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Am nächsten Morgen, beziehungsweise genaugenommen ja am gleichen Morgen, wachte ich viel zu früh auf. Ich hatte nicht schlafen können. Mein schlechtes Gewissen Kim gegenüber hatte mich wachgehalten.

Als ich es nicht mehr aushielt stand ich auf und verließ das Haus, nachdem ich Christoph für alle Fälle eine Notiz in der Küche hinterlassen hatte.

Es war nichts los. Natürlich war nichts los. Um diese Uhrzeit war auch an normalen Tagen niemand unterwegs, aber am 1. Januar? Da schien sie Stadt ausgestorben.

Trotzdem stand ich vor dem Schwimmbad und versuchte mich so weit zu sammeln, dass ich später, wenn sie öffneten, bereit sei durch diese Tür zu treten.

Doch nur eine Stunde später, tauchte ein Typ, wenige Jahre älter als ich, hinter mir auf. „Die machen erst in zwei Stunden auf oder bist du neu im Verein?"

„Verein? Ich? Äh Nein."

Er lachte auf. „Bist du betrunken und weißt nicht, was du tust?"

„Was? Nein!", rief ich und schüttelte den Kopf. „Sorry, ich... Ich habe nicht damit gerechnet hier jemanden zu treffen, das ist alles und ja, ich weiß, dass es noch zu früh ist."

„Du wolltest also niemanden treffen, weißt, dass das Schwimmbad noch zu hat und du bist auch nicht betrunken." Er runzelte die Stirn. „Was machst du dann hier? Wolltest du einbrechen?"

„Einbrechen? Ich? Nein!" Ich traute mich ja nicht einmal zu Öffnungszeiten rein. „Das wollte ich sicher nicht. Ich wollte nur hier stehen."

„Du wolltest vor dem Schwimmbad sehen und nichts machen?"

„Ja.", bestätigte ich, auch wenn ich wusste, wie falsch das klang.

Er hob die rechte Augenbraue. „Das soll ich dir glauben?"

„Was machst du denn hier?", fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Im Gegensatz zu dir kann ich das ganz einfach erklären." Er holte einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche und klimperte damit herum. „Meinem Vater gehört das Schwimmbad und ich bin über die Ferien hier, aber wollte mein Training nicht vernachlässigen. Ich schwimme aber immer am liebsten morgens und so habe ich das Becken auch für mich."

„Oh." Na toll. Er hatte also wirklich einen guten Grund hier zu sein.

„Ich bin übrigens Adrian." Er streckte mir seine Hand hin.

„Elle." Ich schüttelte sie. „Lass dich von mir aber nicht aufhalten. Ich wollte wirklich nur hier rumstehen..."

Lachend schüttelte er den Kopf. „Das kauft dir doch keiner ab. Du musst dir schon eine bessere Ausrede einfallen lassen."

„Es ist keine Ausrede. Es ist die Wahrheit."

„Das witzige ist ja, dass dein Körper deine Lügen nicht enttarnt. Du bist wahrscheinlich echt gut darin, obwohl ich normalerweise jedem im Gesicht ablesen kann, wenn er lügt. Bei dir nicht. Bei dir sind es die Worte." Er lehnte sich nach hinten gegen die Wand. „Die meisten haben einen guten Inhalt, sind aber miserabel darin die Lügen zu verstecken. Du bist gut im Lügen, aber furchtbar im Inhalt."

Seufzend lehnte ich mich an die gegenüberliegende Wand. „Dann bin ich ja froh, dass es egal ist, ob du mir glaubst oder nicht."

„Da hast du recht." Er musterte mich einige Augenblicke lang. „Willst du rein?"

„Was?"

„Du kannst mit mir rein, wenn du willst. Du musst nicht vor der Tür warten bis sie offiziell aufmachen." Als ich nicht antwortete, fuhr er fort: „Darum bist du doch wohl hier? Ob du es einfach verpeilt hast, dass es noch zu früh ist oder ob du einbrechen wolltest, ist jetzt auch egal. Ich lass dich rein und du kannst schwimmen gehen."

„Das ist... lieb von dir..."

„So bin ich." Er grinste mich an und steckte den Schlüssel in die Tür.

„Aber nein.", fuhr ich fort.

Er drehte sich zu mir um. „Wie nein?"

„Ich bin wirklich nicht zum Schwimmen hier."

„Das Ding ist, dass mein Bauchgefühl sagt, dass das die Wahrheit ist, aber es ergibt so gar keinen Sinn." Er legte den Kopf schief. „Wenn du sagen würdest, dass das hier eine Mutprobe ist, dann würde ich dir glauben, aber dass eine hübsche, junge Frau, wie du, vor dem Morgengrauen aufstehst, zu einem Schwimmbad fährst, um dann davor zu stehen und nichts zu tun, kann ich nicht glauben. Was steckt dahinter?"

„Wäre ich ein hässlicher, alter Mann würdest du mir das also glauben?"

„Wärst du alt würde ich denken, du wärst dement.", gab er zurück. „Und was den Rest angeht, nennt man das wohl flirten."

Ich öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder.

„Was?"

„Du flirtest mit mir?"

„Ist das so abwegig? Ich bin 19, wir müssten also ungefähr in einem Alter sein, oder etwa nicht?"

„Doch schon, aber..."

„Aber du hast einen Freund?"

„Nein, habe ich nicht, aber..." Erneut brach ich mitten im Satz ab.

„Aber was?"

„Aber- Du hälst mich für eine Lügnerin und oder für verrückt, aber du flirtest mit mir?"

Bei diesen Worten fing er laut an zu lachen. „Wer sagt, dass ich nicht verrückt bin? Vielleicht gefällt mir gerade das an dir?"

„Hmm, aber ob ich mit einem Verrückten in ein leeres Schwimmbad gehen will?"

„Auch wieder wahr." Er grinste. „Aber was ist? Kommst du mit oder bleibe ich hier bist du mir erklärt hast, was du willst?"

Greatest Love but Greatest FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt