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Es war schon gegen Ende des Essens, als ich wieder an das eine Thema dachte, über das ich mit ihnen sprechen wollte. „Ach wegen des Schlüssels. Wenn es für euch in Ordnung ist, würden wir heute noch im Haus schlafen und dann morgen, bevor wir abfahren, bei euch vorbeibringen oder wenn ihr nicht da seid, können wir ihn auch in den Briefkasten werfen."

Achim schüttelte den Kopf, aber es war Katharina die sagte: „Ach mein Kind, ich weiß nicht, ob du es falsch verstanden hast oder ob du es nur falsch verstehen willst. Du musst uns den Schlüssel nicht zurückgeben. Nein, wir wollen ihn auch gar nicht zurück. Der gehört dir. Das Haus gehört dir."

„Das geht nicht. Ich danke euch wirklich sehr, dass ihr mir die Möglichkeit gegeben habt, dort nochmal reinzugehen, auch wenn ich es nicht unbedingt gezeigt habe, aber ich hatte jetzt die Möglichkeit mich von dem Ort zu verabschieden. Benutzt das Haus, verkauft es, reißt es ab. Es ist eure Entscheidung, denn das Haus gehört euch. Ihr habt die letzten Jahre nichts damit angefangen, aber das ist falsch. Ihr müsst irgendwas damit tun. Ihr habt es gekauft. Es gehört euch."

„Es gehört dir. Sobald du 18 bist, überschreiben wir es auf deinen Namen. Das ist dein Haus. Wenn du es dann verkaufen willst, wäre es zwar bedauerlich, aber wir könnten nichts dagegen tun. Das Haus gehört dir. Aber wenn du es dann verkaufen willst, dann bitte schau die Sachen gut durch. Du wirst es bereuen, wenn du alles aufgibst."

„Ich kann das wirklich nicht annehmen. Das ist ein verdammtes Haus. Das ist viel zu viel. Selbst für euch. Das geht echt nicht."

„Und ob das geht. Wusstest du, dass ich es deiner Mutter zu verdanken habe, dass ich dort bin, wo ich jetzt bin?", fragte Achim. „Ich hätte damals mein Studium abbrechen müssen. Ich war total pleite, aber die einzige Möglichkeit für meine Abschlussarbeit, die ich hatte, war in einem Unternehmen in dem ich mit Pflichtpraktikum neun Monate bleiben musste. Natürlich ohne auch nur einen Cent dafür zu bekommen. Ich hatte eine Vollzeitstelle mit Überstunden, ohne etwas dafür zu bekommen. Ich hätte mir das niemals leisten könnten und meine Eltern auch nicht. Deine Mutter hat mich bei ihr wohnen lassen. Ich habe fast die vollständigen neun Monate kostenlos bei deiner Mutter wohnen dürfen. Ohne sie hätte ich mein Studium nie beendet, hätte dann nicht die Praktikumsstelle bekommen, wo ich sofort übernommen worden bin und wo ich schnell aufgestiegen bin. Ich wäre nicht in der Position, in der ich jetzt bin. Wenn es nicht wegen deiner Mutter gewesen wäre, hätte ich mir jetzt kein Haus leisten können. Wenn du es so betrachtest, dann schulde ich das deiner Mutter, denn sie ist der Grund, warum ich das Geld nun habe."

Ich wollte widersprechen, aber er schüttelte den Kopf.

„Kind, bitte, nimm es einfach an. Du weißt, dass wir nicht locker lassen werden." Katharina lächelte mich an, aber in ihren Augen lag die gleiche Sturheit, die auch bei meiner Familie vertreten war. Sie würden nicht nachgeben. Ich könnte den Schlüssel morgen trotzdem einwerfen, aber dann würden sie ihn aufbewahren und ihn mir bei der nächsten Gelegenheit wiedergeben und in der Zwischenzeit das Haus weiterhin so stehen lassen.

Seufzend schüttelte ich den Kopf. „Danke. Ich... Ich werde es euch abkaufen, sobald ich kann."

„Nichts da." Achim verschränkte die Arme „Aber lasst uns jetzt lieber über etwas anderes reden."

Ich versuchte es ein paar Minuten später noch einmal, aber sie ließen sich nicht von ihrer Meinung abbringen.

„Ist alles in Ordnung?", raunte mir Robin leise zu, als Achim und Katharina gerade aufstanden, um einige Sachen in die Küche zu tragen. Robin und ich hatten helfen wollen, aber sie befahlen uns sitzen zu bleiben.

Ich nickte und blickte zu Lisa, die uns interessiert beobachtete. Seufzend zuckte ich mit den Schultern und berichtete in normaler Lautstärke, sodass mich beide gut hören konnten: „Vor zwei Wochen hatte ich Angst davor nach Hofond zu fahren. Ich hatte das Gefühl hierher kommen zu müssen, aber ich wollte nicht. Jetzt... Jetzt habe ich Angst Hofond wieder zu verlassen. Angst ist vielleicht nicht das richtige Wort... Es ist nur... Ach keine Ahnung. Ich wollte hier nicht her und jetzt will ich hier nicht mehr weg... Und das heißt nicht, dass ich nicht auch wieder ins Internat will. Das ist es gar nicht. Ich freu mich darauf Kim und Oli wieder zu sehen, aber... Ach, keine Ahnung..."

„Das Gute ist ja, dass du immer wieder zurück kannst.", erwiderte Lisa. „Das ist ja keine entweder oder Entscheidung. Du legst dich nicht für immer für eins fest. Du kannst morgen zurück ins Internat fahren und in deinen nächsten Ferien wieder her kommen. Die Stadt läuft dir nicht weg. Dein Haus auch nicht und was die Menschen angeht? Uns wirst du nicht mehr los. Auch wenn du nicht mehr in Hofond bist, wir bleiben mit dir in Kontakt. Keiner hier wird zulassen dich noch einmal zu verlieren. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um dich in unserem Leben zu behalten und jetzt wissen wir, wo du wohnst. Wenn du also auf die Idee kommst unsere Nachrichten zu ignorieren, dann stehen wir bald vor dem Internat und zwingen dich mit uns zu reden."

Lachend schüttelte ich den Kopf. „Das wird nicht nötig sein. Ich habe nicht vor euch zu ignorieren. Nicht schon wieder."

„Das will ich aber auch hoffen!"

Greatest Love but Greatest FearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt