Zurück im Zimmer setzte mich auf einen Stuhl und schwieg vor mich hin. Ich spürte Robins Sorge, aber auch, dass er mir den Freiraum geben wollte, den ich gerade brauchte.
Nach einer Weile nahm er sich sein Buch und begann zu lesen, während ich weiterhin da saß und auf den silbernen Schlüssel vor mir starrte. Ich konnte nichts anderes tun. Weder meinen Blick losreißen, noch ihn in die Hand nehmen. Es gab kein Vor und auch kein Zurück.
Ich versuchte alle meine Selbstzweifel beiseite zu schieben. Mit Robin an meiner Seite konnte ich es schaffen. Mit ihm an meiner Seite würde ich es schaffen!
So unsinnig mein Plan auch klang, Robin zögerte keinen Augenblick und zog sich seine Schuhe wieder an, sodass wir nur wenige Minuten später bereits auf den Fahrrädern zum Haus fuhren.
Der Schlüssel in meiner Hosentasche schien sich durch den Stoff in meine Haut zu brennen. Ich konnte ihn überdeutlich spüren, aber es war mir egal. Ich musste es versuchen. Welchen Zweck hatte das alles, wenn ich nicht bereit war den nächsten Schritt zu wagen?
Ich war aufgeregt und nervös, doch wurde ich schnell wieder zurück auf den Boden der Tatsachen verfrachtet, als ich vor dem Haus stand und Partus nicht zur Tür laufen konnte.
Stattdessen setzt ich mich auf die gegenüberliegende Straßenseite und dort warteten wir. Wir warteten darauf, dass ich mich fähig fühlte. Etwas, was vielleicht niemals geschehen würde, aber vielleicht auch doch.
Dass wir beide dort auf dem Gehweg eingeschlafen waren, begriff ich erst, als ich am nächsten Morgen geweckt wurde. Doch leider war es nicht Robin, der mich weckte. Oh nein, es war jemand völlig anderes. Ein rothaariges Mädchen, das bei meinem Anblick einen kurzen spitzen Schrei entlassen hatte. Ihr Name war Klara und sie war wohl meine beste Freundin gewesen.
„Elle!"
„Hi Klara."
„Du bist es also wirklich?! Ich halluziniere nicht?! Du bist hier? Wie? Wann? Ich fasse es nicht! Was- Ich mein- Du bist verschwunden! Gott, es tut mir so leid, was geschehen ist! Ich verstehe, nein ich weiß, dass ich es nicht verstehen kann, aber auch wenn ich es nicht nachempfinden kann, weiß ich, wie schwer das für dich sein musste. Ich wollte für dich da sein! Aber du hast nicht auf meine Anrufe reagiert. Du bist einfach verschwunden."
„Ich weiß..."
„Wieso?"
„Weil... Es tut mir leid, okay?"
Sie öffnete den Mund, doch schloss ihn wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Vielleicht kannte sie mich noch gut genug, um zu begreifen, dass ich nicht darüber reden wollte. „Am Montag ist eine Party. Es werden alle da sein. Bitte kommt! Sie werden sich alle so freuen dich zu sehen! Wir haben dich so sehr vermisst!"
Ich antwortete nicht.
„Aber jetzt lasst uns erstmal frühstücken gehen. Wie geht es dir? Was hast du so gemacht die letzten Jahre?"
Nicht in der Lage ihr das zu verweigern, standen Robin und ich auf und folgten ihr in ein Café in der Parallelstraße.
„Seit wann ist das hier?", fragte ich, denn ich konnte mich noch gut daran erinnern, dass hier ein kleiner Buchladen gewesen war. Ich war so oft hier hergekommen, um mein Lesedurst zu stillen.
„Seit zwei Jahren denk ich. So ungefähr."
„Oh."
Plötzlich drehte sie sich um. „Verdammt, sorry! Ich bin Karla."
Robin nahm ihre Hand. „Robin."
„Freut mich!" Sie führte uns an einen Tisch. „Hey Tom."
Der Mann hinter dem Tresen hob den Kopf.
„Wenn du Hilfe brauchst sag Bescheid, aber es ist ja noch nichts los und sie hier" Sie zeigte auf mich. „ist gerade erst wieder hier aufgetaucht und ich hab sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen!"
„Schon gut, frühstückt nur, ihr jungen Leute. Es sieht nicht so aus als würde in der nächsten Stunde so viel zu tun sein."
„Danke dir! Ich bleibe auch länger später."
„Ach was, schon in Ordnung."
Karla wendete sich wieder uns zu. „Ich arbeite hier neben der Schule, weißt du."
„Cool.", erwiderte ich, während ich versuchte herauszufinden, ob es besser wäre mich darauf zu konzentrieren, dass ich mich wieder beruhigte oder darauf ein unbedenkliches Gesprächsthema zu finden. Im Endeffekt konzentrierte ich mich auf die Entscheidung und somit weder auf das eine noch auf das andere.
Es stellte sich aber als nicht ganz so schlimm heraus, denn Robin fragte an Klara gewandt: „Seit wann arbeitest du denn hier?"
„Noch nicht lang, ein paar Monate erst." Sie lächelte breit und spielte mit einer Haarsträhne. „Es war eigentlich ein ganz witziger Zufall. Ich bin zum Lernen hier hergekommen. Ich komme mit Stille nicht so gut klar, musst du wissen, aber ich wollte auch nicht in eins der Cafés in der Innenstadt. Ich wollte ja lernen und nicht ständig von irgendwelchen Leuten angesprochen werden, die ich kenne und ich durfte feststellen, dass es echt schön hier ist. Ich kam dann also jeden Tag hierher zum Lernen und an dem Tag nachdem die letzte Klausur rum war, kam ich wieder her. Als wäre es ein Zeichen des Schicksals gewesen, war an diesem Tag massenhaft los. Keine kann dir erklären, woher die ganzen Leute kamen. Auf jeden Fall brauchte Tom Unterstützung und ich kannte mittlerweile die ganze Karte auswendig, also bot ich an zu helfen und seitdem arbeite ich hier."
„Da konntest du dich sogar vor einem nervigen Bewerbungsgespräch drücken."
„Ganz genau!" Sie nickte. „Ich dachte anfangs, dass Tom bald bemerken würde, dass er niemanden braucht, denn sonst war es ja immer relativ leer gewesen, doch seit diesem Tag wurde das Café immer bekannter. Nie wieder waren so viele zeitgleich da, wie an diesem besagten Tag und doch hat es endlich die Runde gemacht, wie schön es hier ist."
„Manchmal braucht es eben seine Zeit."
„Aber umso cooler finde ich, dass ich es schon vorher gefunden habe!"
„Du bist eben eine richtige Trendsetterin."
„Fast schon eine Influencerin, aber ich bekomme leider kein Geld, um über das Café zu reden, sondern muss wirklich hier arbeiten."
„Man kann eben nicht alles haben."
DU LIEST GERADE
Greatest Love but Greatest Fear
Roman pour AdolescentsElles Leben hatte sich von einem auf den anderen Tag geändert. Nichts war mehr gewesen wie bisher. Sie hatte alles verloren. Doch dieser Tag war nun schon drei Jahre her und trotzdem war sie noch immer nicht bereit loszulassen. Aber ihr Umzug in da...