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Gestern Morgen hatte ich es dann geschafft. Ich war neben dem Becken hin und her gelaufen und hatte Adrians Zeiten gemessen. Ich hatte ihm sogar ein paar Tipps gegeben.

Er war ganz überrascht gewesen, dass ich Ahnung von der Technik hatte und ich hatte zugegeben, dass ich früher, recht erfolgreich, geschwommen war. Bevor ich aufgehört hatte.

Er hatte mich fragend gemustert, aber nichts dazu gesagt.

Dafür hatte ich mich bedankt und ihm erklärt, dass ich es einfach nicht aussprechen konnte.

Er hatte mir versichert, dass ich mir darüber keine Gedanken machen sollte. Es wäre alles in Ordnung und dass er der letzte sei, der mich dazu drängen würde.

Was ich ihm sofort und ohne jeden Zweifel glaubte. Er hatte das alles mit mir durchgestanden, ohne eine Erklärung zu verlangen. Ich würde für Ewig in seiner Schuld stehen, auch wenn er das verneinte.

Es war nicht so, dass ich mich neben dem Becken wohl gefühlt hatte, aber es war erträglich. Viel mehr wars nicht. Ich konnte es ertragen, würde da aber trotzdem nicht länger Zeit verbringen als notwendig. Vielleicht verbesserte es sich ja noch mit der Zeit, aber momentan war es so, dass ich mir zutraute eine Weile mit Kim zu trainieren, aber wohl eher nur eine kurze Einheit, damit sie nicht merkte, wie ich immer schwächer wurde.

Jetzt aber saß ich erstmal im Bus auf dem Weg ins Internat. Ich freute mich. Irgendwie. Kim hatte ich auf jeden Fall vermisst und auch die anderen Beiden. Selbst Robin, wenn auch auf eine komische Art. Doch ich wusste auch, dass ich ab sofort auch jemanden vermissen würde, wenn ich im Internat war. Adrian war mir sehr ans Herz gewachsen und es würde seltsam sein, ihn nicht mehr sehen zu können. Wir hatten die gesamte letzte Woche zusammen verbracht. Und ab heute würden wir uns für mindestens ein halbes Jahr nicht mehr sehen. Wenn wir uns überhaupt wiedersahen, doch ich traute uns zu, dass wir das schafften. Ich zumindest wollte den Kontakt auf jeden Fall aufrecht erhalten und wenn ich mich nicht vollkommen in ihm täuschte, galt für ihn das gleiche.

Erst als der Bus vor dem Internat hielt, bemerkte ich wie die Zeit vergangen war. Ich war in einer anderen Welt gefangen gewesen. Das Buch hatte mich viel zu sehr begeistert, um etwas von meiner Umgebung wahrzunehmen.

Doch jetzt war ich hier. Ich war hier im Internat. In gewisser Weise fühlte es sich genauso an, wie beim ersten Mal. Zwar wartete dieses Mal nicht der Schulleiter auf mich, aber ich hatte trotzdem das Gefühl, dass ich das erste Mal hier war. Ich war ein anderer Mensch. Seitdem ich vor einem halben Jahr hier ausgestiegen war und jetzt, schien ein ganzes Leben vergangen zu sein, doch insbesondere auch die letzte Woche hatte mich verändert.

Ich schulterte meine Tasche und lief los. Kim hatte geschrieben, dass sie und Robin vor knapp zwei Stunden angekommen waren, aber ob sie noch immer im Zimmer waren, wusste ich nicht.

Zwar wollte ich sie unbedingt wiedersehen, aber zeitgleich dachte ich auch, dass es vielleicht besser war ein paar Minuten für mich zu haben. Vielleicht kurz runter an den See zu gehen. Anzukommen.

Unser Zimmer war leer, also warf ich meine Tasche auf den Boden, und stellte die Kaffeemaschine an.

Auch Kims Taschen lagen überall verstreut. Sie waren geöffnet, manche Kleidungsstücke flogen auf ihrem Bett, andere über dem Stuhl und dem Tisch rum.

Mit der warmen Kaffeetasse in der Hand, trat ich nach draußen auf den Balkon. Die kühle Luft beruhigte meinen Körper, von dem ich gar nicht gewusst hatte, dass er angespannt gewesen war, doch es schien als würde eine Last von meinen Schultern gehoben werden.

Gerade als ich das Zimmer wieder verlassen wollte, um zum See zu laufen, wurde die Tür geöffnet. Ich konnte nur noch blonde Haare wahrnehmen, bevor ich schon in einer Umarmung steckte.

„Elle! Ich hab dich so vermisst! Meine Güte, bin ich froh dich wiederzusehen! Wie geht es dir? Wie waren deine Ferien? Wann bist du angekommen?"

„Kimmi, jetzt lass ihr doch auch noch etwas Luft zum Atmen. Außerdem solltest du sie vielleicht auch antworten lassen, statt nur Fragen zu stellen."

Kim löste sich von mir, streckte Robin die Zunge aus und zuckte mit den Schultern. „Na gut. Hast ja recht."

Doch bevor ich antworten konnte, lagen neue Arme um meinen Körper. „Es freut auch mich dich wiederzusehen."

Seine Größe überraschte mich immer wieder aufs Neue, obwohl ich ja mittlerweile dran gewöhnt sein müsste, dass er mich überragte. „Äh... Hallo."

Seine Brust vibrierte als er lachte, löste sich dann aber auch wieder. „Wie fandest du die Bücher?"

„Sehr gut.", gestand ich und grundsätzlich war ich auch bereit mich länger mit ihm über die Bücher zu unterhalten, aber daran, wie Kim mit ihrem Fingern auf ihrem Bein tippte, konnte ich erkennen, wie sie ungeduldig wurde. Sie würde das Schweigen nicht lange aufrecht erhalten können. Insbesondere nicht, wenn sie so aufgeregt war wie gerade jetzt. „Ich bin gerade erst angekommen. Maximal vor einer halben Stunde. Mir geht's gut soweit."

„Gut soweit klingt nicht wirklich nach gut.", stellte Robin fest und musterte mich mit geneigtem Kopf.

„Mir geht's gut." Ich verdrehte die Augen und wandte mich wieder Kim zu. „Ferien waren auch gut." Zumindest waren sie effektiv und ich hatte einen guten Freund gewonnen. Gefühlt habe ich mich aber während der meisten Zeit elend, doch trotzdem waren es insgesamt gute Ferien gewesen. „Dass ich mich freue euch wiederzusehen, habe ich dir ja schon geschrieben."

„Euch! Kim, hast du das gehört? Sie freut sich auch mich wiederzusehen."

Kim und ich verdrehten gleichzeitig die Augen. 

Greatest Love but Greatest FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt