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Als ich am nächsten Morgen die Küche durchstöberte, war noch keiner da. Es war noch früh und schließlich der Sonntag bevor die Schule anfing. Kein Wunder, dass alle ausschlafen wollten. Ich entschied mich für eine Schüssel Müsli und spülte sie anschließend direkt ab. Die Schüler mussten wirklich verantwortungsbewusst sein oder aber diese Küche würde in wenigen Tagen einfach nur ekelhaft sein. Wir würden sehen. Im Notfall stand in unserem Zimmer ein Minikühlschrank. Ich war mir zwar ziemlich sicher, dass Kim diesen mitgebracht hatte und er nicht zur Standardausstattung gehörte, aber sie würde schon nichts dagegen haben, wenn ich da ein oder zwei Sachen reinstellte.

Zurück in meinem Zimmer, schaltete ich die Kaffeemaschine wieder ein und beobachtete wie dieser Traum eines Getränkes in die Tasse floss. Nichts konnte dem das Wasser reichen.

Ich lief nach draußen auf den Balkon und stützte mich mit den Unterarmen auf dem Geländer ab, während mein Blick über den See glitt. Später würde ich mir den nochmal in Ruhe anschauen gehen. Ohne diesen nervigen Robin. Eigentlich sollte ich wohl jetzt gehen, aber bevor ich mich dazu entschieden hatte, hörte ich rechts von mir eine Tür auf und wieder zu gehen.

Kurz hatte ich Panik, dass es sich um Robin handeln würde, doch zu meinem Glück, war es Oli, der auf den Balkon trat.

„Guten Morgen.", begrüßte ich ihn leise und richtete mein Blick zurück auf das Wasser.

„Morgen! Stört es dich, wenn ich hier ein paar Fotos mache?"

„Nur zu. Lass dich von mir nicht aufhalten."

Oli hob die Kamera bereits hoch, doch sein Blick blieb ganz plötzlich an meinen Händen hängen. „Was ist das?"

Mit gerunzelter Stirn stellte ich fest: „Das ist eine Tasse Kaffee?"

„Ja, aber wo hast du den her?", fragte er. „Bist du etwa extra in den Speisesaal gelaufen? Ich hätte nichts dagegen, wenn du mir das nächste Mal einen mitbringst, wenn du sowieso hingehst! Also nur, wenn es dir nichts ausmacht. Der morgendliche Kaffee ist wohl das einzige, was ich hier vermisse, aber ich bin meistens zu faul, um dort hinzulaufen."

Ich lachte kurz auf. „Wie trinkst du ihn denn?"

„Mit einem Schuss Milch." Freude trat auf sein Gesicht. „Heißt das, du bringst mir das nächste Mal einen mit?"

„Das heißt, ich mache dir jetzt einen.", antwortete ich und lief zurück in mein Zimmer.

Seinem verdutzen Gesichtsausdruck, als ich wieder rauskam, nach zu urteilen, hatte er es noch nicht verstanden und während ich ihm die Tasse und die Milch reichte, erklärte ich: „Chris-, also mein – Ähm, ich habe eine Kaffeemaschine zur Einweihung geschenkt bekommen. Ohne Kaffee kann ich einfach nicht überleben!"

„Oh wie genial!", rief er. „Dass ich selbst noch nicht auf die Idee gekommen bin." Er schüttelte ungläubig den Kopf und nahm einen Schluck. „Meine Güte, der schmeckt zu himmlisch! So viel besser als den, den es hier gibt!"

„Das freut mich!"

Wir schwiegen, beide unseren Kaffee genießend, doch nach ein paar Minuten unterbrach Oli die Stille: „Er ist nicht immer so."

Auch wenn er keinen Namen verwendete, wusste ich von wem er sprach. Von Robin.

„Er ist ein riesiges Klischee. Harte Schale, weicher Kern, weißt du? Er macht viele Witze, sagt was er denkt, ohne wirklich darüber nachzudenken, ob es jemanden weh tut, aber er hat ein gutes Herz. Er verbirgt es nur sehr gut."

„Wieso erzählst du mir das?"

„Das weiß ich nicht genau. Es erschien mir richtig..." Er machte eine kurze Pause. „Die Schule ist klein und ihr wohnt Tür an Tür und ich, für meinen Teil, finde dich sehr nett und würde mich freuen, wenn wir Zeit miteinander verbringen würde und Kim bestimmt auch, sobald sie dich kennt und wir sind alle befreundet. Er wird dir oft über dem Weg laufen. Da führt nichts dran vorbei und deshalb solltest du wohl wissen, dass er nicht nur ein Arschloch ist."

Greatest Love but Greatest FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt