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Aus dem Augenwinkel sah ich wie Robin sich zu der Stimme umdrehte, ich hingegen sprang direkt zu Marvin und umarmte ihn. „Wie geht es dir? So schön dich zu sehen!"

Er löste sich von mir und hielt mich auf Armeslänge Abstand, um mich anzuschauen. „Ich hab Klara ja nicht geglaubt, als sie sagte du seist wieder hier."

„Selbst schuld, wenn du mir nicht vertraust.", kam es vom Bett.

„Wieso sollte ich auch? Ich kenn dich schließlich schon eine Weile.", gab Marvin zurück.

„Ha ha, sehr witzig, aber um deine Frage zu beantworten: du solltest, weil ich die beste Schwester auf dem gesamten Universum bin."

„Ha ha, sehr witzig.", ahmte er sie nach und wendete sich wieder mir zu. „Aber zurück zu dir? Wie geht es dir? Seit wann bist du hier? Bis wann bleibst du?"

Statt auf eine seiner Fragen zu antworten, sah ich ihn kopfschüttelnd an. „Du bist ja noch größer geworden. Willst du nicht mal aufhören zu wachsen?"

„Ich bin nicht größer als dein Freund hier."

„Ja, aber auch nur, weil er auch ein Riese ist!" Lächelnd griff ich nach Robins Hand und zog ihn näher zu uns. „Das ist Robin, Robin das ist Marvin. Klaras großer Bruder, der mit mir im Schwimmverein war und ein sehr guter Freund von Lisa und Manu."

Robins Gesichtsausdruck erwärmte sich ein wenig und er schüttelte Marvin die Hand. „Hi."

„Freut mich. Woher kennst du unsere Prinzessin?"

„Ich mochte es damals nicht, wenn du mich so genannt hast, und das tue ich jetzt immer noch nicht.", warf ich dazwischen, bevor Robin auf die Frage antworten konnte.

„Ich benenne dich nur bei deinem Titel."

„Nur habe ich keinen Titel." Ich verschränkte die Arme vor der Brust.

„Könnte man aber meinen, so wie sich dein goldener Ritter dir jeden Wunsch von den Augen abgelesen hat." Marvins Lächeln fiel aus seinem Gesicht, als er begriff auf wen er gerade angespielt hatte. „Verdammt, sorry. Das wollte ich nicht. Das-"

„Schon okay.", erwiderte ich und zu meiner eigenen Überraschung meinte ich es tatsächlich so. Seine Erwähnung hatte mir zwar einen kurzen Stich versetzt, aber mir ging es gut. Dann drehte ich mich zu Robin um. „Du brauchst wohl gerade etwas Kontext, sorry. Marvin hat mich immer Prinzessin genannt und Manu meinen goldenen Ritter, weil er uns damit aufziehen wollte, dass wir uns so nah standen."

„Wenn du Manu kennengelernt hättest, dann hättest du das verstanden. Er wäre für sie in jeden Kampf gesprungen, ohne auch nur einen Moment zu zögern.", fügte Marvin hinzu. „Sie war sein Schatz, seine Prinzessin."

„Sie ist keine Prinzessin. Elle muss nicht gerettet werden."

„Ha!", rief ich. „Siehst du, Robin stimmt mir zu!"

„Wenn ich es richtig verstanden habe, sollten wir sie Königin nennen. Sie hat die Macht und ihr wird jeder Wunsch erfüllt, als hätte sie es befohlen. Ganz klar eine Königin."

Mein triumphierendes Grinsen erblasste, während Marvin Robin lachend auf die Schulter klopfte. „Der Kerl gefällt mir! Da hast du dir jemand Guten ausgesucht!"

Kopfschüttelnd wand ich mich Klara zu, die die Gelegenheit nutzte: „Welche Schuhgröße habt ihr?"

„38."

„46."

„Uff, äh, Marv, welche Schuhgröße hast du?", fragte Klara und wollte schon ihren Welpenblick aufsetzen, also Marvin grinsend die Augen verdrehte. „Es scheint als würdest du kurz mitkommen und meine weißen Schuhe anprobieren."

