„Nein."
„Nein?"
„Du bleibst hier und ich bin genau da, wo ich sein soll." Er drückte meinen Arm etwas fester. „Willst du, dass Kim kommt? Oder Oli? Sie haben mir vorhin geschrieben, ob es dir gut geht und ob sie kommen sollen, aber ich meinte, dass sie nicht kommen sollten... Dass du Zeit brauchst... Aber jetzt scheint es dir besser zu gehen, also wenn du willst, dass sie kommen, dann-"
„Nein!" Ich schüttelte den Kopf. „Bitte nicht."
„Alles klar. Sie lassen uns allein, bis du bereit bist."
Falls ich je bereit sein werde.
„Willst du... Willst du mit Adrian sprechen?"
Ich dachte kurz über die Frage nach, schüttelte aber dann den Kopf. „Ich will einfach hier bleiben, wenn das in Ordnung ist."
„Natürlich."
„Danke. Und ja, ich weiß. Ich soll mich nicht bedanken."
„Ganz genau."
Ich lehnte meinen Kopf nach hinten und ließ mich in seine Umarmung fallen. Seine starken warmen Arme gaben mir Halt.
„Lass mich einfach reden, okay?", bat ich nach einer Weile des Schweigens.
„Natürlich."
Ich schloss kurz die Augen. „Kim hat damals von dem Wettkampf erzählt... Vor etwas unter vier Jahren... Dort, wo sie mich gesehen hatte... Ich war da damals... offensichtlich war ich da. Kim hat mich ja gesehen... Ich war aber nicht allein da... Ich war da mit meinen Eltern und mit meinem Bruder."
Ich konnte auf den Augenwinkeln sehen, dass er die Stirn runzelte. Natürlich. Er wusste nicht, dass ich einen Bruder hatte. Das einzige Mal, dass ich ihn in seiner Gegenwart erwähnt hatte, war in der Nacht nach Kims Geburtstags gewesen. Daran konnte er sich aber nicht mehr erinnern.
„Manu, also mein Bruder. Sein Name ist Manu. Sie haben mich quasi bei jedem Turnier begleitet und haben mich unterstützt. Dieser Wettkampf diente mir als eine Art Probetraining. Da war so ein Programm und... Naja... Ist unwichtig. Das wichtige daran ist nur, dass der Sieg dieses Mal etwas besondereres war als sonst. Wir wollten feiern. Wir waren so glücklich. Wir alle." Ich seufzte bei der Erinnerung. „Im Auto haben wir die Musik aufgedreht, haben gelacht, haben- Wir waren einfach glücklich." Ich zog meine Knie an. „Ich weiß nicht genau wie... Vielleicht hat mein Vater eine Sekunde nicht auf die Straße geachtet, aber vielleicht ging es auch wirklich nur zu schnell. Wir fuhren gerade auf eine kleine Brücke drauf, aber es gab einen kleinen Weg aufs Feld. Es war stockdunkel. Keine Straßenlaternen, nichts. Und das Auto kam vom Feld. So schnell. Viel zu schnell. Mein Vater wollte ausweichen, glaub ich zumindest. Das Auto kam direkt auf uns zu in einer absurden Geschwindigkeit. Es hätte wahrscheinlich nichts verändert. Egal, ob mein Vater versucht hat auszuweichen oder nichts gemacht hätte... Das Auto traf uns mit voller Wucht und... und... und schleuderte uns von der Brücke." Die Tränen setzten wieder ein. „Der Aufprall hatte die Scheiben zerstört. Überall lag Glas. Überall steckten Scherben in unserem Fleisch. Meine Mutter... Sie... Sie war voller Blut. Ich weiß gar nicht genau was es war, aber irgendwas... wohl ein Teil des Autos... steckte ihr in der Brust. Sie war so voller Blut." Meine Stimme zitterte. „Sie war wohl direkt tot... aber das hab ich nicht verstanden... Noch nicht da, aber das war ja nicht alles. Das Auto sank, füllte sich mit Wasser. Die anderen waren alle ohnmächtig. Nur ich war wach. Ich versuchte meinen Anschnallgurt zu lösen, aber er klemmte. Ich zog und zog. Mittlerweile war das Auto vollständig mit Wasser gefüllt. Irgendwann schaffte ich es mich zu befreien. Es können drei Sekunden gewesen sein oder mehrere Minuten. Ich weiß es nicht. Ich kann, naja konnte, ziemlich lange die Luft anhalten... Ich bin früher nicht nur geschwommen, sondern Apnoe- ach egal. Tut jetzt auch nichts zur Sache... Ich hatte versucht die Tür zu öffnen, aber es ging nicht. Sie klemmte. Eigentlich dachte ich, dass das gehen müsste, weil das Wasser ja auch im Auto war, aber naja, wie dem auch sei, es ging nicht. Doch eigentlich war das auch nicht weiter dramatisch. Die Fenster waren ja vollständig kaputt. Natürlich erschwerte es den Durchgang, aber in der Situation gab es viel Schlimmeres als das... Langsam wurde auch mir die Luft knapp."
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Greatest Love but Greatest Fear
Fiksi RemajaElles Leben hatte sich von einem auf den anderen Tag geändert. Nichts war mehr gewesen wie bisher. Sie hatte alles verloren. Doch dieser Tag war nun schon drei Jahre her und trotzdem war sie noch immer nicht bereit loszulassen. Aber ihr Umzug in da...