem, was sie ihrer Schwester, ihrem Neffen, ihrer Familie, angetan hatte?

Diese Taten galten als unverzeihlich und doch spürte Shin - La tief in ihrem Inneren, dass es eigentlich falsch war.

Wer war sie, wenn sie ihre eigene Schwester hinrichten ließ, vor dem ganzen versammelten Volk der Hexenwelt?

Wer war sie, dass sie ihr nicht verzeihen, ihr nicht vertrauen konnte?

Ihr keine zweite Chance geben konnte?

"Alles wird gut, meine Geliebte!", murmelte Seokjin dicht an ihrem Ohr und küsste seine Königin auf die Wange, Namjoon wandte sich bestürzt ab.

"Du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich durchgemacht habe, um hierher zu kommen...und nun stehst du endlich vor mir, wie in meinen wunderschönsten Träumen - "

Ein lautes Räuspern ließ die beiden Wiedervereinten auseinander fahren und Jimin rief:

"Ich habe eine Idee, wie wir herausfinden können, ob Lio - Chen die Wahrheit spricht...Suga und Taehyung, nehmt meine Hand!"

Die beiden ahnten, was er vor hatte und taten wie ihnen geheißen, grelle Funken bildeten sich um ihre Handflächen.

Umo Ko - Li.
Umo Ko - Ki.
Tujo Ko - Ji.
Tujo Lo - Ji.
Zuto Go - Li,
Zuto Ho - Ji.

So halte ein, du dummer Wicht,
auf dass du nun die Wahrheit sprichst!

Der mit vereinten Kräften gewebte Spruch entfaltete sich über Lio - Chen wie die zarten Flügel eines Schmetterlings und die Königsschwester lächelte matt:

"Ja, es ist die ganze Wahrheit. Ich möchte an eurer Seite gegen den Sha - Clan kämpfen, all meine Fehler wieder wett machen und nicht mehr die Böse spielen müssen. Diese Zeiten sind endgültig vorbei, ich habe es wirklich vermisst, dein Gesicht zu sehen, Schwesterlein...also, verzeihst du mir?"

Shin - La zögerte, dann zog sie Lio - Chen in eine innige Umarmung, hielt sie eng umschlungen.

"Ich verzeihe dir!", murmelte die Königin und ihrer Schwester traten Tränen in die Augen, winkte Soobin und seine Freunde zu sich heran:

"Komm her, mein Binnie...hab keine Angst. Du brauchst nie mehr Angst zu haben, vor rein gar nichts, solange wir alle zusammen sind - na komm, mein Junge!"

Der junge König trat ebenfalls zögernd auf seine Tante zu, Taehyun, Beomgyu, Kai und Yeonjun folgten ihm.

"Hiermit verzeihe ich all deinen Taten, Lio - Chen und hoffe sehr, dass du deinen baldigen Frieden findest!", rief Soobin und schmiegte sich eng an seine Mutter, wisperte:

"Ich wünschte, du wärst für immer bei mir...was, wenn ich in meiner Rolle als König doch versage und ich im kommenden Krieg unfähig bin, mein Volk zu schützen - und gleichzeitig die Menschenwelt? Mum, sag es mir..."

Shin - La strich ihrem Sohn über die verwuschelten blauen Haare, begann langsam zu verblassen.

"Als König geht es nicht darum, ob man dazu fähig ist, mein Schatz!", murmelte sie.

"Das Einzige, was als König zählt, ist die Größe deines Herzens und was du selbst tun musst, um beide Welten zu beschützen. Jeder große Herrscher hat klein angefangen, also warum nicht auch du? Nimm diese Worte als Wegweiser für die Zukunft und du wirst Erfolg haben. Und deine Freunde werden stets bei dir sein, dich leiten, wenn es wirklich drauf ankommt. Leb wohl, mein kleiner Prinz!"

Mit bebenden Lippen schaute Soobin zu, wie seine Mutter sich auflöste, sich zur ewigen Ruhe von ihm verabschiedete und dennoch bei ihm sein würde - für immer.

Taehyun, Beomgyu, Kai und Yeonjun drückten ihren Gefährten ganz fest und trösteten ihn, genossen die Wärme des jeweils anderen und fühlten zum allerersten Mal jene unerschütterliche Macht, die die Fünf schon damals zusammen geschweißt hatte.

Die Macht der Freundschaft.

Auch Jin vergoss stille Tränen, war seine Geliebte nun fort und würde sich ihm nie wieder offenbaren - er hatte sie letztendlich doch gehen lassen, ohne etwas zu erzwingen, was er am Ende ja doch bereut hätte.

Namjoon ahnte, dass seine Geste falsch gewesen war und küsste seinen Ehemann auf die spröden, so warmen Lippen:

"Ach Jin - wir stehen das gemeinsam durch, verlass dich drauf. Und ich glaube, Jungkook hat hier noch etwas für dich!"

Jungkook überreichte seinem Vater die kleine Panflöte, entgegnete:

"Wenn du dich je einsam fühlst, spiel ein paar Töne und Shin - La wird sich dir offenbaren...ein weiser Mann hat es mir gesagt!"

Jin nahm das Instrument entgegen, zauberte sich einen Anhänger und hängte es sich um den Hals.

"Danke, Jungkook!", rief er, Jimin wurde langsam ungeduldig:

"Ich möchte ja wirklich nicht stören, aber wir müssen immer noch diesen Kristall finden, der den Schwarzen Schwan besiegen kann..."

"Und wir müssen immer noch Zim - Shao besiegen!", riefen Taehyun und Soobin gleichzeitig, auch Hoseok war mit dem abrupten Ende seiner Mission durch die Wüstenebene nicht zufrieden:

"Ich war gerade dabei, eine vergessene Zivilisation voller Werschakale zu finden und dann lande ich plötzlich hier...obwohl ich diesem Ak - Sha - Irgendwer nicht ganz traue!"

Lio - Chen beruhigte sie, zwinkerte.

"Habt ihr es nicht längst erraten? Diese ganze Expedition durch die Zwischenreiche bis zur Unterwelt habe ich eingefädelt. All die Dinge, die ihr dort gesehen habt, waren Illusionen, um euren Mut zu testen, ob ihr dem Kristall auch würdig seid, ihn zu zerstören. Es gibt kein Lager der Vergessenen, geschweige denn eine Stadt voller Werschakale. Außer Yoongi und Jungkook hat jeder von euch bei seinem Test versagt, nicht genug Courage gezeigt, die nötig ist, um sich auf den Kristall vorzubereiten - dabei war dieser Kristall die ganze Zeit vor eurer Nase, hat euch gelenkt...euch die perfekten Illusionen, die perfekte Lüge ins Hirn gepflanzt. Na, was glaubt ihr?"

Suga überlegte angestrengt und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

Lio - Chen war nicht nur eine begabte Schauspielerin und Königsschwester, die sie alle die ganze Zeit über hinters Licht geführt hatte.

Sie war auch der Schlüssel zur endgültigen Vernichtung des Schwarzen Schwans, hatte sie geleitet und geführt, jeden einzelnen ihrer Schritte verfolgt.

Lio - Chen war der Kristall des Vergessens...oder vielmehr, ihre Seele war es!