Die Enge um meine Brust wurde mit jedem Kilometer, den wir zurücklegten, stärker. Bald schon kannte ich jede Straße. Jede Abzweigung weckte Erinnerungen in mir. Gänsehaut hatte meine Arme überzogen und ich hielt meine Hände fest ineinander, um sie am Zittern zu hindern.
„Kannst du bei der nächsten Möglichkeit anhalten?"
„Selbstverständlich.", antwortete Robin sofort und fuhr wenige hundert Meter später auf eine Raststätte.
Er hatte den Motor gerade abgestellt, als ich schon die Tür auf riss und aus dem Auto stolperte. Schwer atmend setzte ich mich auf den Boden, zog meine Knie an meinen Körper und legte meinen Kopf darauf ab.
Robin stieg ebenfalls aus und setzte sich schweigend neben mich.
Als ich mich ein wenig in seine Richtung lehnte, legte er sofort seinen Arm um mich und strich mit seinem Daumen über meinen Oberarm.
So saßen wir einige Minuten da, bis ich mir zutraute wieder sprechen zu können. „Ich weiß nicht, wo du schlafen willst... Ich würde gleich schauen, ob es etwas vor der Grenze gibt..."
„Du willst nicht direkt nach Hofond?"
„Nein." Ich versuchte den Klos in meinem Hals runterzuschlucken.
„Willst du denn... Also möchtest du, dass ich... Soll ich dich allein lassen? Mir ist es egal, wo ich schlafe. Es kann in Hofond, davor oder danach sein. Wir können uns also sehr gerne etwas teilen, aber wenn du das nicht willst, dann fahr ich dich dahin, wo du hin möchtest und suche mir etwas eigenes..."
Ich hob meinen Kopf, um ihn ansehen zu können. Er wisch meinem Blick aus, als würde er sich vor meiner Antwort fürchten. „Es wäre billiger..."
„Das wäre es..."
Eine Stimme in mir sagte, dass das nicht der Grund war, warum ich wollte, dass Robin bei mir blieb. Ich hatte Angst allein zu sein. Es war zwar genau das, was ich hier gewollt hatte, aber die Wahrheit war doch, dass ich es allein unmöglich schaffen konnte. Wäre er nicht hier gewesen, wäre ich schon mehrmals umgedreht und zurück ins Internat gefahren. Wenn er nicht wäre, hätte ich wohl niemals den Entschluss gefasst nach Hofond zu fahren. „Aber bist du dir sicher, dass es dich nicht stört außerhalb zu bleiben? Also nicht, dass Hofond so viel zu bieten hätte, aber... naja... mehr als vor der Stadt..."
„Ich bin doch ohne Erwartungen hier hergefahren. Ich bin nicht hier, um..." Er stockte kurz und kratzte sich am Hinterkopf. „Ich lass dir allen Freiraum, den du willst. Du musst es nur sagen. Aber der Grund, weswegen ich hier bin, ist schließlich nicht, dass ich etwas sehen möchte, sondern dass ich für dich da sein möchte, wenn du mich brauchst."
Ich schloss die Augen, in der Hoffnung, dass die Tränen nicht kamen, und legte meinen Kopf auf seine Schulter. „Danke."
„Nichts wofür."
Dieses Mal begann ich die Diskussion nicht. Offensichtlich hatte ich jeden Grund mich bei ihm zu bedanken.
Nach einigen weiteren Minuten der Stille, des angenehmen Schweigens, nahm ich mein Handy und suchte nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Es gab nicht sonderlich viel zur Auswahl. Um Hofond gab es zwar einige schöne Wandermöglichkeiten, aber sonst hatte die Umgebung nicht viel zu bieten. Außerdem war schon Hofond recht klein, die Dörfer drumherum waren winzig und dadurch gab es kaum Möglichkeiten, die sich nicht innerhalb Hofonds befanden.
Trotzdem fand ich ein kleines Hotel. Es war nah an Stadtgrenze, aber weit genug entfernt, dass es in Frage kam.
„Was hälst du hiervon?", fragte ich und reichte Robin mein Handy.
Er scrollte ein wenig durch die Website und nickte. „Sieht doch gut aus."
„Man kann allerdings nur Vorort buchen..."
„Na dann fahren wir doch mal hin und fragen, ob sie noch Platz haben.", schlug er vor, machte aber keine Anstalten aufzustehen. „Wenn du bereit bist."
Ich wusste nicht, ob ich bereit war, aber wahrscheinlich würde es auch nichts ändern, wenn ich noch ein paar Minuten hier saß... oder noch Stunden... Also stand ich auf und Robin folgte mir ins Auto.
Ich hatte das Gefühl, dass mit jedem Meter, den wir uns der Stadt näherten, mein Herz schneller zu schlagen schien und die Last auf meinen Schultern größer wurde.
Aber ich musste das schaffen. Ich würde das schaffen. Robin würde mir dabei helfen.
DU LIEST GERADE
Greatest Love but Greatest Fear
Teen FictionElles Leben hatte sich von einem auf den anderen Tag geändert. Nichts war mehr gewesen wie bisher. Sie hatte alles verloren. Doch dieser Tag war nun schon drei Jahre her und trotzdem war sie noch immer nicht bereit loszulassen. Aber ihr Umzug in da...