„Kann ich wirklich nicht mal meine eigenen Schuhe anziehen? Darauf achtet doch bestimmt keiner.", versuchte ich mein Glück, während die Jungs das Zimmer verließen.

Isa schüttelte den Kopf. „Kann schon sein, dass sonst niemand drauf achtet, aber wir achten drauf. Wenn wir das schon machen, dann richtig."

„Ach von mir aus können wir es auch ganz lassen."

„Kommt nicht in Frage!" Synchron verschränkten Klara und Isa die Arme vor der Brust.

Also nahm ich die weißen Chucks von Klara und tatsächlich passten sie.

„Dann sind wir ja startklar." Klara sprang vom Bett auf.

„Nein, ihr könnt noch nicht gehen!", widersprach Marvin. „Die Prinzessin, nein, die Königin muss mir noch ein bisschen was von ihrem Leben erzählen!"

„Ich dachte das Gute am Königin sein ist, dass ich gar nichts muss?"

„Nicht schlecht, nicht schlecht.", gab Marvin lachend zu. „Aber die Wahrheit ist ja, dass du mich vermisst hast und das kein müssen ist, sondern ein beidseitiger Wunsch."

„Noch ein paar Minuten?", fragte ich in Klaras Richtung.

Sie ließ sich wieder aufs Bett fallen. „Na, gut. Wenn es sein muss."

„Muss es." Marvin setzte sich auf den Boden.

Robin und ich folgten seinem Vorbild.

„Also, wo bist du jetzt? Wie lang bleibst du? Seit wann bist du hier? Was hab ich so verpasst in deinem Leben? Geht es dir wirklich gut?"

„Jetzt gerade sitze ich dir gegenüber."

„Ha ha, du weißt, was ich meine."

„Ja, natürlich, aber wenn ihr alle mich immer so mit Fragen überrollt, muss ich halt zu anderen Mitteln greifen."

„Wenn du einfach verschwindest, ohne uns ein Wort zu sagen, müssen wir eben zu anderen Mitteln greifen.", nutzte Klara meine Aussage gegen mich.

„Ich sagte doch schon, dass es mir leid tut..."

„Ja, ich weiß." Klara seufzte und lächelte mich an. „Ich versteh dich ja auch zu einem gewissen Grad, aber es tat trotzdem weh..."

„Ich weiß. Es tut mir leid."

„Ehrlich gesagt macht es auch nicht besser, dass du Marv so viel offener begegnest als mich..."

„Ich bin halt cooler als du, Schwesterchen."

„Sicher nicht, Bruderherz."

Ich ließ meinen Blick zwischen ihnen hin und her gleiten, aber wendete mich dann Klara zu. „Es hat rein gar nichts damit zu tun, wen von euch beiden ich mehr vermisst habe. Mehr mit der Reihenfolge. Vor einer Woche noch hätte ich ihn ganz anders begegnet als ich heute getan habe... Du warst mit die erste Person, die ich aus dem Leben hier getroffen habe und das war hart. Du hast so viele schreckliche Erinnerungen in mir hervorgerufen. Die Begegnung mit dir was unglaublich schwer für mich und das wäre sie mit Marvin auch gewesen. Wahrscheinlich sogar noch schwerer, denn auch wenn du damals einen präsenteren Part in meinem Leben gespielt hast, löst Marvin noch mehr schmerzhafte Erinnerungen aus, weil viel häufiger Manu ebenfalls Teil dieser Erinnerung war." Ich setzte mich Klara gegenüber aufs Bett. „Du hast den Weg geebnet. Ohne dich und auch ohne die anderen, hätte ich es nicht geschafft. Als ich dich getroffen habe, hat mein Herz so wild geschlagen, dass ich fürchtete, dass es sich selbst kurzschließen würde. Ich musste das Zittern unterdrücken, war den Tränen nahe. Ich wäre fast zusammengebrochen. Du hast mir gezeigt, dass ich es schaffen kann und dass ich euch mehr vermisst habe, als ich es mir selbst zugestanden habe. Nur deshalb konnte ich Marvin jetzt viel offener begegnen, als ich es bei dir konnte."

Greatest Love but Greatest FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt