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Der erste Unterrichtstag verlief auch nicht groß anders als der letzte erste Schultag an einer neuen Schule. Die Lehrer verlangten immer noch, dass ich mich kurz vorstellte, wobei ich mich immer nach meinem Namen wieder setzte und nichts über mich erzählte, wie sie es eigentlich wollten und die Schüler, die mich bisher noch nicht gesehen hatte, musterten mich neugieren. Manche lächelten mich freundlich an und andere tuschelten hinter vorgehaltener Hand. Eben alles wie gehabt.

Der einzige Unterschied war die Klassengröße. Ich war es gewohnt eine von knapp 30 Schülern zu sein, doch hier bestand eine Klasse gerade mal aus der Hälfte. Es waren wohl immer zwei Klassen pro Jahrgang, die jedoch klein ausfielen. Die unteren Stufen hatten ihre Wohnheime getrennt von den unseren, wie ich erfahren hatte. Wo genau die Gebäude waren, wusste ich nicht. Vermutlich irgendwo hinter dem Schulgebäude, aber das betraf mich ja ohnehin nicht.

Manche Lehrer testeten mein Wissen, aber das meisterte ich weitestgehend ohne Probleme. Ich war immer gut in der Schule gewesen. Meine Eltern hatten mir damals das Versprechen abgenommen, die Schule nicht zu vernachlässigen und das hatte ich auch nie. Vielleicht auch zum Teil aus Angst, dass sie mir dafür andere Sachen in meinem Leben wieder strichen, wobei ich im Nachhinein nicht glaubte, dass sie das wirklich getan hätten. Sie wussten, dass es sich dabei um meine große Leidenschaft gehandelt hatte und sie liebten es mir dabei zuzusehen. Sie sagten immer, dass ich nie glücklicher ausgesehen habe.

In den letzten Jahren hatte ich nur noch mehr Zeit in die Schule investiert, da ich mein Hobby nicht mehr ausführte und auch Manu und meine Freunde nicht mehr da waren, mit denen ich Zeit hätte verbringen können. Neue Freundschaften hatte ich, seit ich bei Christoph lebte, nicht mehr geschlossen.

In der Mittagspause schloss ich mich, wohl oder übel, Oli und Robin an. Sie ließen mir nicht wirklich eine Wahl, aber das war schon in Ordnung. Auch wenn mich Robin auf die Palme brachte und ich ihn am liebsten jede Sekunde anschreien würde, war Oli wirklich nett. Meine Worte vom ersten Tag, er würde Robins Anwesenheit kompensieren, trafen sogar stärker zu als ich in diesem Moment gedacht hatte.

Auch, wenn ich mich nicht entsinnen konnte wie sie das geschafft hatten, hatten sie mich überredet am Nachmittag mit ihnen an den Strand zu gehen, wie sie es nannten, auch wenn es weit und breit kein Meer gab. Mein Verstand sagte mir zwar, das sei eine ganz dumme Idee, aber ein Teil von mir, ganz tief in mir, wollte es scheinbar und wenn ich mich jetzt doch drücken würde, würde es vermutlich nur noch mehr Fragen und nervige Gespräche auslösen.

So kam es, dass wir nach dem Unterricht unsere Sachen aus dem Zimmer holten und uns zum See begaben.

Robin hatte sich seine Klamotten schon entledigt als ich noch dabei war mein Handtuch auszubreiten. Er schien es gar nicht abwarten zu können ins Wasser zu gelangen. Ganz genauso wie ich früher. Wobei, ich wäre früher schon längst im Wasser gewesen.

Zu seiner und auch zu Olis Überraschung, legte ich mich dann jedoch auf mein Handtuch und machte keine Anstalten ihnen ins Wasser zu folgen.

„Kommst du nicht mit rein?", fragte Oli. 

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, danke. Ich bleib hier und lese ein bisschen."

Sie blieben lange im Wasser. Die Sonne wärmte die Luft stark auf und ich konnte mir gut vorstellen, dass auch das Wasser aufgewärmt wurde. Auch wenn es wohl noch kühl genug war, um eine schöne Abkühlung darzustellen. Für mich würde sich das aber nicht so anfühlen. Ganz im Gegenteil: würde ich ins Wasser gehen, würde es sich anfühlen als stünde ich in Flammen. Ein Seufzen verließ meinen Mund, ohne dass ich es hätte kontrollieren können. Ein Teil von mir, wünschte sich, aufzuspringen und ins Wasser zu rennen. Doch der Rest von mir wehrte sich dagegen, sodass diese leise Stimme kaum zu hören war.

Greatest Love but Greatest FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt