„Weder noch?", schlug ich vor. „Du gehst Schwimmen und ich bleibe hier. Ich will dich nicht von deinem Training abhalten."
„Uff, das war wohl eine Abfuhr." Er schlug seine Hände übers Herz und senkte den Kopf. Trotzdem blieb er draußen stehen und wartete darauf, dass ich sprach.
„Ich bin wirklich gekommen, um hier zu stehen und zu warten." Ich seufzte. „Weil... Es ist so, dass... Also... Ich werde dir ganz sicher nicht erklären warum, aber es ist so, dass ich Angst habe reinzugehen, aber diese Angst überwinden möchte. Ich will es schaffen ein Schwimmbad betreten zu können und dort eine Weile zu bleiben, ohne einen Nervenzusammenbruch zu kriegen. Deswegen steh ich hier rum, um mich mental darauf vorzubereiten irgendwann rein zu gehen."
Er runzelte die Stirn, aber schwieg.
„Für dich mag das total bescheuert klingen und vielleicht ist es das auch, aber das ist die Wahrheit." Mir war nicht klar, warum ich das alles erzählte. Irgendwie tat es gut. Es wollte raus, aber ich konnte mit niemanden darüber sprechen, den ich kannte. Eine fremde Person aber war anders. „Ich war auch schon die letzten Tage hier. Hier draußen und am ersten Tag war ich erstarrt vor... Panik. Ich konnte mich nicht bewegen, dabei war es nur der Chlorgeruch, der hier nach draußen kam als die Tür für einen Moment geöffnet wurde. Rein zu gehen ist eine völlig andere Nummer. Ich bezweifle, dass ich das kann, aber ich muss es schaffen."
Einige Sekunden der Stille verstrichen, dann nickte Adrian, zog den Schlüssel wieder aus dem Schloss und nickte mir zu. „Komm mit."
„Was?"
„Ich will dir helfen." Er streckte mir seine Hand hin. „Darf ich?"
„Wie willst du mir helfen?"
„Du musst mir nicht erzählen, was geschehen ist, aber es scheint als müsstest du dich langsam herantasten, um dich wieder daran zu gewöhnen. Du warst jetzt vor dem Schwimmbad und damit scheinst du umgehen zu können. Wenn du darüber nachdenkst, rein zu gehen, scheinst du auch mit dem Öffnen der Türen klar gekommen zu sein, richtig?"
„Ja, mehr oder weniger..."
„Okay, das ist schon wirklich gut. Jetzt aber die Halle zu betreten ist zu viel. Der Schritt ist zu groß. Die Eingangshalle grenzt direkt an eines der Becken. Du würdest von Chlorgeruch erschlagen werden. Vielleicht nicht ganz so krass, wie direkt im Beckenraum, aber das ist zu viel."
„Oh..."
„Stattdessen schlage ich vor, dass wir einen Zwischenstopp einlegen." Er lächelte mich an. „Hinter dem Gebäude ist das Freibad. Die meisten Becken sind gerade nicht in Benutzung und der Geruch nach Chlor ist daher auch kaum vorhanden. Was wohl ein guter Anfang wäre. Du wärst an einem Schwimmbecken, aber würdest den Geruch nicht haben und dann können wir weitergehen, in deinem Tempo. Je näher wir zum Ostflügel kommen, desto stärker wird es nach Chlor riechen, denn da ist ein Becken mit Durchgang nach Drinnen. Das wird auch im Winter mit Chlor versorgt. Wenn du das erträgst, können wir als nächste Stufe die Eingangshalle betreten. Da riecht es noch stärker, weil es hier an der frischen Luft schnell verfliegt. Als letzten Schritt gehst du zum Innenbecken. Naja, also außer du willst auch ins Becken, aber so wie ich das verstanden habe, geht es dir darum das Gebäude betreten zu können und nicht ums Schwimmen, oder?"
Ich nickte und nach kurzem Zögern, griff ich nach seiner Hand, die er mir immer noch hinhielt.
Sein Lächeln wurde breiter. „Gut, dann mal los."
Adrian ließ mir so viel Freiraum, wie ich brauchte. Er hatte das Tor geöffnet und blieb in meiner Nähe stehen, ließ mich jedoch das Tempo bestimmen. Meine Schritte kamen zögerlich. Je näher ich dem Becken kam, desto schneller schlug mein Herz.
Es war über drei Jahre her, dass ich das letzte Mal ein Schwimmbecken gesehen hatte. Es war seltsam wie fremd und zugleich vertraut mir der Anblick war. Wie viele Stunden hatte ich in solchen Becken verbracht? Aber jetzt sorgten sie dafür, dass ich vergaß, wie man atmete.
Trotzdem näherte ich mich. Schritt für Schritt. Ich wusste nicht, wie lange diese Prozedur dauerte, aber es fühlte sich an wie eine Ewigkeit als ich endlich einen Meter vom Beckenrand entfernt stehen blieb. Nur ein minimaler Chlorgeruch stieg in meine Nase. So schwach, dass ich mir nicht sicher war, ob ich mir das nur einbildete.
Dort blieb ich stehen. Wartete einfach ab, bis mein Herzschlag nicht mehr in meinen Ohren pochte.
Ich warf einen Blick hinter mich. Adrian stand da und lächelte mich aufmunternd an.
„Du kannst auch gehen, weißt du? Also, ich kann gehen. Das ist wirklich lieb von dir gewesen, aber ich will dich nicht aufhalten. Ich hätte das gar nicht annehmen dürfen."
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Greatest Love but Greatest Fear
Teen FictionElles Leben hatte sich von einem auf den anderen Tag geändert. Nichts war mehr gewesen wie bisher. Sie hatte alles verloren. Doch dieser Tag war nun schon drei Jahre her und trotzdem war sie noch immer nicht bereit loszulassen. Aber ihr Umzug in da...